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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 70, 16. September 2022
Liebe Leser*innen,

eine intensive Plenarwoche liegt hinter mir, in der ich viele Debattenbeiträge gehört habe, die zum Nachdenken anregten. Von der groß angekündigten Rede zur Lage der Union von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war ich hingegen enttäuscht. Sie wurde nur selten konkret in ihren Ankündigungen. Vor allem aber scheint sie überhaupt kein Gespür dafür entwickelt zu haben, wie sehr Menschen und Unternehmen in der EU inzwischen unter den Teuerungen leiden. Als die Co-Vorsitzende unserer Linksfraktion Manon Aubry in ihrem Redebeitrag die sehr stark gestiegene Rechnung hochhielt, die eine alleinerziehende Mutter in ihrem Wahlkreis gerade von ihrem Gasversorger erhalten hatte und die Kommissionspräsidentin aufforderte, endlich etwas gegen die Notsituation der Menschen zu unternehmen, antwortete von der Leyen ihr nur kalt, sie solle die Gasrechnung doch nach Moskau schicken, denn Moskau sei schließlich an den hohen Preisen schuld.

Der Kommission selbst ist zur Senkung der Gaspreise bislang nur eingefallen, mit Norwegen zusammen eine Arbeitsgruppe einzurichten, die darüber beraten soll, wie man denn den Gaspreis mal senken könnte. Ich erlaube mir den Hinweis, dass inzwischen nur noch 9 Prozent des in die EU importierten Gases aus Russland stammen.

Wenigstens beim Strommarkt kündigte von der Leyen an, in den Markt einzugreifen und die überhöhten Gewinne gewisser Konzerne abzuschöpfen und zu deckeln. „In diesen Zeiten müssen Profite geteilt und an jene kanalisiert werden, die es am meisten benötigen.“ sagte Ursula von der Leyen. Hört, hört! Der entsprechende Kommissionsvorschlag soll den Mitgliedstaaten 140 Milliarden Euro zur Umverteilung einbringen.

Erfreut nahm ich auch zur Kenntnis, dass die Kommissionspräsidentin in Hinsicht Ergebnisse der Konferenz über die Zukunft Europas unserer Aufforderung folgt, eine Reform der Verträge einzuleiten. „Wie es dieses Parlament gefordert hat, halte ich den Moment für gekommen für einen Europäischen Konvent.“, verkündete sie.

Die gesamte Rede finden Sie hier.

Jetzt fehlt noch die Zustimmung des Rates, der im November mit einfacher Mehrheit beschließen könnte, den Vertragsänderungskonvent laut Artikel 48 der EU-Verträge einzuberufen. Die Bundesregierung hat ihre Zustimmung im Koalitionsvertrag stehen, doch Außenministerin Baerbock scheint abzurücken.

Doch blicken wir in die kommende Woche. Ab Freitag beginnt für mich eine intensive Reisezeit. Mit einer Delegation des Handelsausschusses des Europaparlaments reise ich nach Australien. Die Anreise nach Canberra wird 48 Stunden dauern. Die EU ist in fortgeschrittenen Verhandlungen mit Australien über ein umfassendes Freihandelsabkommen. Damit die extrem lange Reisezeit mehr Sinn macht, geht es von Canberra und Sydney gleich weiter nach Neuseeland. Das gerade fertig verhandelte Freihandelsabkommen mit Neuseeland wird uns diesen Herbst zur Ratifizierung durch Rat und Europaparlament vorgelegt werden. Von Neuseeland reise ich dann gleich weiter nach Genf, um dort die Delegation des Parlaments zur größten Diskussionsveranstaltung der Welthandelsorganisation zu leiten. Auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung wird dort mit einer Veranstaltung präsent sein und zudem parallel in Genf ein gewerkschaftliches Forum organisieren. Doch dazu im nächsten Newsletter mehr.

Ich wünsche Ihnen wie immer eine interessante Lektüre.

 

Ihr Helmut Scholz

19. September: Programmbeginn - INTA Delegation nach Australien

In Canberra treffen wir zunächst die künftige EU-Botschafterin Gabriele Visentin, um von ihr ein Briefing über den Stand der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zu erhalten und über die Stimmung im Land nach dem Wechsel an der Regierung nach den letzten Wahlen. Danach werden wir noch Positionen von einigen Botschaften von EU-Mitgliedstaaten hören.

Die Verhandlungen haben schon 2018 begonnen. Bislang gab es 12 Verhandlungsrunden. Australiens Bruttosozialprodukt ist fast so groß wie das von Brasilien oder Russland und auf Platz 13 in der Welt. Große Teile der Bevölkerung stammen aus Europa und europäische Waren und Dienstleistungen dürfen dort auf große Nachfrage hoffen. Das Land ist bereits Mitglied großer Handelsabkommen im ostasiatischen, südostasiatischen und pazifischen Raum und könnte für die EU ein interessanter Brückenpartner sein.

Statistiken zum Handel der EU mit Australien finden Sie hier.

Obwohl die Verhandlungen gleichzeitig mit Neuseeland begannen, konnten sie nicht ebenfalls bereits zum Abschluss geführt werden. Ins Stocken gerieten sie zum einen politisch, nachdem Australien einen U-Boot-Deal mit Frankreich platzen ließ und stattdessen den AUKUS-Vertrag über U-Boot-Lieferungen mit den USA abschloss. Zum anderen hielt die inzwischen abgewählte, konservative Regierung nichts von Kapiteln für Klimaschutz-Kooperation in dem Abkommen. Die alte Regierung stützte sich auf das Geld und den Einfluss der Kohle-Exporteure. Auf europäischer Seite kommt eine große Skepsis der Bauernverbände hinzu, ob Australien bei Rindfleisch und Lammfleisch nicht eine zu große Konkurrenz für die heimische Produktion werden könnte.

Als weitere Streitfragen gelten der Schutz geografischer Ursprungsbezeichnungen (griechischer Feta, Thüringer Bratwurst, etc.), was von australischen Herstellern bislang gern zur Vermarktung genutzt wurde, sowie der Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen auf nationaler Ebene und in den Föderalstaaten.

Ich bin gespannt, ob die neue Labour-Regierung kompromissbereiter sein wird als die alte. Wir werden sie treffen. Mittags beginnen wir jedoch zunächst mit Gesprächen mit Mitgliedern des Australischen Parlaments aus dem Handelsausschuss und dem Ständigen Ausschuss für Abkommen (JSCOT). Dann treffen wir Alison Burrows, Chefunterhändlerin Australiens für das Freihandelsabkommen, und schließlich auch Handelsminister Don Farrell selbst. Nach einem Gespräch mit der australischen Botschafterin im Parlament in Strasbourg am letzten Mittwoch scheint klar zu sein, dass Australien einem Abkommen nur dann zustimmen wird, wenn es einen gesichtswahrenden Abschluss für die landwirtschaftlichen Exporte des Landes beinhaltet. Der Vergleichswert im Abkommen der EU mit Neuseeland sei dafür nicht ausreichend.

Am späten Nachmittag werden wir in der Australischen Nationalen Universität an einem Runden Tisch teilnehmen, bei dem uns Frauenorganisationen und Organisationen der indigenen Bevölkerung Australiens ihre Positionen zu diesem Handelsabkommen mitteilen werden. Abends fliegen wir für weitere Gespräche weiter nach Sydney.

20. September: Beratungen und Termine in Sydney

An der Universität von New South Wales werden wir uns auf den neuesten Stand der australischen Forschung zur Solarindustrie bringen lassen. Dies steht auch im Zusammenhang mit der angedachten Kooperation in der Erzeugung von grünem Wasserstoff für Europa durch Australien.

Politische Treffen des Tages bringen uns mit dem handelspolitischen Sprecher der Opposition, Kevin Hogan, sowie der Staatssekretärin für Klimawandel und Energie, Jenny McAllister, zusammen. Aus diesem Themenbereich werden wir an Nachmittag noch Organisationen aus der Zivilgesellschaft und den Australischen Gewerkschaftsdachverband ACTU treffen. Besonders freue ich mich auf ein Treffen mit dem Australian Fair Trade Investment Network. Danach gibt es noch einen Runden Tisch mit dem Australischen Unternehmensverband und einigen europäischen Handelskammern, bevor ich den Abend mit einem Bummel durch den Hafen und Blick auf die Sydney Harbour Bridge und die berühmte Oper ausklingen lassen darf.

21. September: Weiterreise nach Neuseeland

Das klingt so nah, doch der Flug von Sydney nach Wellington dauert 5 Stunden. Am späten Nachmittag setzen wir die Arbeit fort mit einem Briefing durch EU-Botschafterin Nina Obermaier.

Premierministerin Ardern und Kommissionspräsidentin von der Leyen hatten am 30. Juni in Brüssel den Abschluss der Verhandlungen bekanntgegeben. Aus meiner Sicht ist es das EU-Handelsabkommen, dass in den Bereichen Umweltschutz und Schutz der Rechte von Arbeitnehmer*innen bislang die stärksten Paragrafen beinhaltet. Es gibt ein eigenes Kapitel über Handel und Frauenförderung. Zudem akzeptierte die EU ein Kapitel, dass speziell den Rechten und der Förderung der Maori in den Handelsbeziehungen gewidmet ist. Das Abkommen enthält kein ISDS-Sondertribunal für Klagen von Investor*innen gegen Regierungen. Der Handelsteil entspricht ansonsten den Standard-Ansprüchen beider Seiten und sieht gute Absicherung der Qualität und Gesundheitskontrolle von Produkten vor.

Unternehmen aus der EU können künftig Autos, Maschinen, Chemie und Medikamente, Schuhe und Textilien zollfrei nach Neuseeland verkaufen. Im Agrarbereich haben beide Seiten ihre Sensibilitäten benannt und abgesteckt. Die neuseeländischen Farmer waren allerdings laut ihres Verbands eher enttäuscht vom Ergebnis.

Den Text des Abkommens finden Sie hier (bislang nur in englischer Sprache).

Abends essen und diskutieren wir mit Außenministerin Nanaia Mahuta, Handelsminister Phil Twyford und dem Staatssekretär für Handel und Exportwachstum Rino Tirikatene.

22. September: Treffen mit Abgeordneten und Zivilgesellschaft Neuseelands

Schon ab 07:30 Uhr beginnen unsere Gespräche mit den neuseeländischen Abgeordneten aus dem für Außenpolitik, für Handel und für Verteidigung zuständigen Ausschuss. Im Anschluss haben wir einen Termin mit dem für Klimawandel zuständigen Minister James Shaw. Das Thema spielt im Inselstaat Neuseeland eine sehr große Rolle. Wir werden dazu auch einen speziellen Vortrag der Klimawandelkommission von Neuseeland erhalten, in dem es um den Nexus von Klimawandel und Handel gehen wird.

Ein Runder Tisch für Gespräche mit Maori-Organisationen und ein Treffen mit dem Gewerkschaftsdachverband NZCTU setzen den Tag fort.

Abends werden wir noch Michael Wood treffen, Minister für Sicherheit und Verhältnisse am Arbeitsplatz. Er wird uns beschreiben können, was Neuseeland hierzu in den Verhandlungen an Neuerungen durchsetzen konnte, aber auch welche Grenzen für die EU-Kommission noch bestanden. Phil Twyford treffen wir dann noch einmal gesondert.

Am späten Nachmittag treffen wir die Botschaften von EU-Mitgliedstaaten und es folgt, man höre und staune, ein Abend zur freien Gestaltung. Das gilt dann natürlich auch für meine Fraktionsmitarbeiterin Cecilia Olivet, die mich ja sonst während der ganzen Reise unterstützen wird.

23. September: abschließender Tag

Der Freitag ist mehreren Diskussionsveranstaltungen mit der Zivilgesellschaft und mit Verbänden aus Wirtschaft und Industrie gewidmet. Es wird auch eine Webinar-Konferenz geben, bei der sich europäische Unternehmen zuschalten können. Ich denke wirklich, dass wir am Ende des Programms umfassend informiert sein werden. So gerüstet werden wir unsere Arbeit an der Prüfung des Abkommens vor seiner Ratifizierung vornehmen können.

Den Abschluss bildet eine Hafenrundfahrt mit einer elektrisch betriebenen Fähre. Die Technologie stammt aus Dänemark, und während wir durch den Hafen schippern, werden wir eine Präsentation zum Thema Grüner Überseetransport und -fracht erleben.

Am Samstag werde ich dann noch einen Tag für mich in Wellington und Umgebung verbringen können, bevor ich Sonntagmorgen die lange Reise zur nächsten Konferenz bei der WTO in Genf antreten werde, bei der ich die Delegation des Handelsausschusses diesmal als dienstältestes Ausschussmitglied leiten werde. Was dort ansteht, können Sie dann im nächsten Newsletter lesen.

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