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Viel Hilfe für die Wenigen in der Ukraine

Wer profitiert von der einseitigen Aufhebung der Zölle auf ukrainische Exporte in die EU?

10.04.2014

Noch im Herbst 2013 zeigten EU-Rat und -Kommission keine Bereitschaft, der schon damals finanziell fast bankrotten Ukraine einseitig und großzügig zu helfen. Man beschränkte sich darauf, beim Internationalen Währungsfonds (IWF) für dessen Engagement in der Ukraine politisch zu werben und teilte damit den im Gegenzug aufgezwungenen Sparkurs.
Auch beim jüngsten Treffen Anfang März haben die 28 Staats- und Regierungschefs offen gelassen, ob und in welchem Umfang die EU sich selbst finanziell in der Ukraine einbringen will. In diesem Kontext verständigte sich der Rat auf eine Mogelpackung: Zur wirtschaftlichen und finanziellen Stabilisierung des Landes soll die Europäische Kommission die Zölle auf ukrainische Exporte in die EU für einen Zeitraum von sechs Monaten einseitig aufheben. Und kurz vor den in Kiew angekündigten Wahlen soll dann das unter Ausschluss des Europäischen Parlaments beispiellose Paket einer »Makroökonomischen Finanzhilfe« in Höhe von einer Milliarde Euro auf den Weg gebracht werden. All dies suggeriert Entwicklungsperspektive, im Kern handelt es sich aber um Interessenpolitik zugunsten europäischer Großkonzerne und ukrainischer Oligarchen.
Worum geht es konkret? Mit der anstehenden Unterzeichnung der Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU legt sich die Ukraine politisch und wirtschaftlich auf das EU-Integrationsprojekt fest und wird in der Konsequenz jene Handelsvorzüge verlieren, die sich aus der bisherigen Beteiligung an der Freihandelszone ergaben, die vor mehr als zehn Jahren unter dem GUS-Schirm geschaffen wurde und die die traditionellen Wirtschaftsverflechtungen in den beteiligten Ländern fortführen sollte. 36 Prozent des Exports (63 Milliarden Dollar) und 35 Prozent des Imports (77 Milliarden Dollar) wickelte die Ukraine 2013 in diese Richtung ab. Der Anteil des Handels mit der EU lag zum Teil deutlich darunter.
Mit der Unterzeichnung der noch von Janukowitsch ausgehandelten Abkommen mit der EU steht die Ukraine jetzt vor der Herausforderung, für ihre Waren neue Märkte zu suchen. Die Aufhebung der Einfuhrzölle auf ukrainische Waren könnte gutwillig als Unterstützung der EU für die Ukraine bei der Suche nach diesen »neuen« Märkten im Europäischen Binnenmarkt angesehen werden. Genau darum handelt es sich aber nicht, denn die Kommission hat von Anfang klar gemacht, dass sie alleine und nach eigener Interessenlage entscheiden wird, für welche Produkte die Zölle aufgehoben werden. Dass hiervon landwirtschaftliche Produkte ausgeschlossen sein werden, hat man bereits mitgeteilt.
Erhellend ist auch die Kommissionsaussage, vor allem jenen ukrainischen Unternehmen einen Impuls geben zu wollen, die das tagtägliche Leben der Bürger des Landes beeinflussen. Bei der gegebenen Warenstruktur des ukrainischen Außenhandels reden wir damit über die Wirtschaftsoligarchen aus den Bereichen der Schwarzmetallurgie, der chemischen sowie der extraktiven Industrie aus dem Ost- und dem Westteil der Ukraine, die einen Anteil am Export von reichlich 65 Prozent haben. Im Ergebnis der in Wildwest-Manier durchgezogenen Privatisierung der industriellen Basis der Ukraine Ende der 90er Jahre bündeln diese Oligarchen nicht nur enorme Mittel in den Händen Weniger; sie bilden seit mehr als 20 Jahren zugleich eine mit der Politik aufs Engste verflochtene Zweckgemeinschaft.
Die von der Kommission angekündigte handelspolitische Maßnahme stellt sich vor diesem Hintergrund auch als Versuch dar, die in Ost und West gespaltenen Gruppen von ukrainischen Oligarchen politisch zu einen und ihnen eine europäische Perspektive zu eröffnen. Ob dieses Kalkül angesichts der abstürzenden Nationalwährung wirtschaftlich aufgehen kann, ist offen. Klar ist aber, dass sich aus den Zollmaßnahmen der EU kaum wirtschaftspolitische Effekte ergeben werden, die bei der Bevölkerung unmittelbar ankommen. Die einseitige halbjährige Aufhebung der Zölle wird der EU einen Einnahmeverlust in Höhe von ca. 500 Millionen Euro bringen. Aus welcher Schatulle des ohnehin schon reduzierten EU-Haushalts dieser Verlust kompensiert werden soll, ist unbeantwortet. Für die europäischen Großabnehmer ukrainischer Waren werden sich aber günstigere Einkaufspreise ergeben. Den Nutzen werden hier vor allem deutsche, französische, polnische, niederländische und italienische Großkonzerne haben.

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