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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 36, 26. November 2021
Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wenn Sie diesen Newsletter vor sich haben, bin ich fast schon "auf dem Sprung" nach Genf zur Ministerialkonferenz der Welthandelsorganisation. Auch wir als THE LEFT-Fraktion haben uns nachdrücklich dafür eingesetzt, an diesem zentralen Forum der WTO in Präsenz teilzunehmen, selbstverständlich unter strikter Einhaltung aller Hygienestandards und Regelungen. Sinnvoll, gerade mit Blick auf die sehr unterschiedlich anerkannten Impf-Standards in der Welt und im Gastgeberland Schweiz, z.B. hinsichtlich der chinesischen und russischen Vakzine. Es ist uns Abgeordneten politisch wichtig, mit den Teilnehmer*innen ins direkte Gespräch zu kommen, zumal das Europäische Parlament neben dem Rat gleichberechtigter Gesetzgeber in der Handelspolitik ist – eine Tatsache übrigens, die in der Öffentlichkeit mitunter gar nicht bekannt ist.

Wichtig halte ich diese Teilnahme auch deshalb, weil es in Genf nicht nur um die drängenden Reformprozesse der WTO selbst gehen wird, sondern weitere wichtige zentrale Entscheidungen in der internationalen Handelspolitik auf den Weg gebracht werden sollen. Genannt seien ein Paket zur Sicherung der weltweiten Ernährung, die Abschaffung von Subventionen in der Fischereipolitik und mit Blick auf die Notwendigkeit globaler Pandemiebekämpfung vor allem die zeitweilige Aussetzung des Patentschutzes für Covid-Impfstoffe.

Ich möchte es an dieser Stelle sehr nachdrücklich sagen: Der sogenannte Waiver, also eine befristete Aufhebung des Patentschutzes für Covid-Impfstoffe, steht derzeit ganz oben auf der Tagesordnung in den harten Verhandlungen in der WTO zum Paket Handel und Gesundheit mit seinen vielen Einzelaspekten von Produktion und Handelsregelungen zu Medikamenten und medizinischen Gütern. Für mich ist absolut klar, dass eine Einigung über die zeitweilige Patentfreigabe v. a. eine Frage der Humanität ist.

Ebenso ist unbestritten, dass die Pandemie nicht in den Griff zu bekommen sein wird, wenn der größte Teil der Menschheit, nämlich der Globale Süden, von Impfungen praktisch abgeschnitten ist, wie immer sich die Infektionswellen regional und zeitlich auch darstellen. Wenn Patente dem Überleben im Wege stehen, ist es höchste Zeit, den Weg freizumachen. Das sieht übrigens der größte Teil der WTO-Mitglieder ebenso – über 100 der insgesamt 164 Staaten, einschließlich der USA. Dagegen sperrt sich die EU weiterhin gegenüber einer Patentfreigabe. Obwohl es eben nicht, wie oft dargestellt, um einen Verzicht auf Patente, sondern um eine befristete Patentfreigabe (Trips Waiver) geht. Damit würden auch weder „die Forschung abgewürgt“ noch der ohnehin extrem große Gewinn der Pharmabranche wesentlich geschmälert, wie deren Vertreter*innen und Lobbyist*innen behaupten. In dieser Woche hat sich das Europäische Parlament mit klarer Mehrheit positioniert: Wir wollen die Aufhebung des Patentschutzes auf Corona-Impfstoffe!

Natürlich nimmt die 12. Ministerialtagung der WTO als ein sehr zentrales Ereignis der internationalen Handelspolitik in diesem Jahr breiten Raum in der Arbeit meines gesamten Teams ein – aber nicht nur sie. Bereits am heutigen Freitag beginnt das zweitägige European Forum 2021 in Brüssel, eine schöne Gelegenheit, bei der Linke, Grüne und andere progressive Kräfte zusammenkommen und sich über ihre Kämpfe austauschen. Wir wollen alternative, gerechtere und grüne Lösungen für die Krisen, mit denen Europa konfrontiert ist, formulieren.

Vielleicht erinnern Sie sich, dass ich im letzten Newsletter bereits über unsere Vorbereitungen zu diesem Event und eine erste Auftaktrunde berichtet habe. Ebenso wie zu den nächsten Runden der EU-Zukunftskonferenz. Nahezu zeitgleich mit dem European Forum wird die 4. Bürger*innen-Versammlung in ihrer zweiten - online geführten - Runde tiefer in das Thema Rolle der EU in der Welt und Fragen der Migration eindringen, um konkrete Sichtweisen dazu und Weiterungen für zu ziehende Schlussfolgerungen für künftige Europapolitik zu erarbeiten. Ein brisantes Thema, das durch die Entwicklung an der Grenze zwischen Polen und Belarus nochmals an Brisanz gewonnen hat.

Ach ja, ein Termin ist für mich in der kommenden Woche sehr wichtig, auch wenn er unten nicht in der Agenda der großen politischen Ereignisse auftaucht: Unser Fraktionsexperte für internationalen Handel, Paul-Émile Dupret, der meine Arbeit im Handelsausschuss seit vielen Jahren begleitet, wird uns verlassen und seinen verdienten Ruhestand antreten - auch wenn er da gewiss neue gesellschaftliche Aufgaben in Angriff nehmen und ehrenamtlich in anderen Projekten einbringen wird. Wir werden Paul-Émile sehr herzlich verabschieden – und ihn ganz sicher vermissen.

Ihr

Helmut Scholz

29./ 30. November: Konferenz der Ausschüsse für Unionsangelegenheiten der Parlamente der Europäischen Union (COSAC)

Für Montag und Dienstag wurde mir von meiner Fraktion THE LEFT die ehrenvolle Aufgabe übertragen, an der COSAC teilzunehmen. Diese Konferenz findet alle sechs Monate statt und vereinigt die Ausschüsse für EU-Angelegenheiten der nationalen Parlamente und Mitglieder des Europäischen Parlaments. Bei ihren Treffen wird jedes Parlament von sechs Mitgliedern vertreten.

Auf der Konferenz, dieses Mal vom slowenischen Ratsvorsitz einberufen, werden jeweils drängende, wichtige Fragen der europäischen Integration, gerade aus Sicht der Abgeordneten der 27 nationalen Parlamente, behandelt. Die COSAC ist aber kein Entscheidungsorgan, sondern soll vor allem die parlamentarische Konsultation und Koordination vornehmen. Sie fasst ihre Beschlüsse einvernehmlich.

Die COSAC kann den Institutionen der Europäischen Union jeden ihr zweckmäßig erscheinenden Beitrag vorlegen. Und hier wird es politisch spannend: Die Beiträge der COSAC binden die nationalen Parlamente jedoch in keiner Weise und lassen deren Standpunkte unberührt. Vielleicht liegt hier für die Zukunft eine durchaus wichtige, neu zu bestimmende Aufgabe, im Interesse einer transparenten und stärker auf Partizipation und gemeinsame Positionen setzende Arbeit der COSAC mit Blick auf die Stärkung einer Bürger*innen nahen EU-Politik eine notwendige Neujustierung vorzunehmen.

Auf der Tagesordnung stehen diesmal, neben der Auswertung der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft seit Juli 2021, die Arbeit an einer EU-Perspektive für die Länder des Westbalkans, die künftige Rolle junger Menschen in EU-Entscheidungsprozessen sowie die Konferenz zur Zukunft Europas.

29. November: Sitzung des Handelsausschusses (INTA)

Das Europäische Parlament beginnt mit seiner Arbeit als Ko-Gesetzgeber an der europäischen Gesetzgebung zur Einrichtung eines CO2-Grenzausgleichssystems für bestimmte Einfuhren in die Europäische Union. Der INTA bringt dazu eine Stellungnahme zu speziell den internationalen Handel betreffenden Aspekten ein. Federführend ist der Umweltausschuss.

Zudem beginnt der INTA mit der Erstellung seiner Vorschläge für eine Strategie der EU für den indopazifischen Raum in den Bereichen Handel und Investitionen. Der tschechische rechts-konservative Abgeordnete Jan Zahradil ist Berichterstatter. Zu erwarten ist am Ende ein Dokument, dass auf eine enge Kooperation der EU mit Indien und Australien in bewusster Abgrenzung zu China orientiert. Angesichts der gerade beschlossenen verstärkten Kooperation zwischen China und den ASEAN-Staaten in Südostasien sollten bestimmte politische und wirtschaftliche Akteur*innen in der EU nicht beginnen, wieder von Einfluss in „Indochina“ zu träumen. Schon gar nicht im Zusammenhang mit dem Wort "Konflikt".

Schattenberichterstatter unserer Fraktion zu den beiden erstgenannten Themen ist mein französischer Parlamentskollege Emmanuel Maure. Ich werde v. a. zum dritten Thema in Verantwortung stehen: Dem Abschluss des Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedern der Organisation afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten (OAKPS). Diese Neuordnung der Beziehungen in Nachfolge des Abkommens von Cotonou hat Jahre der Verhandlung gebraucht. Das Ergebnis stellt einen wichtigen Rahmen dar, um gemeinsam dem Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele bis 2030 näher kommen zu können.

30. November: Die WTO-Ministerialkonferenz beginnt

Um 06:20 Uhr startet das Flugzeug nach Genf. Ich reise als Mitglied der Delegation des Europäischen Parlaments zur Ministerialkonferenz der WTO. Bis kurz vor Schluss war fraglich, ob wir überhaupt anreisen würden können. Die Pandemie erzwingt auch in Genf strenge Auflagen. Wir werden nicht wie gewohnt ständig dicht an den offiziellen Verhandlungen agieren können. Dennoch habe ich mich für die Reise stark gemacht, um vor Ort noch einmal für die Patentaufhebung (Trips Waiver) bei Corona-Impfstoffen zu werben. Genauso wie für die Zustimmung zum Paketbeschluss zur Ernährungssicherung (Food Package) und für einige der relevanten Nachhaltigkeitsinitiativen, von denen ein guter Teil von der EU angestoßen wurde, andere aber auch von China, beispielsweise zur Verringerung von Plastikabfällen.

Vor Ort beginnt dann der Arbeitstag mit einer Pressekonferenz, gemeinsam zu bestreiten mit progressiven Abgeordneten aus der Schweiz und Akteur*innen von NGOs.

30. November: Fortgang der WTO-Tagung

Mittags werden wir quasi als erste „Amtshandlung“ unserer EP-Delegation der Vorstellung einer Erklärung zu Handel und Gender beiwohnen; sie soll Absichtserklärungen der Ministerialkonferenz von Buenos Aires verbindlicher machen und von der Ministerialkonferenz (MC12) beschlossen werden.

Die 12. Ministerialkonferenz wird 14:00 Uhr mit der Rede der ersten afrikanischen und ersten weiblichen Generalsekretärin der WTO, Dr. Ngozi Okonjo-Iweala, eröffnet und dürfte noch einmal nachdrücklich die Mitglieder auffordern, Wort und Tat in Übereinstimmung zu bringen und sich konstruktiv den Aufgaben dieser Konferenz zu stellen. Ein Wink mit den Ergebnissen der Klimakonferenz COP26 in Glasgow dürfte mehr als ein Zaunpfahl sein.

Nebenbei bemerkt: Möglicherweise wird ein Teil der Delegierten nicht im Saal sein können, die sie dort unterstützt hätten, da es schwierig ist, sich in der Schweiz zu bewegen, wenn man mit einem Impfstoff aus China, Russland, Kuba oder Nigeria geimpft worden ist, da das für den auch in der Schweiz geltenden EU-Impfpass nicht anerkannt wird. Selbst die US-amerikanische Impfnachweis-App reicht zum Beispiel nicht aus, um in Brüssel ins Europäischen Parlament eingelassen zu werden.

1. Dezember: Tag 2 in Genf

Der Tag wird mit Treffen und Gesprächen mit vielen Delegationen angefüllt sein, also Konferenzalltag. Und parallel laufen auch die Positionierungen der WTO-Mitglieder mit den Reden der Minister. Für die EU spricht der Hohe Vertreter und Außenkommissar, Josep Borrell. Auf der Agenda weiterhin findet sich die Vorstellung des über viele Monate erarbeiteten Papiers zu WTO und ökologisch nachhaltiger Entwicklung. Derzeit unterstützen diesen Ansatz - je nach Sichtweise erst oder schon - 48 Mitgliedstaaten der WTO. Ich hoffe, dass sich im Verlauf der Konferenz deutlich mehr Staaten dem anschließen.

Hier können Sie vorab schon einmal den Entwurf für den Wortlaut der Erklärung lesen:

https://tradebetablog.wordpress.com/tessd-october-19-2021-draft/

2. Dezember: WTO-Business-Forum

Parallel zur Ministerialkonferenz tagt das WTO-Business-Forum. Auch unsere Delegation wird an diesem Tag die Sicht des Europäischen Parlaments einbringen. Ich werde die Gelegenheit suchen, in der Welt der Unternehmer und Unternehmerinnen für die soziale und ökologische Transformation zu werben, die unsere Gesellschaften nun brauchen. Da ist die bisherige Mitarbeit in der Parlamentsarbeitsgruppe zu „Verantwortlicher Unternehmensführung (RBC)“ ganz hilfreich, denn Sie wären vielleicht überrascht, dass es dort durchaus nicht wenige Verbündete, gerade im Bereich der Kleinen und Mittleren Unternehmen, gibt.

Hier finden Sie das Programm des Business Forums:

https://www.wto.org/english/forums_e/business_e/business_forum_mc12_e.htm

Am Abend werden wir, wie alle Tage morgens und abends, durch die EU-Kommission über den Sachstand und hoffentlich auch einen Konferenzfortschritt informiert. Parallel werde ich aber während aller Tage auch immer wieder Treffen mit Aktivist*innen von NGOs und Gewerkschaften haben.

3. Dezember: Finaler Tag des WTO-Gipfels

Die Endphase der Verhandlungen wird spannend sein und das Ergebnis ist schwer vorherzusagen. Jedenfalls ist die Abschlusszeremonie für 18 Uhr geplant, Doch auch eine Verlängerung der Tagung ist denkbar.

Ich selbst werde aber am Abend abreisen müssen, um rechtzeitig am Sonnabend in Rathaus von Karlsruhe in einer Veranstaltung zur Zukunft Europas im Rathaus mit Bürger*innen ins Gespräch zu kommen. Ein guter Abschluss der kommenden Arbeitswoche.

4. Dezember: Die Zukunftskonferenz bleibt Thema

Die Stadt Karlsruhe hat, im Zusammenhang mit der Konferenz zur Zukunft Europas, zum Bürger*innendialog in das Rathaus geladen.

Per digitalem Grußwort wird die Baden-Württembergische Landtagspräsidentin die Veranstaltung einleiten, im Anschluss sind dann Bürger*innendialoge geplant. Im Dialog 1 ("Werte und Rechte, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Demokratie in Europa") erfolgt der Einführungsvortrag durch Monika Hermanns, Richterin am Bundesverfassungsgericht. Und mit einem Impulsbeitrag von mir wird dann der Dialog beginnen.

Im Dialog 2 ("Die EU in der Welt; Migration") gibt es die Einführung übrigens von meinem Parlamentskollegen Daniel Caspary (CDU), sowie den Impulsbeitrag vom Bundestagsabgeordneten Axel Schäfer (SPD).

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