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Wo steht Europa in der (neuen) deutschen Politik?

Bürgerforum "Europa kontrovers" lud dieses Mal nach Werder (Havel)

23.02.2018
Felix Thier
Im Podium: Katja Sinko von der Jungen Europäischen Bewegung, Moderatorin Dr. Andrea Despot und Helmut Scholz (v.l.n.r.)

Deutschland sucht seine Rolle in Europa. „Zu groß für Europa, zu klein für die Welt.“, beschrieb Henry Kissinger einmal das deutsche Dilemma und mahnte, die Bundesrepublik müsse das richtige Maß finden.

Lange Zeit galt Deutschland als ein „Motor der Integration“. Und heute? Wo bleibt die deutsche Antwort auf die Vorschläge Macrons? Europa wartet.

„Ein neuer Aufbruch für Europa“ titelt das Europakapitel des Sondierungspapiers von Union und SPD. Wo soll es hingehen? Wer bricht auf und mit wem? Darüber diskutierten am Abend des 23. Februars in Werder (Havel) unter Moderation von Dr. Andrea Despot Katja Sinko von der Jungen Europäischen Bewegung und Helmut Scholz, Europaabgeordneter der LINKEN.

Einleitend stellte Dr. Despot fest, dass sich Europa in der Dauerkrise befände, aktuell stünde die Europäische Union (EU) am Scheideweg: Geht es nach dem Brexit mit der EU weiter oder setzt die Auflösung ein? Helmut Scholz erwiderte mit einer Gegenfrage: Sei es eine Vertrauenskrise in die EU oder eher in die derzeitige Politik bzw. deren AkteurInnen und ihren Fähigkeiten zur Bewältigung und Lösung der Probleme.

Und die Frage sei doch auch, so Scholz, wie man sich mit der EU jeweils identifiziere, was sie einem bedeute. Zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) zahlen die NATO-Staaten mit Freude für Aufrüstung, Kampfbereitschaft, militärische Interventionen und Krieg. Ein Prozent des BIP für den EU-Haushalt ist dann aber für viele EU-Mitgliedsstaaten schon die Obergrenze. Für DAS Friedensprojekt Europa zahlt man gerade einmal die Hälfte wie für Rüstung und Krieg?!

Auf den Brexit angesprochen erklärte Helmut Scholz die scheinbar mangelhafte Identifikation der Briten mit dem Europäischen Projekt so: Von Anfang an erklärte die damalige britische Premierministerin Thatcher „I wan‘t my money back!“ (Ich will mein Geld zurück!) und machte so klar, als was sie die EU verstand – nicht als ein Projekt für das einige Europa, nein. Es ging ihr und der britischen Politik nur um einen größeren Marktzugang. Für die Briten war die EU also vom Verständnis her immer nur wirtschaftlich gedacht. Fragen wie die nach europaweiten Grundrechten waren da Nebensache. Bis zuletzt hatten die Briten auch nicht die Grundrechtecharta der EU anerkannt. Wie im Übrigen auch Polen bis heute nicht. Die Mitgliedschaft in der EU habe aber eben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten, so Scholz. Wenn die Leute also nichts mit Europa verbinden, können sie sich auch kaum damit identifizieren. Einer der Gründe für den Brexit.

Welchen Stellenwert hat dann aber nun Europa für uns hier in Deutschland, wollte die Moderatorin wissen? Scholz entgegnete, dass man sich doch einmal anschauen müsse, wann und wie bei uns über die EU berichtet würde. Über Krisen und Problembewältigungen vernimmt man andauernd etwas – warum wird nicht auch über positive Punkte berichtet? Den Frieden innerhalb der EU, die Freizügigkeit, den kulturellen Austausch, … - ist das alles mittlerweile selbstverständlich? Es sei eben auch Aufgabe der Mitgliedsstaaten, positiv über die EU zu kommunizieren, so Scholz. Problem sei dabei nur: Verlören dadurch die Nationalstaaten nicht allzu oft den willkommenen Sündenbock EU („Die in Europa haben beschlossen …“)?

Helmut Scholz kritisierte auch, dass wir mittlerweile globale Wertschöpfungsketten hätten, die Politik aber immer noch im nationalen denke und handle – und damit der Wirtschaft hoffnungslos hinterherhinke. Die mögliche neue GroKo in Berlin ließe hier wenig Grund zur Hoffnung erkennen, so Scholz. Auch die Neuauflage der GroKo will kein Initiativrecht für das Europäische Parlament (EP), nach wie vor soll das EP nur abnicken dürfen, was ihm die EU-Kommission und die nationalen Mitgliedsstaaten zur Entscheidung vorlegen wollen.

Ein gutes Fazit für den Abend und als Antwort auf die Eingangsfrage: Warum sieht die Neuauflage der GroKo von Union und SPD eher den Bedarf für ein Heimatministerium als für ein Europaministerium?

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