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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 107, 30. Juni 2023
Liebe Leser*innen,

während ich diese Zeilen schreibe, ist in Brüssel gerade der EU-Gipfel zu Ende gegangen. Auf der Tagesordnung des Treffens der Staats- und Regierungschef*innen sowie der EU-Spitzenvertreter*innen standen unter anderem die Migrationspolitik und die Beziehungen zu China. Wie Sie aber sicher den Nachrichten entnommen haben, wurde diese Planung angesichts der jüngsten Entwicklungen rund um Russland, die Ukraine und Belarus gründlich durcheinandergewirbelt. Die Gipfel-Runde hat sich in diesem Zusammenhang über die geplante Verlegung von russischen Söldnern der Gruppe Wagner nach Belarus besorgt gezeigt; Mitgliedstaaten an den östlichen Außengrenzen der EU wie Polen, Lettland und Litauen fürchten offenbar um ihre Sicherheit. Der polnische Präsident sprach angesichts dessen von einer Veränderung der Sicherheitsarchitektur in der Region. Und Bundeskanzler Scholz erinnerte abermals an das NATO-Beistandsversprechen – was so klingt, als stünde ein unmittelbarer Angriff auf die Allianz unmittelbar bevor. Ich denke nicht, dass solche Auftritte des Kanzlers zur Entspannung beitragen. Erneut verpasste der Gipfel die Chance, einen aktiven Schritt und Beitrag der EU für eine internationale politisch-diplomatische Initiative zumindest zu skizzieren. Es bleibt bei militärischen Optionen und Logik zur Kriegsbeendigung – was angesichts der jüngsten zivilen Opfer in Kramatorsk von der russischen Seite geradezu herbei gebombt wurde.

Natürlich, auch ich habe noch keine genauen Erkenntnisse über die Vorgänge um die Wagner-Truppe und möchte mich an den diversen Spekulationen nicht beteiligen. Sicher ist dagegen, dass dies alles Folgen des verbrecherischen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine sind, der nun bereits eineinhalb Jahre andauert – und für den noch kein Ende absehbar ist. Sie kennen meine Haltung: Es muss alles, wirklich alles auf diplomatischem Verhandlungsweg versucht und unternommen werden, um das Töten und die Zerstörungen zu beenden. Nach wie vor sehe ich allerdings weder bei der NATO oder EU, weder in Washington, in den europäischen Hauptstädten oder im Berliner Außenministerium entsprechende Anstrengungen, schon gar keine Schritte in diese Richtung. Aber um auch das nicht unerwähnt zu lassen: In Moskau und Kiew gibt es offenbar ebenso kein Interesse, das Blutvergießen durch Verhandlungen zu stoppen.

Der Krieg in der Ukraine und notwendige Unterstützungsleistungen der EU für das ukrainische Volk und den ukrainischen Staat haben und hatten deshalb auch unmittelbare Auswirkungen auf die anderen Themen, die sich der EU-Gipfel gesetzt hatte. Militärische Konflikte führen immer zu einer Verstärkung der Flucht- und Migrationsbewegungen, was wir auch im Falle der Ukraine erlebt haben. Das Versagen des Rates eine gemeinsame Haltung zur Asyl-, Flüchtlings- und Migrationspolitik zu formulieren, ist aber weniger den traurigen Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine als vielmehr der Weigerung, prinzipiell die längst überfällige gemeinschaftliche Verantwortung für die Asylpolitik zu übernehmen, geschuldet. Und irgendwie ist die Nichteinigung auch wiederum eine Chance, den unsäglichen Ansatz des vor Wochen formulierten Asyl-und Flüchtlingsdeals der EU noch einmal aufzuschnüren. Die so berührende Aktion von vielen engagierten Menschen aus Flüchtlingsinitiativen vor dem Europaparlament, die an mehreren Tagen buchstäblich Tag und Nacht ununterbrochen die Namen der an den verschiedenen Orten im Mittelmeer und in der Ägäis ertrunkenen Menschen verlasen, die verzweifelt versuchten, ihrem Elend mit Flucht über das Meer zu entgehen, muss zum Nachdenken und zur Veränderung unmenschlicher politischer Beschlüsse führen.

Die aus dem Ukraine-Krieg folgenden Verwerfungen werden auch in den Weltwirtschafts- und Handelsbeziehungen direkt unser Verhältnis zu den "global playern" prägen. Gerade bei China ist dies der Fall. Ich denke, wir müssen das Reich der Mitte als strategischen Partner – und ja, zweifellos ist es auch systemischer Rivale hinsichtlich der Verantwortung für die Lösung sozialer, gesellschaftlicher und perspektivischer Herausforderungen – betrachten und gewinnen. Sowohl bei der Bewältigung der weltweiten Herausforderungen, wie der Klimakrise oder der Umsetzung der UN-Entwicklungsziele, als auch bei der Entwicklung guter bilateraler Beziehungen im beiderseitigen Interesse. Kritik und klare Positionen beispielsweise in der Frage der Menschenrechte haben dabei ihren Platz und es ist gut, dass der EU-Gipfel die Wiederaufnahme des Menschenrechts-Dialogs bekräftigt hat. Aggressive Positionierungen und Bevormundung aus Westeuropa haben diesen sicherlich nicht. Bislang jedoch bleiben die EU und ihre Mitgliedstaaten eine kohärente Strategie für die Beziehungen zu China schuldig, die sich der Komplexität einer multipolaren und gleichberechtigten für alle Staaten und Regionen offenen Welt stellt. Ich bleibe da dran und werde weiter Ideen für einen solchen Ansatz als auch Argumente für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit einbringen.

Umso mehr, als die Beziehungen zu China natürlich auch die von der EU-Kommission vorgelegte Strategie der wirtschaftlichen Sicherheit tangieren. Meine Mitarbeiter*innen im Büro und ich sind gerade dabei, das vor wenigen Tagen von der EU-Kommission vorgelegte Papier gründlich zu analysieren. Hoffentlich schaffe ich es in der kommenden Woche dazu eine etwas ausführlichere Bewertung zu veröffentlichen. Nur schon einmal so viel: Der Ansatz, globale Lieferketten widerstandsfähiger zu machen, ist sicher richtig, gerade auch die der EU. Aber dies darf weder mit protektionistischen Maßnahmen geschehen, noch einseitig die europäischen Interessen in den Mittelpunkt stellen oder gar auf Kosten gerade der Menschen und Länder des Globalen Südens gehen. Denn auch hier gilt: Die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele muss das Kriterium der Handels- und Wirtschaftspolitik der EU sein. Und auch bilaterale Abkommen der Bundesrepublik zur Sicherung eigenen Wasserstoff- oder Lithiumbedarfs beispielsweise, sollte nicht Kraft deutscher Wirtschaftsstärke wiederum auch zu Verwerfungen im EU-Binnenmarkt führen. Alarmierend sollte das traurige Beispiel des “Wegkaufen” von Flüssiggas (LNG) an den internationalen Terminmärkten zu Lasten von vielen Schwellenländern und Entwicklungsländern im vergangenen Jahr sein, als Deutschland mit seinen Finanzmitteln hier langfristige Bezugs-Lieferketten störte.

Mit solchen und vielen weiteren Fragen wird sich übrigens auch die Sommeruniversität der Partei der Europäischen Linken beschäftigen, die Ende kommender Woche beginnt. Bereits am vergangenen Wochenende hat die Generalversammlung der EL die Arbeit an ihrer Plattform für die Europawahlen 2024 fortgesetzt. In verschiedenen Arbeitsgruppen – unter anderem zur Umgestaltung der globalen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, zu Klima- und Sozialpolitik, zum Kampf gegen rechts und für Arbeitsrechte – wird Europas Linke an einer Strategie arbeiten, die die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Sicher wird dieser Prozess noch einige Zeit in Anspruch nehmen, zumal nicht nur linke Parteien Europas, sondern vielfältige progressive Kräfte einbezogen sind. Was in der kommenden Woche auch für unser Team aktuell wird, können Sie wie stets schon heute unten lesen.

 

Ihr

Helmut Scholz

3. Juli und 4. Juli: Beratungen der Parlamentarischen Partnerschafts-Versammlung (PPA) EU & Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland

Im Mittelpunkt der letzten Beratungen der Abgeordneten des Europarlaments und des Abgeordnetenhauses vor der Sommerpause, die von den Ko-Vorsitzenden Nathalie Loiseau und Sir Oliver Heald eröffnet werden, steht eine breite Verständigung zu verschiedensten Themenbereichen der bilateralen Beziehungen sowohl staatlicherseits als auch hinsichtlich der Mitwirkung der Parlamente zur Untersetzung des ja grundsätzlich neu auszugestaltenden Verhältnisses beider Seiten nach dem Brexit auf Grundlage der neu abgeschlossenen Verträge.

Am Anfang gibt es einen Meinungsaustausch zum Stand der Arbeit des Partnerschafts-Rates mit Maroš Šefčovič, Vizepräsident der EU-Kommission, Ko-Vorsitzender des gemeinsamen Komitees zur Umsetzung des Austrittsabkommens und Ko-Vorsitzender des Partnerschafts-Rates einerseits und dem Mitglied des Abgeordnetenhauses James Cleverly, Minister für Auswärtige, Commonwealth und Entwicklungspolitische Angelegenheiten, der auch Ko-Vorsitzender des gemeinsamen Komitees für die Umsetzung des Austrittsabkommens sowie des Partnerschafts-Rates ist. 

Daran anschließen wird sich an beiden Tagen dann der Meinungsaustausch der Mitglieder beider Parlamente im Rahmen von Panel-Debatten, als auch in kleineren gesonderten Arbeitsgruppen, um die Vielfalt der zu erörternden Themenbereich vertieft abdecken zu können. Die Palette der Themenfelder reicht von der “Zukunft der Außen- und Sicherheitspolitik, eingebettet in die bestehenden Rahmen-Schwerpunktsetzung der Europäischen Politischen Gemeinschaft“, die ja vor einem Monat in Chisinau zusammentrat,  über Fragen zu Mobilität, Klimaschutz und Energie, sowie zivilgesellschaftliches Zusammenwirken, bis hin zur besonders gewichtigen Zusammenarbeit im Bereich von Handel und Industriepolitik, einschließlich möglicher Antworten auf das US-amerikanische wirtschafts- und industriepolitische Antiinflationsgesetz mit seinen Auswirkungen für Drittstaaten auf dem US- Binnenmarkt. Ferner soll die Partnerschafts-Versammlung EU-UK auch Empfehlungen für den staatlichen Partnerschafts-Rat erarbeiten, wie die Ukraine weiter zu unterstützen ist und wie die Perspektiven der internationalen Sanktionspolitik gegenüber der Russischen Föderation weitergeführt aussehen sollten. Ich sehe hier eine große Mehrheit der Abgeordneten an der Seite aller bisher von Downing Street 10 als auch von den EU-Ratstreffen getroffenen Entscheidungen. Interessant wird sein, ob und welche Nuancen in der außen- und sicherheitspolitischen Position von den Labour-Party Abgeordneten in den Debatten gesetzt werden. Das gilt auch für die Diskussionen zu sozialen und energiepolitischen wie umweltpolitischen Fragestellungen im Bereich der Wirtschafts- und Handelspolitik. Da werde ich auch die Möglichkeit haben, unsere Positionen der Fraktion THE LEFT einzubringen. Und mein Fraktionskollege von Sinn Féin, Chris MacManus wird sicherlich Wichtiges zum Verhältnis zwischen Vereinigtem Königreich und Irland und zur politischen Gesamtlage auch in Nordirland nach dem Wahlerfolg von Sinn Féin im Nordteil der Insel bei den jüngsten Kommunalwahlen einzubringen wissen.

Die Debatte können Sie wie immer auch direkt verfolgen:

am Montag, dem 3. Juli 2023 hier

und am Dienstag, dem 4. Juli 2023 hier

3. Juli: Treffen der EU-Delegation im Parlamentarischen Assoziierungsausschuss EU-Moldau, 16:45 - 18:00 Uhr

Wie so oft gibt es viele Überschneidungen im Kalender der Abgeordneten: so auch am Montagnachmittag, wo sich die EP-Seite zu einer Aussprache mit dem Speaker (Vorsitzenden) des Parlaments von Moldau und weiteren Abgeordneten des Parlaments treffen wird, die sich zu einem Studienaufenthalt u. a. zu Fragen der Wahl-Gesetzgebung und den Demokratisierungsherausforderungen in Brüssel aufhalten wird. Und sicherlich sind da wichtige Eckpunkte aus Sicht des Europarlaments zu diesen Themenbereichen ausführlicher einzubringen, blockt doch der EU-Rat gerade die jüngste neue Gesetzgebungsinitiative des Parlaments im Trilog-Verfahren. Diese Fragen, als auch Aspekte der Stärkung von partizipativer Demokratie erhalten ein wichtiges, sehr aktuelles und zusätzliches Moment, erwartet doch die Republik Moldau nach den vielen allgemein gehaltenen Aussichtszusagen darauf einen möglichst baldigen Start realer Verhandlungen über den Beitritt des Landes zur EU. Für Spannung dürfte gesorgt sein.

4. Juli, 9:00 - 10:00 Uhr: Auswertung Beyond-Growth-Konferenz 2023

Sie haben an dieser Stelle sicher schon davon gelesen: knapp 10.000 Personen verfolgten im vergangenen Monat die „Beyond Growth“-Konferenz, in der nach Alternativen zur aktuellen Wachstumsfixierung gesucht wurde. Die Veranstaltung traf einen Nerv. Medien in ganz Europa berichteten und die überwiegend jungen Besucher*innen verfolgten drei Tage lang Debatten mit namhaften Redner:innen wie Jason Hickel, Timothée Parrique oder Ann Pettifor.

Gemeinsam mit den anderen 20 beteiligten MdEP diskutieren wir am Dienstag, wie die Impulse in den EU-Institutionen verankert werden können. Merken Sie sich bereits jetzt die Woche vom 29. August bis zum 2. September vor, in der ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen - darunter das Regionalbüro Südosteuropa der Rosa-Luxemburg-Stiftung - eine Nachfolgekonferenz in Zagreb (Kroatien) organisieren.

5. Juli 2023: Fraktionssitzung von THE LEFT

Der kommende Mittwoch steht dann ganz richtig im Rahmen der monatlichen sogenannten „Fraktions-Woche“ des EP-Kalenders im Zeichen der anstehenden Fraktionssitzung von THE LEFT. Ich bin gebeten worden im Rahmen der ausführlichen Tagesordnung einen eigenen Beitrag zur Übersicht der laufenden Arbeit im AFCO-Ausschuss zu geben. Da ich die Fraktion in den laufenden Verhandlungen der gerade stattfindenden Parlamentsreform vertrete, werde ich vom aktuellen Stand berichten und wir werden sehen, welche weiteren Gesichtspunkte mir auch ein Feedback bzw. weitere Überlegungen zur Arbeit in dieser direkt von der Parlamentspräsidentin Roberta Metsola geleiteten Arbeitsgruppe von den anderen Abgeordneten geben. Der Blickwinkel auf institutionelle Aspekte, auch in Bezug auf das Parlament selbst, ist durchaus sehr breit in unserer Fraktion.

Diese erstmalige Arbeit an einer Bestandsaufnahme und Reform der Parlamentsarbeit seit Inkrafttreten der Lissabon-Verträge ist sehr vielfältig und umfasst sowohl vertiefende Debatten und Positionserarbeitungen zum EU-Haushalt/Haushalt des EP, zur Rolle und Ausgestaltung der Plenartagungen, zur Legislativen Arbeit des Parlaments, zu Rolle, Funktion und Zusammensetzung der Ausschüsse, zum Kontrollrecht des Parlaments hinsichtlich aller Arbeitsweisen von EU-Institutionen, und berührt auch das gesamte Feld außenpolitischen Agierens des Parlaments und seiner Strukturen und Arbeitsmethoden. Diese viele Themenfelder umfassende und durchaus auf eine neue Dimension der Selbststärkung des Parlaments abzielende Arbeit der Arbeitsgruppe erfordert auch von unserer Fraktion einen breiteren Meinungsbildungsprozess, den ich mit der erneuten Wortmeldung am Mittwoch weiter befördern möchte. Denn die Arbeitsgruppe „Europarlament 2024“ hat sich vorgenommen, ihre Vorschläge bis Anfang Oktober der „Konferenz der Fraktionsvorsitzenden“ vorzulegen.

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