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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 137, 15. März 2024
Liebe Leser*innen,

für den Handelsausschuss müssen wir mit einem Blick in die letzte Woche starten. Trotz meines langen Einsatzes für die Möglichkeit, medizinische Produkte, die mit einer Zwangslizenz hergestellt werden, in der nächsten Krise auch an Drittländer exportieren zu können, wurde im Plenum mit einer konservativen Mehrheit gegen diese Möglichkeit gestimmt. So weit, so schlecht, denn die Corona Pandemie hat gezeigt, dass eine weltweit gemeinsame Reaktion auf solche Gesundheitsrisiken notwendig ist. Ein Virus kennt keine Grenzen und unsere Gesundheit schützen wir nur, wenn wir weltweit für guten Gesundheitsschutz sorgen. Nicht zu vergessen: Ein gesundes Leben für alle Menschen zu erreichen, ist eins der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, die eigentlich bis 2030 umgesetzt werden sollen. Und auch viele Bürger*innen, die sich in der Konferenz über die Zukunft Europas intensiv eingebracht haben – sowohl in den Bürger*innenforen als auch in den Themenpanels der begleitenden Digitalen Plattform mit über 5 Millionen sich zu Wort meldenden Menschen in allen 27 EU-Mitgliedstaaten und weit darüber hinaus – haben angesichts der Corona-Pandemie einen Narrativwechsel gefordert: eine EU-Gesundheitsunion und solidarische Regelungen für einen für alle Menschen gerechten Zugang zu Gesundheitsleistungen in der EU, aber auch im globalen Maßstab hier Verantwortung für die Versorgung mit Impfstoffen und medizinischen Produkten zu übernehmen. Es bleibt zu hoffen, dass vor der nächsten Pandemie noch die Zeit bleibt nachzubessern. Die Linke wird sich auch in der folgenden 10. Legislatur 2024-2029 intensiv und konsequent dafür einsetzen, dass wir diesem Ziel näherkommen.

Auch die Debatte im Plenum in Strasbourg um das EU-Lieferkettengesetz hat gezeigt: vor dem Hintergrund des „German-Vote“ mit seinem von der FDP erzwungenen Enthaltungsschritt kommen all jene Lobbyist*innen und politische Kräfte erneut zum Zuge, die es entweder ganz verhindern wollen oder aber die weitgehenden Ambitionen des Europarlaments für eine starke menschenrechtliche und auf Einhaltung international vereinbarter Umweltkriterien ausgerichtete Verantwortungsnahme von wirtschaftlichen Unternehmen weiter zurückdrängen wollen. Die am späten Freitag erreichte Einigung im EU-Rat durch Überstimmen der deutschen Verweigerungshaltung zum Trilog-Kompromiss hat uns endlich dieses wichtige Gesetz gebracht, trotz weiterer Abschwächung im Geltungsbereich. Gut ist allemal, dass die Logik des EU-Ansatzes enhalten ist: die Haftbarkeit von Unternehmen für ihre unternehmerische Sorgfaltspflicht in Sachen Menschenrechte und Umweltstandards. Der Arbeitsauftrag an das neue Parlament dürfte deshalb sein: das Ergebnis zu verteidigen und erneut Anstrengungen zu unternehmen, um den Geltungsbereich weiter auszubauen.

In der kommenden Woche tagt der Ausschuss für Internationalen Handel (INTA) das letzte Mal in dieser Legislaturperiode. Die Tagesordnung ist entsprechend dicht, weil es auch die letzte Möglichkeit ist, Gesetze über die Ziellinie zu bringen. Es steht z. B. die finale Abstimmung über den im Trilog erreichten Kompromiss zur Zwangsarbeit an.

Zum Abschluss der Arbeit im INTA wird auch Handelskommissar Dombrovskis erscheinen, um das in den letzten fünf Jahren Erreichte Revue passieren zu lassen. Zwar haben wir an vielen Stellen dafür gesorgt, dass die EU-Handelspolitik gerechter und nachhaltiger wurde, aber das Treffen wird auch die Möglichkeit bieten, kritisch auf diese Legislatur zu blicken und Überlegungen für die kommende Wahlperiode anzustellen, wie wir die EU-Handelspolitik zukünftig auf Augenhöhe mit Partnerländern betreiben und diese ökologischer und sozialgerechter ausgestalten. Für mich persönlich wird auch wichtig sein, die positiven Erfahrungen aus der Arbeitsgruppe des Europaparlaments  für eine faire Handelspolitik noch einmal gegenüber dem Vizepräsidenten der Kommission deutlich zu machen und ihn aufzufordern, die zu Beginn der Legislatur bekundete Bereitschaft, den Wettbewerb um „Faire Handel-Städte und Regionen“ mit entsprechender Unterstützung seitens der EU fortzusetzen, endlich auch praktisch umzusetzen und den „Fair Trade City Award“ 2024/2025 wieder zu verleihen. Das wäre ein nicht kleiner und umso wichtiger Schritt, EU-Handelspolitik auch mit Bürger*innen-Engagement und internationalen Zusammenarbeitsstrukturen zu verbinden, sie verständlicher und transparent zu machen und damit notwendige gesellschaftliche Diskussionen über die Möglichkeiten einer demokratischen Teilhabe an der Art und Weise, wie wir Handel treiben, zu befördern.

Ein weiterer Schwerpunkt der anstehenden Ausschusswoche ist das Treffen der Parlamentarischen Versammlung Euro-Nest. Diese Zusammenarbeitsstruktur bringt halbjährlich Parlamentarier*innen der Parlamente der östlichen EU-Nachbarländer Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldau und Ukraine mit Mitgliedern des EU-Parlaments zusammen. Die Arbeitsgruppe Belarus wird gesondert tagen. Die Beziehungen zum Parlament in Belarus sind seit den vom Machthaber Lukashenka gefälschten Wahlen vor vier Jahren und der anschließenden Unterdrückung der Proteste der belarussischen Opposition eingefroren. Es ist wichtig, dass wir seitens der Euronest-Versammlung die Kontakte zu den verschiedenen oppositionellen Parteien, Gewerkschaften und demokratischen Bewegungen in Belarus nicht abreißen lassen. Das 2011 ins Leben gerufene Format ist Teil der einige Jahre zuvor von Polen angestoßenen Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union.

Mit der konkreten Beitrittsperspektive für drei der fünf aktuellen, in der Versammlung vertretenen Nachbarländer und den jüngsten Kriegshandlungen zwischen den übrigen beiden Partnerländern Armenien und Aserbaidschan, gilt es, die Rolle der Versammlung neu auszurichten. Während ein intensiverer parlamentarischer Dialog zwischen den Partnern notwendiger ist denn je, sind die Beitrittsländer Ukraine und Moldau und mit Abstrichen auch Georgien dem Kooperationsangebot der östlichen Partnerschaft bereits in institutioneller Hinsicht entwachsen. Die Versammlung wird sich also auch mit der künftigen strukturellen Ausgestaltung beschäftigen müssen und zugleich Sinn und Zweck dieses ja wichtigen Formats beraten, um auch künftig einen Dialog zwischen den unterschiedlichen politischen Parteien und demokratischen Kräften zu ermöglichen und politisch produktiv zu machen.                                                          

Eines der dominierenden Themen der Versammlung bleibt der andauernde, immer mehr Leid und Zerstörung bringende russische Aggressionskrieg in der Ukraine. Nachdem meine Kollegin Martina Michels bei der letzten Tagung einen Bericht zum Hilfsbedarf für minderjährige Geflüchtete vorgelegt hat, wird es dieses Mal unter anderem um die wirtschaftlichen Folgen des Krieges auf die übrigen Länder der Region gehen. Auch zu den Sicherheitsperspektiven der Region vor dem Hintergrund des Krieges werden die Abgeordneten einen Bericht vorlegen.

Die 12. Euronest-Versammlung ist für Frühjahr 2025 in der Baku, Aserbaidschan geplant. Nachdem das Format in den vergangenen Jahren vom litauischen EVP-Abgeordneten Andrius Kubilius und Ivan Krulko (Ukraine) geleitet und seitens der Linken von Martina Michels, Katerina Konecna (KP Tschechiens) und mir begleitet wurde, ist zu wünschen, dass die Linke den parlamentarischen Beziehungen zu dieser für die Zukunft der EU so wichtigen Region den nötigen Stellenwert gibt. Die vor zwei Wochen organisierte Erweiterungskonferenz der Linksfraktion hat die Schwächen des bisherigen Erweiterungsprozesses aufgezeigt und deutlich gemacht, dass ein stärkeres Engagement der Linken im vom EU-Rat im Dezember 2023 ausgelösten Beitrittsprozess jenseits vor allem geostrategischer Interessen und aktueller sicherheitspolitischer Problemlagen notwendig ist. Insbesondere für die Erörterung und Meisterung der Vielzahl mit einem solchem Beitritt verknüpften Aspekte für die Menschen sowohl in den Kandidatenländern aber natürlich auch in allen 27 EU-Mitgliedstaaten soll es ein positiver Beitritt sein, der die breite Unterstützung der Bevölkerungen erhält und entsprechend einen Verhandlungsfortschritt für bis zu 7 neue Mitgliedschaften bringen kann. Die Politik muss dabei dafür sorgen, dass durch den Beitritt ein Mehr an sozialer und demokratischer Verfasstheit in einer größeren EU erreicht wird. Alles andere droht jene Kräfte in der EU und in den Beitrittsländern zu stärken, die ein Zurück und eine Abwicklung solidarischer und gemeinschaftlicher Verpflichtungen anstreben und einen auf Binnenmarkt und nationale vornehmlich wirtschaftsgeleitete Interessen begrenzten losen Zusammenhang von EU- Mitgliedstaaten fordern. Auf der Strecke blieben das Garantieren und Umsetzen der so wichtigen Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit.

Neben dem INTA wird auch der Ausschuss für konstitutionelle Angelegenheiten (AFCO) am Mittwoch zu einer seiner letzten Sitzungen in der laufenden Legislaturperiode zusammenkommen. Mit einer Abstimmung über den Reformprozess der parlamentarischen Geschäftsordnung sowie einer Anhörung über die "konstitutionellen" Folgen der Zukunftskonferenz, steht die Tagesordnung ganz im Zeichen von den Prozessen, die die letzten zwei Jahre einer intensiven Arbeit des Europäischen Parlaments für stärkere demokratische Untersetzungsmöglichkeiten von EU-Politik  durch die Ausweitung der Mitmachmöglichkeiten von Bürger*innen und Verankerung von Mechanismen im Primär- und Sekundärrecht der EU mit am stärksten geprägt haben und was auch mit einer Belebung der Öffentlichkeitsarbeit und Mitsprache im parlamentarischen Betrieb verknüpft war. Während ersterer eher unseren eigenen parlamentarischen Alltag bestimmt, geht es in der Anhörung ganz konkret um die Empfehlungen der Bürger*innen, weshalb auch ein damaliges Mitglied der Zukunftskonferenz als Expertin geladen worden ist.

Die Arbeit an einem letzten neuen File könnte im Zuge der Sitzung allerdings doch noch einmal beschlossen werden: Es geht um den Vorschlag, ein verpflichtendes Training für Abgeordnete zur Prävention von Konflikten und Belästigung am Arbeitsplatz einzuführen. Selbstverständlich unterstütze ich diese Idee schon seit langem, da jede*r Amtsträger*in und Büroleiter*in eine große Verantwortung – eben auch für die eigenen Mitarbeiter*innen – trägt. Ich habe dieses hoffentlich bald verpflichtende Training schon vor längerer Zeit freiwillig absolviert und kann all meinen Kolleg*innen nur empfehlen: Macht es.

Die vollständige Tagesordnung finden Sie hier. Wer ein Interesse daran hat, die Sitzung und öffentliche Anhörung live zu verfolgen, kann dies ebenfalls tun.

Ich bin gespannt auf die Diskussionen in der kommenden Woche.

Ihr

Helmut Scholz

Auf der Tagesordnung

In der kommenden Woche kommen die EU-Abgeordneten in ihren Fachausschüssen zusammen. Alle Sitzungen werden live übertragen. Hier meine persönlichen Empfehlungen:

 

Mittwoch, 20.03.2024

Parlamentarische Versammlung Euro-Nest 

Anhörung zu konstitutionellen Aspekten der Zukunft Europas 

  • Anhörung zur Forderung des EU-Parlaments nach Vertragsänderungen und der Nachbearbeitung der Konferenz zur Zukunft Europas. Mit Dr. Thu Nguygen, Elisa Gambardella, Prof. Gregor Kirchhof, Prof. Christine Kaddous u.a.  
  • Wann? Mittwoch, 20. März, 15:00-18:30 Uhr 
  • Wie? Das genaue Programm finden Sie hier. Zur Liveübertragung geht's hier.

Sitzung des Ausschusses für internationalen Handel

  • Austausch mit dem Ausschuss für wirtschaftliche Entwicklung des ukranischen Parlaments Rada
  • Wann? Mittwoch, 20. März, 10:30-11:30 Uhr 
  • Wie? Die Sitzung wird wie alle Ausschuss-Beratungen des Europäischen Parlaments online übertragen. Schalten Sie sich hier live zu.

Sitzung des Ausschusses für internationalen Handel

  • Austausch mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur Umsetzung von Arbeitsnormen 
  • Wann? Mittwoch, 20. März, ca. 16:30 Uhr
  • Wie? Schalten Sie sich hier live zu.

 

Donnerstag, 21.03.2024

Sitzung des Ausschusses für internationalen Handel

  • Austausch mit dem Vize-Präsidenten der EU-Kommission Valdis Dombrovskis zur Bilanz der EU-Handelspolitik 2019-2024
  • Wann? Donnerstag, 21. März, 9:00-10:30 Uhr 
  • Wie? Schalten Sie sich hier live zu.

 

Dienstag, 02.04.2024

Guantánamo: Art in Captivity

  • Vernissage der Ausstellung mit Beth Jacob und Mansoor Saad Abdo Adayafi unter Schirmherrschaft von MdEP Stelios Kouloglou 
  • Wann? Vernissage am Dienstag, 2. April um 18 Uhr. Ausstellung vom 2.-5. April 2024
  • Wie? Teilnahme im Yehudi Menuhin-Bereich, Europäisches Parlament in Brüssel. Informationen und Anmeldung hier
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