Europa in der Schule - dieses Mal in Königs Wusterhausen

Helmut Scholz besuchte die Herder-Europaschule und diskutierte mit Schülerinnen und Schülern

16.11.2018
Felix Thier
Helmut Scholz vor der Herder-Europaschule in Königs Wusterhausen

Helmut Scholz hat schon oft Schulen in seinem Wahlkreis besucht, um dort mit den Schülerinnen und Schülern in den Dialog über Europa zu treten. So war an sich der Termin am 16. November in der Herder-Europaschule in Königs Wusterhausen eigentlich Routine – und doch anders. Denn entgegen des sonst meist praktizierten Ablaufes gab es dieses Mal Frage-Antwort-Runden aus Gruppendiskussionen heraus. Denn die Schülerinnen und Schüler haben sich im Vorfeld des Besuches in sechs unterschiedlichen Gruppen zusammengefunden, um dort verschiedene Themen nach ihren Interessen zu bearbeiten, sich vorzubereiten und abschließend Fragen zu formulieren, welche man dem Europaparlamentarier stellen wollte.

Zum Einstieg wollten die Schülerinnen und Schüler Allgemeines zum Europäischen Parlament (EP) wissen, ob Helmut Scholz sein Leben so geplant habe, ob es an diesem Job Negatives gäbe, wie das Arbeitspensum zu bewältigen sei und was Helmut Scholz als seinen größten politischen Erfolg bezeichnen würde.

Ehrlich antwortend stellt der Abgeordnete klar, dass er so gar nicht mit der Arbeit als Politiker geliebäugelt hatte. Er stand im Berufsleben im Diplomatischen Dienst der DDR, war u. a. in China an der Botschaft tätig, nach der politischen Wende in Deutschland dann jahrelang in der Bundesgeschäftsstelle seiner Partei für den Bereich Internationales verantwortlich. Bis ihn Lothar Bisky in die vordere Reihe und nach Europa holte: „ Du gehörst auf die internationale politische Bühne, nicht nur in Hinterzimmerbüros.“ Schattenseiten wären sicher die wenig freie Zeit, ein stark eingeschränktes Familienleben und der Fokus der Öffentlichkeit auf ihn, so Scholz. Zu leisten sei das Ganze auch nur mit Hilfe guter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem eingespielten Team. Der bisher größte Erfolg sei die von ihm maßgeblich mit angestoßene Beschlussfassung des EP zum Thema Konfliktmineralien gewesen.

Aus den eingangs erwähnten Gruppenthemen ergaben sich in folgender Reihenfolge sechs Komplexe: Uploadfilter, Europäische Armee, Geflüchtete, Umwelt, Frauen und Währungspolitik.

Helmut Scholz ist gegen Uploadfilter und hat im EP entsprechend abgestimmt. Eine Zensur sei immer Freiheiten einschränkend, das Recht auf Information und freien Zugang dazu seien Grundvoraussetzungen für eine freie Meinung und damit eine funktionierende Demokratie, so Scholz.

Beim Thema europäische Armee kam man rasch auf europäisches Krisenmanagement, Eingriffe in Konfliktregionen und so auch auf Syrien zu sprechen. Helmut Scholz stellte klar, dass er gegen eine europäische Armee sei – denn warum brauche man überhaupt Armeen? Letztlich für militärisches Agieren, Angriffe, Drohpotenzial. Der Syrienkonflikt ließe sich zum Beispiel niemals militärisch lösen, sondern nur politisch und diplomatisch. Denn Krieg bringe Sieger und Besiegte. Und ein Besiegter wird sich als Besiegter fühlen und damit wenig mit dem erreichten Frieden durch seine Niederlage identifizieren. Armeen seien bestenfalls auf Verteidigung, in ihren technischen und personellen Fähigkeiten aber nie auf Angriff auszurichten. An der Stelle wies Helmut Scholz auch darauf hin, dass sich das EP klar für ein, die EU-Mitgliedsstaaten an dieser Stelle mangels Zuständigkeit leider nicht bindendes, Verbot von Waffenexporten ausgesprochen habe. In Deutschland fehle dazu leider die politische Mehrheit.

Bei Geflüchteten fragte man nach Obergrenzen und Scholz‘ Position hierzu. Helmut Scholz‘ Entgegnung war eine Gegenfrage: Auf wen sei denn die Obergrenze anzuwenden: Kriegsflüchtlinge, Klimafüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge? Es dürfe keine Obergrenze geben, Asyl sei ein Menschenrecht. Jeder Fall sei individuell zu prüfen und nicht pauschal an erreichten Höchstzahlen festzumachen. Wichtig sei hier aber europäisches geschlossenes Agieren und gerechtes Verteilen der Geflüchteten - entgegen nationaler Egoismen und dem Blick auf die eigene Wiederwahl.

Beim Thema Umwelt ging es dann in den Bereich des Dieselskandals bzw. die daraus drohenden Fahrverbote. Helmut Scholz stellte klar, dass die Europäische Union richtigerweise Umweltnormen gesetzt und die Autoindustrie diese zu erreichen habe. Wenn sie das nicht könne und weiter schmutzige Wagen produziert bzw. verkauft werden, müsse es eben Fahrverbote geben. Denn es mangele nicht an der Technik, so Scholz, sondern aus Wettbewerbsgründen am Willen zu deren Anwendung. Die Autolobby sei insbesondere in Deutschland sehr stark und massiv in ihrem Wirken auf die Politik. Helmut Scholz bekannte sich ferner zum Kohleausstieg, nachdem den Menschen in den betroffenen Regionen eine Perspektive gegeben wurde. Daher seien hier Übergangsfristen und massive finanzielle Unterstützungen zur regionalen Entwicklung nötig.

Der Komplex Frauenpolitik drehte sich um Schwangerschaftsabbrüche bzw. Werbung dafür, Quotenregelungen und gerechte Bezahlung. Scholz stellte gleich zu Beginn klar, dass „Werbung“ beim Thema Abtreibung der falsche und schon ein klar politisch besetzter Begriff sei. Es handele sich bei den Hinweisen zu Schwangerschaftsabbrüchen auf Internetseiten von Ärztinnen und Ärzten mitnichten um Werbung für diese Eingriffe. Es ginge hier auch nicht um Profit und Kasse machen. Es sind Angaben zum angebotenen Leistungsspektrum der jeweiligen Praxis und als solche vollkommen in Ordnung. Ein Verbot solcher Angaben dürfe es aus Sicht von Scholz‘ daher nicht geben. Vielmehr seien solche Angaben notwendig, damit jede Frau wisse, wo sie sich beraten lassen kann. Denn keine Frau mache sich die Entscheidung eines Schwangerschaftsabbruches leicht! Es handele sich um ungeborenes Leben und doch müsse jede Frau selbst entscheiden dürfen, da es ihr Körper sei.

Zu Quotenregelungen und unterschiedlicher Bezahlung von Frau und Mann war die Antwort des Europaabgeordneten deutlich: Eine Quote, welche DIE LINKE als seine Partei seit Jahrzehnten praktiziere, gehöre in die Politik bzw. Parlamente genauso wie in die Wirtschaft. Und auch bei der Bezahlung müsse gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Schon deutlich im Zeitverzug wandte man sich zum Abschluss dem breiten Feld der Währungspolitik zu. Auf die sogenannten Eurobonds als Finanzkrisenlöser angesprochen entgegnete Scholz, dass diese die Krise nicht allein lösen werden, aber helfen könnten. Das Eingreifen von Euro-Mitgliedsstaaten zur Rettung anderer Euro-Staaten sei solidarisch nötig, da alle eine Währung hätten und so niemand am Scheitern des Euro ein Interesse haben sollte. Grundfehler bei der Konstruktion der gemeinsamen Währung war, dass man sich auf eine gemeinsame Währung einigte, ohne gleichzeitig auf eine gemeinsame Wirtschaftspolitik zu setzen. So blieben wirtschaftliche Ungleichgewichte unter den Euro-Staaten erhalten bzw. wurden noch vertieft.

Man hätte noch wesentlich länger miteinander debattieren können. Allein, die Klingel zum Unterrichtsende machte einen Strich durch die Rechnung.