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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 60, 27. Mai 2022
Liebe Leser*innen,

vor Feiertagen fällt meist besonders viel Arbeit an. Und so wird es auch in der kommenden Woche sein, die mit Pfingsten endet. Ich sage aber ebenso, dass ich mich gerade auf die Termine in der nächsten Woche freue. Denn sie betreffen Themen, die mich in meiner Arbeit seit Jahren begleiten.

So wird es ein Treffen mit einer Gruppe Studierender der Evangelischen Fachhochschule Freiburg geben, die im Europaparlament in Brüssel zu Gast sind. Die künftigen Sozialarbeiter*innen wollen mit mir darüber diskutieren, welche Rolle die EU beim Meistern der sozialpolitischen Herausforderungen spielen kann und ich meine, muss. Denn vieles Entscheidende wurde bei der vertraglichen Ausgestaltung der EU-Kompetenzen auf der mitgliedstaatlichen Ebene belassen - was mit dazu beitrug und beiträgt, dass im Binnenmarkt die sozialen Schere immer weiter aufklappt(e). Wie Sie wissen, setzte ich mich nachdrücklich für eine Stärkung der sozialen Komponenten der EU ein. Eine EU-gemeinsame Sozialpolitik, die diesen Namen auch verdient, ist sicherlich eine der entscheidendsten Fragen, wenn wir über eine den Menschen zugewandte Perspektive der europäischen Integration und damit die Zukunft der EU sprechen. Ein gemeinsamer Markt muss sozial untersetzt sein, wenn die EU mehr sein soll als nur die Verortung marktliberalen Wettbewerbs. Die Schließung des einzig in Deutschland verbliebenen, Windturbinenräder produzierenden Werkes des Unternehmens Nordex in Rostock - mit dem Argument globalen Wettbewerbsdrucks - ist vielleicht ein gutes, wenn auch trauriges und empörendes Beispiel dafür, dass der Markt nicht alles richtet, schon gar nicht in Bezug auf gute Arbeit und dauerhafte Beschäftigung. Und hier muss die Debatte zur sozialen Dimension ansetzen. Denn eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche und unbestritten so notwendige sozial-ökologische Transformation ist, wie Politik anders Wirtschafts-, Industrie- und Sozialpolitik im Interesse der Beschäftigten und mit deren aktiver Beteiligung neu regelt. Darüber wird zu reden sein - und ich bin gespannt auf die Fragen und Positionen der jungen Leute, von denen ich ganz sicher etwas in meine parlamentarische Arbeit mitnehmen kann. Nicht weniger spannend wird das Treffen mit einer Gruppe junger Journalist*innen sein, die ebenfalls kommende Woche in Brüssel sich konkret zu aktuellen Debatten im Europäischen Parlament und auch bei den anderen Institutionen umhören und -schauen wollen.

Zum ersten Mal nach bzw. in der jetzigen Lockerungsphase der Corona-Pandemie wird endlich auch der Europaausschuss des Landtags Brandenburg in der nächsten Woche wieder in Brüssel „zu Besuch” sein können. Die Landtagsabgeordneten haben sich - soweit ich weiß - ein intensives Arbeitsprogramm vorgenommen, darunter dankenswerterweise auch gemeinsame Gespräche mit den Europaabgeordneten aus "meinem" Bundesland. Strukturwandel und Lausitzprogramm, das Fit for 55- Paket und die verschiedenen Aspekte der Energiepolitik, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und der Sanktionspakete und wie die Beihilfe- und Wettbewerbspolitik zeitnah und zukunftsoffen, dabei verbindlich und in der Prioritätensetzung konkret aufzustellen ist, sind sicherlich einige Schwerpunkte, zu denen wir Lösungs- bzw. Gestaltungsansätze abgleichen und konkretisieren werden müssen. Ich verrate Ihnen sicher auch  kein Geheimnis, dass ich dabei - nach einer ersten Auswertungsveranstaltung mit dem Europaausschuss in Potsdam vor 10 Tagen - weiter konkrete Empfehlungen aus der großen EU-Zukunftskonferenz mit den Brandenburger Partner*innen im Landtag hinsichtlich der Verschränkung von EU- und Landespolitik zu Umsetzungsmöglichkeiten der Konferenzergebnisse gerne auch auf den Beratungstisch legen werde. Denn es gilt jetzt, Nägel mit Köpfen zu machen, d. h. konkrete Wege festzulegen, wie auch wir Abgeordnete, egal auf welcher Ebene, die Schlussfolgerungen der Zukunftskonferenz anpacken. Das Votum der Bürger*innen für mehr soziale, umweltbewahrende und die Menschen vor Ort bei politischen Entscheidungen konkret einbeziehende demokratische Formen und Mittel in der Europäischen Mehr-Ebenen Union ist eindeutig. 325 konkrete Ideen bzw. Empfehlungen aus neun großen Kapiteln (Sie finden die Schlussfolgerungen hier) sind Arbeitsauftrag  - das geht alle Parlamentarier*innen und Politiker*innen in den 27 EU-Staaten an und ist keine Sache, die allein auf europäischer Ebene verhandelt werden kann. Natürlich betreffen diese Vorschläge auch die anderen Punkte der Besuchsagenda des Ausschusses, den Green Deal und seine Herausforderungen für Brandenburger Industriepolitik. Stichworte sind das Arcelor-Mittal Stahlwerk in Eisenhüttenstadt und die PCK Schwedt, das Europäische Jahr der Jugend, das Europäische Bauhaus, oder die Relevanz der „vom Hof auf den Tisch“ Strategie für konkrete Brandenburger Perspektiven bei der weiteren Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik.

Dieser Newsletter wird unmittelbar nach meiner Landung in Berlin heute zurück aus Santiago de Chile fertiggestellt, wo der Handelsausschuss des Europaparlaments (INTA) sich mit den Positionen der chilenischen Partner zum technisch fertig ausgehandelten Assoziationsabkommen mit seinen drei Pfeilern Politische Zusammenarbeit, Freihandelsvertrag und Investitionsschutzabkommen vor Ort vertraut machte. Wir hatten intensive Gespräche mit zahlreichen Minister*innen der neuen progressiven Regierung des Präsidenten Bosic, mit Gewerkschafter*innen, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft ebenso wie der indigenen Völker der Mapuche, mit Business-Vertreter*innen und Abgeordneten des Senats und anderen. Eine von uns nun sorgfältig auszulotende Grundfrage wird die Begleitung des von der chilenischen Seite geforderten Konsultationsprozesses sein: in wie weit entspricht der jetzt vorliegende Text auch den Eckpositionen des laufenden Verfassungsprozesses, der die noch aus der Pinochet-Diktatur herrührende Verfassung ablösen soll. Am 04. Juli soll der vom Verfassungskonvent erarbeite Text veröffentlicht und nach 2 Monaten gesellschaftlicher Debatte dann am 04. September in einem Referendum abgestimmt werden. Die wirtschaftliche Situation sehr vieler Menschen in Chile ist dramatisch. Die Regierung will ein Mindestlohnniveau, dass dabei hilft, die größten Ungerechtigkeiten zurückzudrängen. Sie beabsichtigt die dramatische soziale Situation der Rentner*innen zu verändern durch entsprechende gesetzliche Regelungen, oder auch die Rechte der Indigenen Völker, einschließlich ihres Rechts auf ihren Boden und die Realisierung ihrer Sichten auf Umwelt, Klima und Artenvielfalt als Triebfeder für eine Überwindung der tiefen Spaltung der chilenischen Gesellschaft. Insofern ist der Konsultationsprozess, den die chilenische Seite jetzt im finalen Abschnitt der Verhandlungen vornimmt m. E. ein wichtiger demokratischer und sehr nachvollziehbarer Schritt, der es der Regierung ermöglicht, sich einen Überblick über die konkret zwischen der EU-Kommission (mit einem Mandat von 2017!) und der Vorgängerregierung des neoliberal aufgestellten Präsidenten Pineida verhandelten Texte zu verschaffen. Wie z. B. zu Marktzugang, geistigen Eigentumsrechten, zu Agrarhandel oder Bergbau und Bodenschätzen, einschließlich Lithium, anderen seltenen Erden und Grüner Wasserstoffproduktion. Wo bietet der jetzt verhandelte Text Veränderungen und Verbesserungen im Vergleich zum gegenwärtig geltenden 20 Jahre alten Abkommen, und wie ermöglichen neue Bestandteile dieses Abkommen-Textes mit seinem Nachhaltigkeitskapitel, oder dem erstmals überhaupt in einem Freihandelsvertrag der EU enthaltenen Kapitel „Handel und Gender“ Anknüpfungspunkte für eine zeitgemäße problemlösende Wirtschafts- und Handelskooperation. Ich werde mich sicherlich noch genauer zu Wort melden. Aber es sei mir noch gestattet zu erwähnen, dass sich mit dem Gespräch im Präsidentenpalast, der Moneda, am Ende der Gespräche für mich auch ein emotional bewegender Moment der Reise ergab. Nach der Ankunft konnte ich die einzige freie Minute für den Besuch des 2010 von der damaligen Präsidentin Bachelet eingeweihten Museums der Menschenrechte nutzen - und junge Menschen bekamen von einer sehr engagierten auch jüngeren Museumsführerin die Dokumentaraufnahmen der Bombardierung des Präsidentenpalastes erklärt. Und sofort erstanden mir wieder die Bilder des Putsches gegen die sozialistische Regierung S. Allende, mit der Zerstörung des Palastes und dem Tod des Präsidenten, was ich 1973 damals im Fernsehen, quasi live, miterleben musste. Und dann am Mittwoch in der Moneda jene Stelle sehen konnte, wo das Leben Allendes erlosch. 

Mit besten Lesewünschen und ebenso solchen für eine gute Woche

 

Ihr Helmut Scholz

31.05.: Brandenburg in Brüssel

Der Ausschuss für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik ist vom 30.05. bis zum 02.06. zu Gesprächen in Brüssel und Paris. Am 31.05. steht ein Gesprächsaustausch mit den Europaabgeordneten Brandenburgs auf der Tagesordnung, an dem ich teilnehmen werde. Wir werden aktuelle europapolitische Fragen diskutieren, unter anderem zum Green Deal, Digitalisierung oder dem Jahr der Jugend. Dabei spielen sicherlich die aktuellen Herausforderungen insbesondere vor dem Hintergrund der Auswirkungen des Angriffskriegs Putins auf die Ukraine eine Rolle – nicht nur für die Welt und Europa, sondern auch ganz konkret für Brandenburg.

Dieser regelmäßige Austausch ist wichtig, um die Belange der Region Brandenburg in EU-Politik einfließen zu lassen aber auch, umgekehrt EU-Politik in Brandenburg voranzubringen, bzw. in politisches Handeln auf Landesebene einfließen zu lassen.

Ein Beispiel: das durch die EU geplante Ölembargo gegen Russland hätte ganz konkret Auswirkungen auf die PCK-Raffinerie in Schwedt, die Erdöl aus Russland raffiniert. Hunderte Arbeitsplätze wären hier in Gefahr. Das macht die Abhängigkeiten auf Grund fossiler Energien besonders deutlich. Deswegen muss klar sein, so schnell wie möglich auf erneuerbare Energien umzusteigen.

Ich freue mich auf den konstruktiven Austausch mit den Landtagsabgeordneten aus Brandenburg!

01. und 02.06.: Europäische Bürger*inneninitiative stärken!

Am 01.06. von 19-20:30 Uhr wird im Rahmen einer Dialogveranstaltung die von mir in Auftrag gegebene Studie „The Reform oft he European Citizens‘ Initiative – Bringing the ECI back on track in 2022“ vorgestellt. Carsten Berg (Direktor der Association for he European Citizens Initiative e. V.) und Thomas Hieber (Rechtsanwalt und Rechtsberater der Association for he European Citizens Initiative e. V.) werden die Ergebnisse ihrer Studie vorstellen, über die wir im Anschluss diskutieren werden. Eine Teilnahme ist sowohl online als auch in Präsenz im Europäischen Parlament in Brüssel möglich. Ihre Anmeldung senden Sie bitte an wk@helmutscholz.eu mit der Angabe, ob Sie online oder in Präsenz teilnehmen möchten.

Am 02.06. organisiert der EESC (Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss) den Tag der Europäischen Bürgerinitiative, in Zusammenarbeit mit institutionellen und zivilgesellschaftlichen Partner*innen. Der „ECI Day“ ist ein jährlich stattfindendes Event, bei dem derzeitige und zukünftige ECI Organisator*innen und Interessenvertreter*innen sich über Informationen und Erfahrungen austauschen und ihre Europäischen Bürgerinitiativen und Aktivitäten dem Publikum vorstellen können. Von 9:45-11 Uhr werde ich als Berichterstatter zum Bericht „Citizens‘ dialogues and Citizen’s participation in the EU decision-Making“ und dem Blick zurück auf 10 Jahre Europäische Bürgerinitiative berichten und diskutieren. Nach 10 Jahren Erfahrung ist eines klar: das Mittel der Europäischen Bürgerinitiative muss dringend ausgebaut werden, damit Bürger*innen sich mit ihren Anliegen ohne große Hürden direkt an die EU-Institutionen wenden und mit ihren Ideen zum politischen Entscheidungsprozess beitragen können.

Nähere Infos zur Veranstaltung gibt es hier.

1. Juni & 2. Juni: Besucher*innengruppen im Europaparlament
Studierende der Evangelischen Fachhochschule Freiburg & junge Journalist*innen aus Bayern

Unser ehemaliger Europaabgeordnete Jürgen Klute hat für eine Gruppe von Studierenden der Evangelischen Fachhochschule Freiburg eine zweitägige Studienreise nach Brüssel organisiert, die ich am Mittwoch gerne treffen werde.

Organisiert vom Vertretungsbüro des Europaparlaments in Deutschland wird zudem eine Gruppe junger Journalist*innen aus Bayern zwei Tage lang in Brüssel Gelegenheit zu Gesprächen in der EU-Kommission und im Europaparlament haben. Auch ich wurde gebeten, mir eine Stunde Zeit zu nehmen, was ich natürlich gern tun werde.

Unsere Gespräche sollen sich um die Themen Konferenz zur Zukunft Europas, die Situation Ukraine-Belarus-Moldau, um die Handelsbeziehungen zu Afrika und um weitere Aspekte meiner Arbeit drehen, für die sich die Gruppen interessieren. Ich bin gespannt auf den Austausch mit beiden Gruppen.

2. Juni: EU - Taiwan Dialog

Der diesjährige EU-China Gipfel im April dieses Jahres hat noch einmal bekräftigt: die Europäische Union steht zu ihrer Ein-China-Politik. Eine diplomatische Anerkennung Taiwans befindet sich nicht auf der Agenda, auch wird es kein bilaterales Handelsabkommen geben, wie es unter anderem von vielen Europaabgeordneten gefordert wird. Aber der politische Druck genau dahingehend wächst. Kurz vor Weihnachten dieses Jahres plant der Handelsausschuss des Europäischen Parlaments sogar eine Delegation nach Taipeh zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sieht sich die EU-Kommission zum Spagat genötigt: sie versichert Peking die Fortführung der Ein-China-Politik, lädt allerdings gemeinsam mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst die Führung Taiwans zu einem aufgewerteten Dialog mit unter anderem Valdis Dombrovskis ein, dem Vize-Präsidenten und Handelskommissar der EU-Kommission.

Bei diesem Treffen möchte die Europäische Union aktiv um Investitionen von Geld und Knowhow aus Taiwan in den Aufbau einer Halbleiterproduktion an Standorten in der EU werben. Taiwan ist mit dem Unternehmen TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company Ltd) der weltweit führende Produzent der kleinen Technologiewunder, deren Lieferung durch von COVID-19 Lockdowns unterbrochene Lieferketten ins Stocken geraten ist, was weltweit die Produktion von Autos, Kommunikationselektronik oder Spielkonsolen, aber auch im militärischen Bereich behindert. TSMC ist mit großem Abstand der in der Stückzahl und auch technologisch führende Halbleiterhersteller der Welt. Auch die USA buhlen um die Technologie von TSMC. Unter Druck der Trump-Regierung auf Taiwan brach TSMC die Zulieferung an Huawei im Juli 2020 ab und erklärte sich zum Bau einer Fabrik in Phoenix in Arizona bereit. In Japan werden in Kumamoto ab 2024 zusammen mit Sony von TSMC in großem Stil Halbleiter produziert werden. Nun möchte sich auch die EU Produktionsstätten sichern, was den Gewinner unter den Mitgliedstaaten sicher einiges an Steuererleichterungen kosten wird. Italienischen Medien konnte ich entnehmen, dass nur noch Deutschland und Italien im Rennen um den Standort seien, doch werden wir sehen.

Nachdenklich stimmend aber ist schon, wie im Weltbild von vielen Abgeordneten im Europaparlament und im US Kongress die Wirtschaft von Taiwan getrennt von der von China gedacht wird. Durch die wirtschaftliche und technologische Kooperation mit in Taiwan geschaffenen Unternehmen hoffen viele grüne, sozialdemokratische und christdemokratische Politker*innen Europas Abhängigkeit von China zu reduzieren, technologisch wieder aufholen zu können und neue Fortschritte gegenüber der Konkurrenz aus Shanghai und Shenzhen geheim halten zu können. Der Witz ist: China macht dasselbe, bloß in Groß.

Der Jahr-auf-Jahr um 30 Prozent gesteigerte Ausbau der Halbleiterproduktion in China wird jährlich mit 17 Milliarden Dollar staatlichen Mitteln gefördert und profitiert zunehmend selbsttragend von den privaten Investitionen, die mit den Börsengängen von 32 Chip-Herstellern allein in 2020 in Höhe von umgerechnet 14 Milliarden Dollar eingesammelt werden konnten. Zum anderen nutzt man den Vorteil einer seit Jahren immer intensiveren wirtschaftlichen Verwobenheit mit Chinas Region Taiwan. Es ist als sicher anzunehmen, dass es kaum eine relevante Chefetage in Taiwan gibt, aus der nicht Informationen auch aufs chinesische Festland gelangen. TSMC betreibt bereits Fabriken in Shanghai und Nanking. Auch die größten Fertigungsanlagen in China mit zum Teil über 100.000 Montagearbeitsplätzen werden mit FoxConn von einer Firma aus Taiwan betrieben. Das wechselseitige Investitionsvolumen ist hoch, fast 200 Milliarden Dollar aus Taiwan sind in China investiert, dreißig Prozent der Ausfuhren Taiwans gehen nach China, das Handelsvolumen über die Taiwan-Straße betrug zuletzt 166 Milliarden Dollar. Wirtschaft und Politik sind auch in Taiwan eng verwoben. TSMC und FoxConn kauften zum Beispiel 10 Millionen COVID-19 Impfdosen von BioNTech und schenkten sie Regierung und Bevölkerung von Taiwan. Die Investitionsschatulle von TSMC ist mit 30 Milliarden Dollar gefüllt, was fast das doppelte Volumen des Militärhaushaltes von Taiwan ist.

Der heutige EU - Taiwan Dialog ist wichtig und richtig. Ich bin für verstärkte Kooperationen. Falsch ist nur, ihn mit politischem Getöse über einen vermeintlichen Einsatz Europas für die Unabhängigkeit Taiwans zu überziehen. Die Kooperation mit China und mit all seinen Regionen ist notwendig. Auch Peking stellt sich nicht gegen diesen Dialog. Der Sprecher der Botschaft Chinas in der EU sprach am 19. Mai von einem klaren Konsens zwischen China und der EU hinsichtlich des inoffiziellen wirtschaftlichen, kulturellen und persönlichen Austausches mit Chinas Region Taiwan. Allerdings erinnerte er die EU auch daran, dass sie sich in vielen Dokumenten zur Einhaltung des Ein-China Prinzips verpflichtet habe und warnte vor politischer Instrumentalisierung. Einzelaktionen wie die symbolträchtige Gewährung der Eröffnung einer Landesvertretung Taiwans durch Litauen, dem von Taiwan HighTech-Investitionen in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar zugesagt wurden, wurden in Peking als Akt der Provokation gesehen und leider unnötig hart mit einem faktischen Einfuhrverbot für Waren aus Litauen nach China bestraft. Eigentlich dürfte die gesamte Staatengemeinschaft EU so eine Strafe gegen eines ihrer Mitglieder nicht so einfach hinnehmen, scheut sich aber vernünftiger Weise davor, eine weitere Sanktionsspirale zu starten, wo es doch noch immer gilt, die bestehende Sanktionssituation aufzulösen.

Wenn Präsident Biden es für sinnvoll hält, ausgerechnet in der jetzigen Weltsituation Taiwan zuzusichern, dass die USA die Insel im Falle einer Entsendung der chinesischen Armee verteidigen würden, dann will er damit eine Konfliktlinie schärfer zeichnen. Er tat das quasi als Einleitung des diesjährigen Quad-Treffens, des Sicherheitsdialogs der USA mit Japan, Australien und Indien. 2017 war die Runde von Trump, Abe, Turnbull und Modi wiederbelebt worden. Zwar ist von dieser Runde seit dem Wochenende nur noch Narendra Modi im Amt, doch die Idee, mit der Gegnerschaft zu China Politik zu machen, hat die Amtswechsel überdauert. Auch innerhalb der Europäischen Union und im Europäischen Parlament versucht inzwischen so mancher diese Strategie. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine wird genutzt, um China dieselben Absichten hinsichtlich Taiwans zu unterstellen. China wird mit Russland in einen „Block“ gepackt, weil sich dann ja alles wieder so schön einfach und wie früher mal gehabt erklären lässt.

In diese Richtung sollten wir im Europäischen Interesse die Debatte nicht entwickeln. Wir haben weiterhin eine historische Verpflichtung zur internationalen Zusammenarbeit, um die Klimakatastrophe zu verhindern oder zumindest abzuschwächen. Laut UNO läuft uns wirklich die Zeit davon. Neue Technologien und die dafür notwendige Kooperation mit Unternehmen in China und Taiwan könnten uns dabei helfen. Wir haben in Europa Unternehmen, die in der Lage sind, Produktionsstätten für Halbleiter zu errichten. Die Maschinen, die in den Fabriken die Halbleiterplatinen automatisiert drucken, werden zu einem wachsenden Marktanteil von der holländischen Firma ASML hergestellt („The most important tech company you never heard of“). Bosch produziert Halbleiter nun auch mit Hilfe europäischer Förderung in Dresden. Intel baut ein Halbleiter-Werk in Magdeburg, ebenfalls unter Nutzung einer Milliarden-Förderung aus Brüssel und Berlin. Ich würde mich freuen, wenn die neue Dialogrunde mit Taiwan dazu führt, dass im Ergebnis und auch in Abstimmung mit China neue Technologie auch an weiteren Standorten in Europa hergestellt werden wird.

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