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Die Überwindung der Wachstumsdoktrin ist überfällig!

10.05.2023

Wenige Tage vor der "Beyond Growth 2023"-Konferenz haben sich die Organisator:innen der Konferenz, zu der bereits über 4.000 Teilnehmer:innen angemeldet sind, mit einem Appell an die Öfentlichkeit gewandt.

"Beyond Growth 2023" (15. bis 17. Mai 2023 wird im Brüsseler EU-Parlament) ist eine Multi-Stakeholder-Veranstaltung mit dem Ziel, Strategien für nachhaltigen Wohlstand in Europa zu diskutieren und gemeinsam zu entwickeln, basierend auf einem systemischen und transformativen Ansatz zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit und einem umfassenden "Governance"-Rahmen.

Die Konferenz wird fraktionsübergreifend von über 20 Mitgliedern des EU-Parlaments, unter Schirmherrschaft von Präsidentin Metsola, und zusammen mit über 60 Partnerorganisationen durchgeführt. Weitere Informationen:  https://www.beyond-growth-2023.eu/ (Foto: Pixabay)

Hier und im Anhang der gemeinsame Aufruf der Organisator:innen:

 

Die Überwindung der Wachstumsdoktrin ist überfällig

Mehr als 4000 Menschen werden nächste Woche - im Europäischen Parlament und online - zur „Beyond Growth“-Konferenz 2023 zusammenkommen. Die Veranstaltung ist eine lagerübergreifende Initiative, zu der wir als Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP) aus fünf verschiedenen Fraktionen gemeinsam mit mehr als 60 Partnerorganisationen einladen.

Das Ziel der dreitägigen Konferenz ist es, althergebrachte Lösungsmuster der EU-Institutionen in Frage zu stellen und eine umfassende Neuausrichtung gesellschaftlicher Ziele zu erreichen. Dazu konnten wir hochrangige Redner:innen aus den Entscheidungsgremien der EU sowie Vertreter:innen aus Wissenschaft, Gewerkschaften, Unternehmen und Zivilgesellschaft gewinnen. Für uns ist klar: Unser Wirtschaftsmodell muss Abschied nehmen von einer gefährlichen Ausrichtung am Wirtschaftswachstum als alleiniger Entwicklungsgrundlage.

Das derzeitige, an endlosem Wachstum ausgerichtete Wirtschaftsmodell hat seine Grenzen bereits erreicht: Zum Ersten, weil stetiges Wirtschaftswachstum - insbesondere wenn es auf dem Verbrauch fossiler Brennstoffe beruht - zu einer globalen Erwärmung mit katastrophalen Folgen führt. Zweitens beruht das Ziel eines grenzenlosen Wachstums auf der Ausbeutung natürlicher Ressourcen, der Zerstörung der biologischen Vielfalt und der Anhäufung von Abfall und Schadstoffen in der Umwelt. Die Risiken, die dies für unsere Gesundheit, aber auch für unsere Volkswirtschaften und unsere Gesellschaften mit sich bringt, sind enorm. Drittens befeuert das derzeitige Wirtschaftsmodell soziale Ungleichheit und Ausgrenzung. Die Ausrichtung am Ziel des Wirtschaftswachstums hat keine gerechte Verteilung von Wohlstand oder Wohlstandschancen mit sich gebracht. Die Folge ist vielmehr eine Konzentration von Reichtum und Macht in den Händen einiger weniger, während viele Menschen abgehängt zurückgelassen werden. Hinzu kommt, viertens, eine inhärente Instabilität und Krisenanfälligkeit, wie beispielsweise im Zuge der Finanzkrise 2008 und der COVID-19-Pandemie zu sehen war. Das Streben nach Wachstum um jeden Preis hat ein globales Wirtschaftssystem geschaffen, das höchst zerbrechlich und anfällig für Erschütterungen ist.

Als Abgeordnete verschiedener Fraktionen haben wir unterschiedliche Sichtweisen, wie ein Wirtschaften erreicht werden kann, das die Doktrin des ewigen Wachstums hinter sich lässt. Einig sind wir uns jedoch darin, dass diese Frage von äußerster Dringlichkeit ist. Wir teilen die Ansicht, dass wir ein Wirtschaftssystem benötigen, das dem menschlichen Wohlergehen und ökologischer Nachhaltigkeit Vorrang vor dem BIP-Wachstum einräumt; ein Modell, das die Unmöglichkeit von unendlichem Wachstum auf einem endlichen Planeten anerkennt, und einen Ausweg aus der kontinuierlichen Ausbeutung von Ressourcen und der ständigen Steigerung von Produktion und Konsum sucht.

Wir sind der Ansicht: In den EU-Institutionen braucht es mehr Pluralismus im ökonomischen Denken und eine umfassende Einbeziehung der Erkenntnisse aus der Klima- und Umweltforschung und den Sozialwissenschaften. Ökonomische Modelle und andere Instrumente, die politischen Entscheidungen zugrunde liegen, müssen pluraler, breiter und für Bürger:innen nachvollziehbarer werden. Wir fordern, dass Entscheidungsprozesse an unseren gemeinsamen politischen Zielstellungen ausgerichtet werden und nicht auf der Grundlage der Schwankungen der BIP-Zahlen.

Als politische Entscheidungsträger:innen sehen wir uns auch in der Verantwortung, bei der Suche nach neuen politischen Optionen eine Vorreiterrolle einzunehmen. Wir verpflichten uns daher, in unserer eigenen parlamentarischen Arbeit unsere Energie in die Entwicklung mutiger und ehrgeizige Vorschläge zu stecken, die den Weg für nachhaltigen Wohlstand in der EU und darüber hinaus ebnen. Insbesondere schlagen wir vor, die folgenden übergreifenden Ziele in den EU-Institutionen und Mitgliedstaaten zu verfolgen:

1. Entwicklung einer neuen umfassenden Strategie für eine europäische Wirtschaft jenseits des unbegrenzten Wachstums, die soziale, ökologische und wirtschaftliche Ziele umfassend einbezieht. Der europäische „Green Deal“ als Leitinitiative der EU zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Förderung einer nachhaltigen Zukunft ist ein wichtiger und notwendiger Schritt, erkennt aber die Grenzen des Wachstums nicht an. Eine neue Strategie sollte auf den Prinzipien der ökologischen Nachhaltigkeit, der sozialen Gerechtigkeit und des Wohlergehens basieren und Politiken Vorrang einräumen, die zu diesen Zielen beitragen.

2. Die Verwendung pluralistischer Indikatoren und makroökonomischer Modellen in der EU und den Mitgliedstaaten. Aufbauend auf der bestehenden Arbeit der Europäischen Kommission und vieler anderer Institutionen fordern wir einen Politikgestaltungsansatz, der sich auf Indikatoren stützt, die den Fortschritt über das BIP hinaus messen, auf die Verwendung makroökonomischer Modelle, die auf die Achtung der planetarischen Grenzen und die Verbesserung des sozialen Wohlergehens abzielen und auf die Entwicklung von ökologischen und geschlechtsspezifisches Haushaltsinstrumenten.

3. Eine Ausrichtung unserer institutionellen Architektur an einer angestrebten Abkehr von der Wachstumsdoktrin. Ausgehend von Vorschlägen, die aus der Wissenschaft im Vorfeld der ersten Postwachstumskonferenz gemacht wurden, schlagen wir vor, eine Generaldirektion für Nachhaltigkeit und Wohlbefinden in der Europäischen Kommission einzurichten, im Europäischen Parlament einen Sonderausschuss für die Zukunft jenseits des Wachstums und in jedem Mitgliedstaat ein Ministerium für den wirtschaftlichen Übergang. Jede dieser Strukturen sollte auf ihrer eigenen Ebene für die Entwicklung über das Wachstum hinausgehender politischer Vorschläge und die Koordinierung der Bemühungen der EU um Nachhaltigkeit und Wohlergehen verantwortlich sein.

Das öffentliche Interesse an einer zukunftsfähigen europäischen Wirtschaft ist größer als je zuvor. Es ist ein starkes Symbol, dass eine derart breite und kraftvolle Debatte im Europäischen Parlament stattfindet. Die „Beyond Growth“-Konferenz kann der Aufschlag zu einer politischen Debatte sein, die sowohl auf dem aktuellen Stand zahlreicher wissenschaftlicher Disziplinen aufbaut und gleichzeitig an die konkreten Erwartungen der Bürger:innen in allen Teilen Europas anknüpft. Wir sind überzeugt: Wege zu einem guten Leben zu finden, das die Grenzen des Planeten und unserer Gesellschaften respektiert, ist mehr als ein frommer Wunsch - es ist eine absolute Notwendigkeit.

Gemeinsam unterzeichnet von:

Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz (Greens/EFA)

Philippe LAMBERTS (BE)

Bas EICKHOUT (NL)

Ville NIINISTÖ (FI)

Manuela RIPA (DE)

Marie TOUSSAINT (FR)

Ernest URTASUN (ES)

Kim VAN SPARRENTAK (NL)

 

Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament - (LEFT)

Manon AUBRY (FR)

Petros KOKKALIS (EL)

Marisa MATIAS (PT)

Helmut SCHOLZ (DE)

 

Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (S&D)

Pascal DURAND (FR)

Aurore LALUCQ (FR)

Pierre LARROUTUROU (FR)

 

Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) (EVP)

Sirpa PIETIKÄINEN (FI)

Maria WALSH (IE)

 

Renew Europe Group (RE)

Katalin CSEH (HR)

 

Fraktionslose (NI)

Dino GIARRUSSO (IT)

 

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