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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 56, 29. April 2022
Liebe Leserin, lieber Leser,

erneut muss ich um Verständnis bitten, dass Sie dieser Newsletter erst am Sonnabend erreicht; denn wenn Sie diesen Newsletter lesen, befinde ich mich noch bei der abschließenden Plenarkonferenz zur Konferenz zur Zukunft Europa, deren offizieller Abschluss am 9. Mai, dem Europatag, in greifbarer Nähe liegt. Das erste in der Geschichte EU-weite demokratische Projekt einer gemeinsamen Beratung von Bürger*innen und EU-Institutionen hat wichtige Schlussfolgerungen und Vorschläge vorgelegt - ein 48 Seiten umfassendes Dokument, mit 49 Zielsetzungen und untersetzt mit 305 konkreten Vorschlägen in 9 Kapiteln. Wenn Sie meine Beiträge in den bisherigen Newslettern zur Zukunftskonferenz evtl. gelesen haben, dann war dieses Ergebnis nicht unbedingt – bei allem Optimismus – so zu erwarten gewesen. Die den Bürger*innen zugewandte und auf ihre Arbeit ausgerichtete Arbeitsweise hat sich letztlich ausgezahlt. Bei Berücksichtigung aller Unterschiedlichkeit, und sicherlich teilen europäische linke Parteien und Kräfte in ihrer ja auch faktischen Diversität nicht uneingeschränkt alle Ansichten und konkreten Vorschläge oder sehen sie auch andere Wege im konkreten europäischen Politikbezug zur Erreichung von gleich lautenden Zielen, ist aber das weitreichende und zugleich jetzt in Angriff zu nehmende Arbeitsprogramm, dass die Konferenz nun der EU vorschlägt, ein Auftrag, dem wir uns ab sofort hinsichtlich seiner Übersetzung in konkretes Handeln stellen müssen. Und ich persönlich werde es sehr gerne angehen. Denn die Problemlagen rufen einfach nach Einmischung. Es geht um unsere Zukunft und viele Lösungen müssen gemeinsam im Europäischen Miteinander gefunden und umgesetzt werden.

Bereits in der kommenden Woche wird es während der Plenarsitzungswoche einen Tagesordnungspunkt zum Thema geben, und das Europäische Parlament bereitet noch vor dem 9. Mai eine Resolution vor, mit der klaren Forderung nach einem Konvent zur weiteren Umsetzung der Schlussfolgerungen der Zukunftskonferenz COFE. Erinnern Sie sich an diese Abkürzung: sie wird noch des Öfteren im Newsletter auftauchen. Diese Forderung ist auch im Europäischen Parlament natürlich nicht unumstritten – gerade die rechtskonservativen Abgeordneten aus Polen, Ungarn, Frankreich und auch die rechtsextreme Fraktion ID mit der AfD lehnen dies ab. Also wird eine lebendige, vorsichtig ausgedrückt, Debatte und Abstimmung zu erwarten sein. Abgeordnete aus unserer Fraktion werden intensiv die Diskussion suchen, wie die Linksfraktion im Europaparlament sich dieser Herausforderung stellen kann und will. Gerade auch weil es um viele institutionelle und strategische Weichenstellungen in Bezug auf die EU geht. Was aber aus linker Sicht klar sein muss und was ich in meinen vergangenen Newslettern und an anderer Stelle immer wieder betont habe und auch in der Debatte nochmal hervorheben werde: Wir müssen als Parlament Druck auf die Kommission und vor allem den Rat ausüben. Sie können sich den vielen guten Vorschlägen der Bürger*innen und den Forderungen nach Vertragsänderungen nicht verschließen. Wer immer nur im eigenen Dunst der nationalstaatlichen Grenzen denkt und die Menschen bei Gestaltung von Politik außen vorlässt, aus Angst die nächste Wahl zu verlieren, der*die gewinnt in aller erster Linie Politikverdrossenheit und eine Zunahme von Nichtwähler*innen.

Eine der Forderungen der an der Zukunftskonferenz beteiligten Bürger*innen ist der Ausbau des Schutzes von Arbeitnehmer*innen. Dazu gehört unter anderem ein EU-weiter Mindestlohn, aber auch die Anhebung des Mindestlohns in Deutschland. Dafür setzt sich DIE LINKE sowie zahlreiche Gewerkschaften seit Jahren ein. Erst ab 13 Euro in der Stunde kann erreicht werden, dass Vollzeitarbeit unabhängig von staatlichen Leistungen die Existenz einer alleinstehenden Person sichert und Beschäftigte im Alter nicht auf Grundsicherung angewiesen ist. In den Bundestag wurde in dieser Woche seitens des SPD-Ministers Hubertus Heil ein Gesetzesentwurf zur Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro eingebracht, was nun noch debattiert werden muss. Aber das reicht natürlich bei weitem nicht. Und deswegen wird am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, auch wieder laut und deutlich auf der Straße in allen Teilen Deutschlands und anderen Staaten demonstriert. Ich hoffe auf eine rege Beteiligung!

 

Ihr

Helmut Scholz

2. Mai: Reform des Wahlrechts der Europäischen Union

Auf der Tagesordnung der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments steht unter anderem die Reform des Wahlrechts der Europäischen Union. An diesem wichtigen Dossier arbeitet der Verfassungsausschuss seit eineinhalb Jahren. Das Europaparlament besitzt hier das Initiativrecht und muss seine Entscheidung dann mit dem Ko-Gesetzgeber, dem EU-Rat, in eine gemeinsame Gesetzesfassung bringen. Es sind einige weitreichende Neuerungen vorgesehen:

Erstmals sollen 28 Sitze des EP mittels transnationaler bzw. unionsweiter Listen besetzt werden. Diese kommen zu den aktuellen 705 Sitzen hinzu. Die unionsweiten Listen setzen voraus, dass Kandidat*innen aus mindestens 14 verschiedenen Mitgliedstaaten auf ihnen vertreten sind. Wahlberechtigte erhielten eine zweite Stimme, womit sie die transnationalen Listen von jedem Mitgliedstaat aus wählen könnten (EU-weiter Wahlkreis). Auf dem ersten Platz der transnationalen Listen muss der*die jeweilige Spitzenkandidat*in positioniert sein. Auch soll ein durchaus gewollt transparentes, aber zugegeben kompliziertes System bei der Listenaufstellung gewährleisten, dass Kandidat*innen kleinerer Mitgliedstaaten hinreichend vertreten sind.

Des Weiteren sollen die Listen für die Europawahl entweder nach dem Prinzip „abwechselnd ein Mann, eine Frau“ oder mittels einer selbstgesetzten Frauenquote aufgestellt werden. Wir als Linke haben das bereits lange, aber das ist leider in vielen Mitgliedsstaaten noch keine Selbstverständlichkeit.

Eine weitere Neuerung ist eine verpflichtende 3,5%-Hürde. Diese soll allerdings nur für Mitgliedstaaten mit mindestens 70 Sitzen im EP gelten. Deutschland ist demnach betroffen. Ausgenommen von dieser Hürde sind lediglich Parteien von nationalen Minderheiten und Parteien, die in mindestens 7 Mitgliedstaaten zur Wahl angetreten sind und mindestens 1 Mio. Stimmen bei der Europawahl auf sich vereinen konnten. Problematisch ist allerdings die neue 3,5%-Hürde für kleine Parteien in Deutschland. Abhilfe kann hier nur noch ein gezielter Änderungsantrag schaffen. Ansonsten werden kleine Parteien wie DIE LINKE nicht mehr im Europäischen Parlament vertreten sein.

Und zu guter Letzt beinhaltet die Reform, den Europatag (9. Mai) als einheitlichen Wahltag in allen Mitgliedsstaaten festzulegen.

Auch wenn die Wahlrechtsreform nächste Woche im Plenum angenommen wird, steht es noch in den Sternen, ob sie bereits für die anstehenden Europawahlen in 2024 angewandt werden kann. Denn zunächst wird es Verhandlungen mit dem Rat, also den Mitgliedsstaaten, geben und dann müssen alle Neuerungen noch in nationales Recht umgesetzt werden.

Möchten Sie die Debatte live mitverfolgen? Das können Sie hier auf der Website des Europäischen Parlaments.

5. Mai: Ukraine-Krieg - sicherheitspolitische Auswirkungen auf Belarus

Am Donnerstagmorgen treffen sich alle Abgeordneten, die Mitglied der Delegation für die Beziehungen mit Belarus sind. Bei diesem Treffen werden wir uns mit den sicherheitspolitischen Auswirkungen der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine auf das Land Belarus befassen. Die schwierige Situation in Belarus ist leider durch den Ausbruch des Ukraine-Krieges etwas in Vergessenheit geraten und auch alle meine Bemühungen, die politischen Gefangenen Nadzeya und Uladzimir Kalač, für die ich eine politische Patenschaft übernommen habe, freizubekommen, waren bislang vergeblich. Die beiden, Frontsängerin und Sänger und Dudelsackspieler der Folk-Rock-Band Irdorath, sind im August 2021 wegen Landfriedensbruch festgenommen worden, weil sie die friedlichen Protestmärsche mit Dudelsäcken musikalisch begleitet haben. Deswegen begrüße ich die Einberufung dieser Aussprache in Anwesenheit von Dirk Schübel, dem Leiter der EU-Delegation in Belarus, Franak Viacorka, Politischer Chefberater von Svetlana Tichanovskaja, András Racz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Ben Schreer, Geschäftsführender Direktor des Internationalen Instituts für Strategische Studien. Dies ist auch erneut eine gute Gelegenheit, die Freilassung aller inhaftierten Gewerkschafter*innen aus der Haft zu fordern.

Konferenz zur Zukunft Europas: Bevorstehender Abschluss

Die Konferenz zur Zukunft Europas tritt in ihre abschließende Phase. Mittlerweile liegen die Ergebnisse aller neun Arbeitsgruppen vor. Sofern die anstehende Plenarversammlung vom 29./30. April 2022 alle Vorschläge verabschiedet, werden diese vollständig in den Abschlussbericht übernommen. Dieser soll neben einem deskriptiven Teil zum Konferenzprozess auch alle Empfehlungen aller 4 Bürger*innen-Versammlungen enthalten. Der Exekutivausschuss wird den Abschlussbericht dann voraussichtlich auf einer Sitzung am 6. Mai 2022 beschließen. Und auf einer Abschlussveranstaltung am Europatag (9. Mai) soll der Bericht den drei Präsident*innen von EP, Kommission und Rat übergeben werden. Diese wollen außerdem eine Gemeinsame Erklärung abgeben, in der sie sich zur Umsetzung der Vorschläge bekennen. Wir Abgeordnete bestehen darauf, dass diese Erklärung die Forderung nach Vertragsänderungen und der Einberufung eines Konvents enthalten muss.

Einige der Forderungen können im Rahmen von gezielten Maßnahmen umgesetzt werden, für andere braucht es allerdings Änderungen des EU-Rechts. Schätzungen von Expert*innen besagen, dass etwa zwölf Prozent der Vorschläge Vertragsänderungen erfordern. Dies betrifft insbesondere die institutionellen Reformen wie etwa die Stärkung der Kompetenzen des EP, Bürger*innenbeteiligung/EU-Referenden, Umbenennung der Institutionen, Art. 7 EUV zur Rechtsstaatlichkeit sowie zusätzliche EU-Kompetenzen in den Bereichen Soziales, Bildung, Gesundheit, Steuern und Energie.

Das EP arbeitet zudem an einer Entschließung, die in der Plenarsitzung vom 2. bis 5. Mai verabschiedet und in der die Konferenz und ihre Ergebnisse begrüßt und zu ihrer Umsetzung aufgerufen wird. Geplant ist zudem, dass bis Anfang Juni 2022 der zuständige Ausschuss für konstitutionelle Angelegenheiten (AFCO) einen legislativen Initiativbericht ausarbeitet, der Bereiche für Vertragsänderungen skizziert und die Eröffnung des Verfahrens nach Art. 48 EUV (Änderung der Verträge) offiziell einfordert.

Die Frage der Vertragsänderungen soll anschließend am 23./24. Juni 2022 vom Europäischen Rat beraten werden. Dabei sind schwierige Diskussionen zu erwarten. Für die Einberufung eines Konvents bedarf es zwar formal der einfachen Mehrheit im Rat, aber viele Mitgliedstaaten, nicht zuletzt die nächste tschechische Ratspräsidentschaft, stehen der Frage skeptisch gegenüber. Auch zahlreiche weitere Mitgliedstaaten aus Nord- und Osteuropa lehnen diese (bisher noch) ab. Es bleibt also spannend, wie es mit den Ergebnissen der Konferenz weitergeht!

Wie finden Sie diesen Newsletter?

Dieser Newsletter ist bereits die 56. Ausgabe. Bereits mit meinem 54. Newsletter wollte ich von Ihnen erfahren, was ich ggfs. noch ausbauen, verbessern, anders machen sollte, damit mein wöchentlicher Ausblick auf die kommende Woche nicht an Spannung und Informationsgehalt verliert. Ich freue mich über weiteres Feedback im Rahmen dieser kleinen Umfrage.

Vielen Dank!

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