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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 76, 28. Oktober 2022
Liebe Leser*innen,

wenn Sie diesen - diesmal sehr kurzen - Newsletter lesen, bin ich bereits in New York nach sehr intensiven Arbeitstagen in der ausgehenden Woche. Wie ich Ihnen in der vergangenen Woche berichtet habe, werde ich an Veranstaltungen der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York aus Anlass des zehnjährigen Bestehens des dortigen Stiftungsbüros teilnehmen. Eine ermutigende Möglichkeit der Wiederbegegnung mit guten Freund*innen und Kennenlernen neuer Vertreter*innen der demokratischen und progressiven Szene in den Vereinigten Staaten, denn ich konnte bei der Eröffnung des Büros vor 10 Jahren dabei sein. Mit Sicherheit wird es dabei um die nach dem russischen Angriffskriegs auf die Ukraine veränderte weltpolitische Lage gehen. Und natürlich darum, was wir als Linke an Ideen, an Konzepten für eine neue europäische und globale Sicherheitsarchitektur beitragen können. Aber dieses Thema wird hier vor Ort in noch größerem Rahmen diskutiert werden: wie kann eine multilaterale Welt politisch und wirtschaftlich gestaltet werden - angesichts auseinander driftender Gesellschaften, Konfrontationen, eines faktischen Umbaus der globalen politischen und wirtschaftlichen Beziehungsgeflechte, De-Globalisierung und Entkoppelung von Realwirtschaft in der globalen Lieferkette zur jeweiligen Machtabsicherung… . Insofern bin ich auch eingeladen in diesen Diskussionen zu meinem unmittelbaren Arbeitsgebiet, den internationalen Handelsbeziehungen und meiner Sichten zu deren Neugestaltung als faire und inklusive, regelbasierte Zusammenarbeit mit dem zentralen Fokus des sozial-ökologischen Umbaus der Produktionsweise einzubringen. Sehr gespannt bin ich darauf, wie die Teilnehmenden der Veranstaltungen und die Mitarbeiter*innen des New Yorkers Büros die aktuelle Situation vor den Midterm-Wahlen in den USA in einigen Tagen einschätzen. Auch die Entwicklungen in Kanada, Brasilien - am Sonntag steht die 2. Runde der Präsidentschaftswahlen an und so der überaus wichtige Richtungsentscheid, ob Lula das Rennen gegen Amtsinhaber Bolsonaro machen wird, der weitreichende Bedeutung für das Land und den gesamten Kontinent haben wird - sind Gegenstand von Workshops. Nächste Woche werden ich Ihnen sicher erste Eindrücke von meinen Begegnungen in New York vermitteln können.

Das bringt mich zu den wichtigen Terminen, die in der ersten Wochenhälfte in Brüssel stattgefunden haben. Auch im Handelsausschuss (INTA) ging es um die USA - zumindest mittelbar. Wir haben über die Reform der Welthandelsorganisation WTO diskutiert. Sie wissen, dass ich mich seit langem für die Erhaltung der WTO, aber zugleich deren notwendigem Umbau weil einzigen Weltwirtschaftsinstitution, in der alle Mitglieder bei der Entscheidungsfindung gleiche Rechte haben - ein Mitglied, eine Stimme - ob Gabun, Indonesien, Moçambique oder die USA und China. Aber dies ist schon seit ihrer die Gründung real komplizierter: denn es geht ja nicht nur um die völkerrechtlich vereinbarte institutionelle Rechtsetzung, sondern vielmehr um die faktischen wirtschaftlichen und handelspolitischen Machtverhältnisse, um den Zugang zu Märkten, damit zu Warenabsatz und -Erwerb, zum Erwerb von Rohstoffen und zum Wettbewerb um die Führerschaft im technologischen Wandel heute. Und hier ist die Realität natürlich eine andere: Mit den USA, EU, Indien oder China können die vielen Länder des Globalen Südens nicht mithalten. Und so bleibt die Herausforderung, wie also real die de jure gegeben Situation in neue Bahnen zu übersetzen ist. Die Debatten um die WTO sind vor allem ein politisches Ringen um ein Mehr an „gerechtem Welthandel“, um Rahmensetzungen und das gemeinsame Bestimmen der Regeln und entsprechenden Standards und v.a. darum, die ökonomischen (und politischen) Interessen aller Staaten in gleichberechtigter Art und Weise zu berücksichtigen. Insbesondere die USA lassen hier keine bislang keine substantielle Änderung ihrer Politik erkennen: es bleibt bei der Blockade des Streitschlichtungsmechanismus (Appelate Body) und so das Gremium lähmen und aushöhlen. Eeinige Beispiele habe ich Ihnen im letzten Newsletter genannt. Ich habe die Beratungen im INTA natürlich auch genutzt, um über das Public Forum zu berichten, an dem ich und einige andere Abgeordnete aus dem Handelsausschuss teilgenommen haben.

Nicht zuletzt haben wir uns mit der jetzt anlaufenden - endlich! - Gesetzgebung der EU-Institutionen zur Überwindung von Zwangsarbeit beschäftigt. Denn es ist leider eine Tatsache, dass verschiedenste Produkte, die wir in Europa kaufen können, noch immer auch unter menschenunwürdigen Bedingungen und unter Zwang hergestellt werden. Über 27 Millionen Menschen sind aktuell nach Angaben der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) noch immer in Zwangsarbeitsverhältnissen. Und ein Anstieg der Zahlen ist ggw. sogar möglich. Für mich und viele anderen progressiven Abgeordneten des Europaparlaments ist klar: Der Handel mit solchen Waren muss verboten werden!

Ihr

Helmut Scholz

Montag, 31. Oktober - Mittwoch, 2. November: Tagung der Gemeinsamen Parlamentarischen Versammlung EU-Moldau in Chisinau

Wie im letzten Newsletter bereits ausführlich dargestellt, reise ich aus New York direkt weiter nach Moldau. Nun, nicht wirklich mit einem Direktflug, sondern mit zweimal umsteigen, und diese manchmal nicht einfach zu gestaltenden Reisedetails und damit der zeitliche Aufwand gehören zum Leben eines Europaabgeordneten. Als Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu Moldawien, aber auch als EURONEST Mitglied der Parlamentarischen Versammlung mit unseren östlichen Nachbarländern, verfolge ich die Entwicklung in dieser Region mit hoher Anteilnahme.

Ich bin gespannt auf die Weiterführung unseres Dialogs, neuerliche Gespräche und Eindrücke in diesem direkten Nachbarland der Ukraine mit einem hohen russischsprachigen Bevölkerungsanteil gerade jetzt angesichts des noch immer andauernden Krieges und dem Moldau und der Ukraine gewährten Kandidatenstatus für die Mitgliedschaft in der EU.

Montag 31. Oktober - 4. November: Delegationsreise des Handelsausschusses (INTA) nach Kenia

Leider ohne mich reist eine Delegation des Handelsausschusses in dieser Woche nach Kenia. Der Ausschussvorsitzende Bernd Lange und die Kolleg*innen aus anderen Fraktionen haben sich vorgenommen, das Vorhaben von EU-Kommission und der Regierung Kenias zu unterstützen, ein bilaterales Handelsabkommen abzuschließen.

Eigentlich hat die EU-Kommission für diese Verhandlung kein Mandat. Die Mitgliedstaaten hatten sie vielmehr beauftragt, ein Region-zu-Region Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit der Gemeinschaft Ostafrikanischer Staaten EAC abzuschließen. Doch nicht alle Mitgliedstaaten der EAC waren mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden. Vor allem Tansanias Regierung ist nicht bereit, das EPA in Kraft treten zu lassen. Sie befürchtet, dass dieses EPA die europäischen Interessen stärker bedenkt als das Ziel der regionalen Integration in Ostafrika. Auch im größeren Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das Abkommen zwischen EU und Kenia mit dem neuen Handelsabkommen aller afrikanischer Staaten miteinander, dem AfCFTA, kompatibel sein wird.

Kenias Regierung spricht für die Wirtschaftsinteressen des einzigen Landes in Ostafrika, das den Status eines Landes mittleren Einkommens hat. Uganda, Tansania, Ruanda und Burundi sind LDCs, Länder geringster Entwicklung in der Klassifizierung der Weltbank. LDCs genießen in der Europäischen Union zollfreien Marktzugang für alles außer Waffen. Sie sind daher nicht so dringend auf ein Handelsabkommen mit der EU angewiesen. Kenia und seine Exportwirtschaft im Bereich Schnittblumen und Kaffee sieht jedoch Handlungsbedarf, um in der Konkurrenz mit Ecuador bestehen zu können, das einem regionalen Handelsabkommen mit der EU mit der Andenstaaten-Gemeinschaft vor fünf Jahren beigetreten ist.

Meine Sorge, die auf Gesprächen mit Expertinnen und Experten aus Ostafrika beruht, ist zum einen eine wirtschaftliche, da die mit der EU vereinbarten Regeln über Marktzugang, über Ursprungsregeln, über Produktsicherheit und auch über Standards und Bestimmungen im Dienstleistungsbereich abweichen von den entsprechenden Vereinbarungen innerhalb der EAC und innerhalb der AfCFTA. Die EU Kommission versucht diese Sorge damit zu entkräften, dass es sich bei dem Abkommen mit Kenia um ein offenes EPA handele, dem die anderen EAC Staaten ja später auch beitreten könnten, wonach die Regeln dann wieder für alle gleich wären. Und EPAs hätten ja den Vorteil, dass die beteiligten Länder dabei lernen könnten, wie man eigentlich Handelsabkommen richtig umsetzt, was dann später auch dem AfCFTA helfen würde.

Sie bemerken vielleicht, dass sich in dieser Argumentation auch die politische Problemstellung verbirgt, wer die Eignerschaft an afrikanischen Integrationsprozessen beansprucht bzw. hat. Gerade in dieser Zeit ist die EU schlecht beraten, in Afrika in der täglichen Praxis nach wie vor in allein europafokussierter, an die Kolonialzeit erinnernder Weise aufzutreten. Im Februar hatten die EU-Spitzen und auch die versammelten Wirtschaftsführer*innen auf dem EU-Afrika-Gipfel demonstrativ die „Partnerschaft auf Augenhöhe“ beschworen. Die EU Kommission verkündete nun in dieser Woche wieder einmal im Parlament, dass der Bericht über die Zukunft der Handelsbeziehungen zwischen EU und Afrika des Parlaments ihre neue Richtschnur sei. Wir bleiben dran, was die Praxis zeigen wird, ob der Widerspruch aufgelöst wird.

Fakt ist aber auch, dass Kenias Präsident gegenüber seinen Kollegen durchsetzen konnte, dass sie dem Land als EAC grünes Licht gaben, mit eigener Geschwindigkeit voranzuschreiten.

Ich werde die Verhandlungen im kommenden Jahr eng verfolgen und Ihnen in diesem Newsletter immer über neue Entwicklungen berichten.

 

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