Wird dieser Newsletter nicht richtig dargestellt? Link zur Online-Version
Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 37, 3. Dezember 2021
Liebe Leserinnen, liebe Leser,

viele von Ihnen werden es bemerkt haben: Mit meinem Newsletter der vergangenen Woche war ich etwas zu optimistisch. Ich hatte sehr ausführlich beschrieben, welche Aufgaben und Herausforderungen vor der 12. Ministerialkonferenz der Welthandelsorganisation WTO stehen, die eigentlich, bereits vom ursprünglichen Tagungsort in Kasachstans Hauptstadt Nur-Sultan 2020 aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben, in dieser Woche am WTO-Sitz in Genf stattfinden sollte.

Auch ich war praktisch schon auf dem Weg nach Genf, Zugtickets und Hotelzimmer bereits gebucht. Und ja, es wäre wichtig gewesen, direkt mit anderen Teilnehmer*innen der Konferenz über die Bekämpfung der Corona-Pandemie und natürlich vor allem die befristete Freigabe der Patente auf Covid-Impfstoffe zu reden. Allerdings war es dann die neue Corona-Variante Omikron, die zu einer Verschiebung der Ministerialtagung führte. Das Risiko, dass bei einem Treffen von Vertreter*innen aus allen Teilen der Welt existiert, war verständlicherweise zu hoch – selbst bei Einhaltung aller Schutzregeln. Und hinzu kam in dieser angespannten Situation auch die unterschiedliche Anerkennung der weltweit unterschiedlichen Impfzertifikate durch Gastgeberland Schweiz (und der EU) und damit erneute schwierige Anreisemöglichkeiten.

Natürlich beraten wir - auch im EP fraktionsübergreifend - derzeit intensiv, wie wir gerade bei dem Thema der Patentfreigabe, wofür gerade wir Linken uns immer wieder nachdrücklich eingesetzt haben, vorankommen. Ich habe deshalb auch auf einer internationalen Pressekonferenz am vergangen Dienstag - virtuell in Genf anwesend - noch einmal bekräftigt: Patentfreigabe jetzt! Ich werde Sie auf dem Laufenden halten.

Dies führt mich zu einem anderen, für mich zentral wichtigen Punkt: Am kommenden Freitag begehen wir weltweit den Tag der Menschenrechte. Die Versorgung aller Regionen und Länder auf unserer einen Welt mit Covid-Impfstoff gehört für mich zu den zentralen Menschenrechten, die gesichert werden müssen. Ohne dabei Abstriche an anderen grundlegenden Rechten zu machen. Und ich sage es ganz offen: Ich habe große Sorge, dass uns die Pandemie bei der ohnehin sehr komplizierten Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele, bei der Wahrung und Umsetzung weiter essentieller Menschenrechte wie Gleichberechtigung, Asyl, Beseitigung des Hungers, Recht auf Wasser und Boden, oder Bildung weiter zurückwirft.

Auf der WTO-Agenda stand übrigens auch die Annahme eines Paktes zur globalen Ernährungssicherheit auf der Tagesordnung - auch ein Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele. Ich werde mich mit meinen Möglichkeiten und Kontakten dafür einsetzen, dass auch über diesen Punkt schnell Einigung erzielt wird. Denn ungeachtet der voraussichtlichen Verschiebung der WTO-Ministerialtagung auf März 2022, wie es jetzt heißt, werden die Verhandlungen in Genf auf Botschafter*innenebene - hoffentlich intensiv - fortgesetzt.

Es gibt aber auch Positives zu berichten, und diesmal aus Berlin: Die designierte Bundesregierung hat sich sehr deutlich des Themas EU-Zukunftskonferenz (CoFoE) angenommen. Immerhin zumindest schriftlich im Koalitionsvertrag. Sie wissen, dass ich mich von Beginn an dafür engagiere, diese Konferenz, die in bislang einzigartiger Weise Institutionen, Parlamente und Bürger*innen zusammenbringt, für wirkliche Veränderungen in der Europäischen Union zu nutzen. Und zwar für Veränderungen im Interesse der Menschen und nicht der Konzerne. So wird am kommenden Wochenende die 2. Bürger*innen-Versammlung zu Aspekten der Demokratie, europäische Werte und Rechtsstaatlichkeit im Hybrid-Modus in Florenz stattfinden. Denn leider musste das für dieses Wochenende vorgesehene Forum zu den Themen Wirtschaft, Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit, Beschäftigung, Bildung in Dublin auch verschoben werden.

Zugleich laufen die Vorbereitungen für die nächste Plenarkonferenz, dem institutionellen Teil von CoFoE, in denen die 500 Konferenzteilnehmer*innen, unter ihnen die jeweils 20 beauftragten Vertreter*innen der vier Bürger*innen-Versammlungen, in neun Arbeitsgruppen nun den Arbeitsprozess intensivieren müssen. Die Zeit läuft. Und gut ist auch, dass neben der eigentlichen Konferenz die EU-weite Debatte um Inhalte, Strukturen und Ausrichtung der EU Fahrt aufgenommen hat - im Ausschuss der Regionen, bei den Gewerkschaften, in Kirchen und konfessionslosen Organisationen, in und zwischen verschiedensten NGOs und gerade auch bei europäischen Jugendorganisationen.

Die zentrale Frage bei der Zukunftskonferenz bleibt für mich, dass sie zu konkreten Vorschlägen, Schlussfolgerungen und damit zu einem Ergebnis kommt und wie dieses dann von den drei Institutionen (und damit natürlich auch den Legislativen und Exekutiven aller 27 EU-Mitgliedsstaaten) in einen Folgeprozess übergeleitet werden und somit in reale Politik umgesetzt wird. Eine Verantwortung, der wir uns alle stellen müssen. Es wird von unserem politischen und gesellschaftlichen Druck, von allen interessierten und sich beteiligenden Menschen in der EU 27 abhängen, dass es so kommt. Denn nichts wäre für die Demokratie in Europa schädlicher, als Menschen mitreden zu lassen, einen wie auch immer komplexen Konsultationsprozess und Dialoge aufzusetzen, wenn ihre Positionen und Forderungen nicht ernst genommen werden und nicht im gemeinsamen Dialog die Umsetzung der Vorschläge und Ideen beraten wird.

Mögliches, Notwendiges und auch nicht Umsetzbares muss besprochen, transparent und in die Gesellschaften kommuniziert werden. Hier liegt auch eine Verantwortung der Medien, der sie sich bislang noch nicht stellen. Auch da fehlt noch Vieles, hin zu einer verantwortungsbewussten und gewollten Vermittlung des so bislang einmaligen, demokratischen Prozesses.

Zurück zum deutschen Koalitionsvertrag - gut, auch aus Sicht der Partei DIE LINKE, dass eindeutig formuliert wird: „Die Konferenz zur Zukunft Europas nutzen wir für Reformen. Erforderliche Vertragsänderungen unterstützen wir“, heißt es darin. Aufforderung an DIE LINKE, sich mit unseren Sichten und Vorschlägen für eine gründliche Renovierung der EU für eine soziale, nachhaltige, solidarische und friedliche Struktur einzumischen, Argumente zu wechseln. Denn dieses klare Votum, die EU auch auf eine neue vertragliche Basis zu stellen, ist ja an sich nur die halbe Miete: es gilt zu benennen und im breiten Dialog herauszuarbeiten, was da zu verändern ist oder weiterentwickelt werden muss.

Mehr dazu, wie es mit der Zukunftskonferenz weitergeht, und zu anderen Themen der kommenden Woche können Sie unten lesen.

Ihr

Helmut Scholz

6.-9. Dezember: Handel mit aller Welt

Der Handelsausschuss (INTA) des Europäischen Parlaments hat nach Inkrafttreten des Lissaboner Vertrages, der den Ko-Gesetzgebern der EU, also Rat und Parlament, die Entscheidungskompetenz übertragen hatte (2009/2010), ständige Arbeitsgruppen gebildet, die ihre Aufmerksamkeit jeweils auf die Handelsbeziehungen der EU zu bestimmten Ländern oder Regionen bzw. auch auf horizontale Gesetzgebungsakte (Daseinsvorsorge im internationalen Rahmen, Handelspräferenz-Regelungen, u. a.) konzentrieren. Diese „Monitoring Groups“, auch mit meinem nachdrücklichen Handeln ermöglicht, werden jeweils von einer*m Abgeordneten geleitet, die/der für das Parlament als ständige*r Berichterstatter*in arbeitet und Verantwortung trägt, begleitet von den sogenannten Schattenberichterstatter*innen aus den jeweils anderen Fraktionen in Ausschuss. Und dort wird auch viel in Diskussionen mit EU-Kommission zum Sachthema, aber auch mit den jeweiligen Botschafter*innen und Interessengruppen investiert. Welche Fraktion für welche Handelsbeziehungen zuständig wird, geht aus einem Aushandlungsprozess zu Beginn der Legislaturperiode hervor, streng nach dem d’Hondt-Verfahren. Alle anderen Fraktionen benennen dann jeweils ihre Schattenberichterstatter*innen.

In der kommenden Woche nutzen wieder viele Monitoring Groups die Gelegenheit, sich vor Jahresende noch einmal zu treffen. Den Auftakt macht die „Monitoring Group Südkorea“. Wie in allen derartigen Beratungen wird hinter verschlossenen Türen („in camera“) die/der zuständige Abteilungsleiter*in der EU-Kommission über die Umsetzung des bestehenden Freihandelsabkommens mit der EU berichten und den Abgeordneten Rede und Antwort stehen.

Die Umsetzung des Abkommens wird auch von einem ständigen Ausschuss der Zivilgesellschaft begleitet, der „domestic advisory group“. Ihr Sprecher wird uns vortragen, ob aus seiner Sicht Südkorea nun endlich die gewerkschaftlichen Rechte garantiert, zu denen es sich bei Vertragsabschluss verpflichtet hat.

Bereits am Nachmittag geht es in die andere Himmelsrichtung: Die Monitoring Group für das südliche Afrika wird sich zum Sachstand der Umsetzung des bestehenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommens (EPA) dieser Region mit der EU informieren lassen. Für die afrikanischen Länder wird der Botschafter von Botswana berichten, für die EU die zuständige Abteilungsleiterin der EU-Kommission.

Eine weitere afrikanische Region mit einem EPA mit der EU sind die südöstlichen Länder von Simbabwe bis Mauritius. Am Dienstagmorgen wird wiederum die Kommission zu den laufenden Verhandlungen über eine Erweiterung dieses EPAs um den Dienstleistungssektor und weitere bisher ausgesparte Wirtschaftsfelder informieren müssen. Während die Zuckerbarone von Mauritius diese Erweiterung stark befürworten, ist in den besonders armen Ländern Mosambik und Simbabwe sehr fraglich, wie das tatsächlich umgesetzt werden könnte - und wem es nutzen würde.

Weitere Monitoring-Groups-Treffen werden sich mit den Verhandlungen zur Gründung eines Multilateralen Investitionsgerichtshofes und mit dem Versuch einer Reform des Energiecharta-Vertrages (ECT) beschäftigen. Dieser Vertrag bietet inzwischen die Grundlage für die Mehrzahl der Klagen von Investor*innen und darauf spezialisierten Anwaltskanzleien gegen Regierungen, wenn sie nach politischen Entscheidungen Schadensersatz wegen enttäuschter Gewinnerwartungen vor Sondertribunalen erstreiten wollen.

Sollte es nicht gelingen, das Vertragswerk so zu überarbeiten, dass es nicht mehr missbraucht werden kann, so schließt nun endlich auch die EU-Kommission nicht mehr aus, dem Beispiel Italiens zu folgen und aus dem Vertrag auszusteigen. Dank einer speziellen Klausel blieben die besonderen Klagerechte dann jedoch leider trotzdem noch für 20 weitere Jahre bestehen.

Komplettiert wird der Reigen im Lauf der Woche mit der Monitoring-Group-Beratung zu den Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich. Die Briten scheinen nicht gewillt zu sein, sich an den Wortlaut ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu halten. Der Streit um den Fisch mit Frankreich spitzt sich immer weiter zu. Noch düsterer sieht es bei der Umsetzung des Nordirland-Protokolls aus.

Perspektivischer und sicherlich konstruktiv wird ein fraktionsübergreifendes Arbeitstreffen von Abgeordneten, die sich in einer „SDG-Allianz“-Arbeitsgruppe der Förderung des Erreichens der UNO-Nachhaltigkeitsziele (SDG) bis 2030 verschrieben haben. Welche Initiativen können helfen, welche Ideen haben wir, um diese Aufgabenstellung in unseren Fraktionen und Ausschüssen zu höherer Priorität zu verhelfen?

7. Dezember: Our Hope for Europe

Am Dienstagabend bin ich gemeinsam mit EU-Kommissarin Dubravka Suica in die Kapelle für Europa in Brüssel eingeladen, um dort zur Konferenz zur Zukunft Europas zu sprechen und Meinungen und Sichten aus dem Blickwinkel der Kirchen kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen. Organisiert von der Konferenz Europäischer Kirchen (CEC) und der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE) geht es den Veranstalter*innen vor allem darum, herauszuarbeiten wie sich auch die europäischen Kirchen proaktiv in die Konferenz einbringen und welchen Mehrwert sie einfließen lassen können. Anfang nächsten Jahres dann wollen die europäischen Kirchen ihre Schlussfolgerungen und Vorschläge zur Zukunft Europas der Konferenz vorlegen.

Interessiert? Sie können die Veranstaltung von 19:00 bis 21:00 Uhr hier mitverfolgen.

10.-12. Dezember: Konferenz zur Zukunft Europas - dritte Sitzung des Forums „Demokratie in Europa, Werte und Rechte, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit“

Vom 10. bis 12. Dezember werden - unter Beachtung aller strengstens einzuhaltenden sanitären Bestimmungen - die 200 Bürgerinnen und Bürger des Panels „Demokratie, Werte, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit“ auf dem Campus des European University Institute in Florenz zur dritten Sitzung zusammenkommen.

Wie schon in der ersten und zweiten Phase ihres Arbeitsprozesses werden die Teilnehmer*innen in 15 Untergruppen aktuelle Themen wie den Schutz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, europäische Werte und Identität, Nichtdiskriminierung, Entscheidungsfindung und die Auswirkungen von Medienfreiheit und Desinformation diskutieren.

Als Beobachter des Exekutivausschusses der Konferenz und Mitglied der Arbeitsgruppe zu Demokratie, Werte, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit werde ich - ausdrücklich als Beobachter - die Vorschläge und Diskussionen der Bürger*innen mit großem Interesse vor Ort mitverfolgen. Auch weil ja am letzten Wochenende vor Weihnachten die dritte Plenarkonferenz dann wieder in Strasbourg gerade auch diese Themen in ihren Arbeitsgruppen selbst vertieft in Angriff nehmen will. Ich freue mich schon über viele informelle Gespräche mit Bürger*innen am Rande der Sitzung.

Auch Sie können sich hier nach einmaliger Registrierung die Vorschläge und Prioritäten der diskutierenden Bürger*innen anhören.   

Facebook  Twitter  YouTube
DIE LINKE im Europaparlament

Büro in Brüssel
Europäisches Parlament
ASP 02G354
Rue Wiertz 60
B-1047 Brüssel
Telefon: +32 228-45 89 3
Telefax: +32 228-49 89 3
helmut.scholz@ep.europa.eu

Büro des Europaabgeordneten Helmut Scholz in Berlin
Postanschrift:
Helmut Scholz MdEP
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Besuchsanschrift:
Unter den Linden 50
10117 Berlin
wk@helmutscholz.eu

Europa- und Bürgerbüro Rostock
Kröpeliner Straße 24
18055 Rostock
Telefon: 0179 758 41 26
wk@helmutscholz.eu

Europa- und Bürgerbüro Schwerin
Martinstraße 1A
19053 Schwerin
Telefon: 0179 758 41 26
wk@helmutscholz.eu

Europa-Wahlkreisbüro Frankfurt (Oder)
Zehmeplatz 11
15230 Frankfurt (Oder)
Telefon: 0151-53 69 84 15 und 03563-99 93 92 6
wk@helmutscholz.eu

Europäisches Regionalbüro Spremberg
Europejski regionalny běrow Grodk
Bauhofstraße 1
Twaŕski dwór 1
03130 Spremberg
03130 Grodk
Telefon: 0151-53 69 84 15 und 03563-99 93 92 6
wk@helmutscholz.eu

Wenn Sie diesen Newsletter nicht weiter beziehen wollen, können Sie hier ihre E-Mail-Adresse aus dem Verteiler austragen