Wird dieser Newsletter nicht richtig dargestellt? Link zur Online-Version
Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 89, 10. Februar 2023
Liebe Leser*innen,

in dieser Woche sind meine Gedanken bei den Menschen in der Türkei und in Syrien, die von der schrecklichen Erdbebenkatastrophe betroffen sind. Und auch ich befürchte, dass die Zahl der Opfer noch weiter steigen kann. Angesichts der massiven Zerstörungen ist schnelle, umfassende internationale Hilfe dringend notwendig. Wir als Europäisches Parlament werden am Montag gleich zu Beginn unserer Plenarwoche darüber beraten, welche Hilfen bereitgestellt werden und was wir dazu beitragen können. Wir als Delegation DIE LINKE. im Europaparlament haben in der vergangenen Woche gleich unsererseits Spenden und auch weitere politische Schritte vereinbart. Denn was an dieser Stelle leider auch gesagt werden muss: Dass der türkische Präsident Erdogan selbst in dieser fürchterlichen Situation Angriffe auf kurdische Regionen fortsetzen lässt, ist für mich an Zynismus kaum zu überbieten. Und auch die Situation in Syrien macht eine schnelle Hilfe für die betroffenen Menschen nicht nur schwer, sondern zugleich dringlich und darf nicht politisch missbraucht werden.

Ebenfalls in dieser Woche hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Westeuropa besucht. Es war seine zweite Auslandsreise seit dem russischen Kriegsbeginn vor einem Jahr – im Dezember war der Staatschef in Washington zu Gast. In London bei Gesprächen mit Premier Sunak, in Paris bei der Begegnung mit Präsident Macron und Bundeskanzler Scholz, auf dem EU-Gipfel und vor dem Europaparlament – immer ging es um die Lieferung weiterer schwerer Waffen an Kiew. Nach der Bereitstellung von Panzern für die Ukraine war der Ruf selbst nach Kriegsschiffen und Kampfflugzeugen zu erwarten, ja zu befürchten.

Die russische Aggression in der Ukraine bringt jeden Tag aufs Neue Tod, Leid und Zerstörung für die Menschen mit sich. Übrigens auf beiden Seiten der Grenze – in dieser Woche soll der bislang blutigste Tag für die russischen Truppen gewesen sein. Das bedeutet auch Tausende russische Eltern, die ihre Söhne verlieren und ebenso wie die ukrainischen Mütter und Väter trauern. Nein, auch ich sehe keine ganz schnelle Lösung, wie dieser Krieg schnell beendet werden kann. Aber ich weiß, dass es nicht mit immer mehr, immer zerstörerischen Waffen geschehen kann. Zumal, das wiederhole ich, ein Sieg auf dem Schlachtfeld keinen dauerhaften Frieden begründet, das lehrt uns die Geschichte. Diplomatie, und sei es über den Umweg über andere Länder, über internationale Organisationen und inoffizielle Kanäle, über Sicherheitsangebote sowohl für Kiew, als auch für Moskau ist gefragt. Gerade von der Bundesregierung, die in der Vergangenheit immer wieder ihre Vermittlerrolle in Konflikten hervorgekehrt hat – und diese nun im Falle des Ukrainekriegs offenbar vollkommen aufgibt.

Lassen Sie mich noch einige Sätze zu der Frage sagen, ob, und wenn ja, wann, die Ukraine Mitglied der EU werden könnte. Die EU-Seite, wie auch Parlamentspräsidentin Roberta Metsola am Donnerstag, hat sich offensichtlich auf die Sprechregelung vom „schnellstmöglichen EU-Beitrittsprozess“ geeinigt. Wohl wissend, dass eine Aufnahme der Ukraine wohl noch in weiter Ferne steht. Selbst bei einem schnellen Beginn der Beitrittsverhandlungen, wie vom ukrainischen Präsidenten Zelenskyi am Donnerstag letzter Woche beim EU-Sonder-Ratstreffen noch für 2023 gefordert, dürfte der Beitrittsprozess noch Jahre dauern. Denn die Hürden sind hoch – politisch und ökonomisch. Das haben nicht zuletzt die osteuropäischen Staaten erfahren, die für ihre Mitgliedschaft durch die dafür notwendigen strukturellen Anpassungen mit wirtschaftlichen Verwerfungen und massivem Sozialabbau bezahlten. Die Ukraine dürfte es bei einer Aufnahme noch ungleich härter treffen. Weil Kiew – noch stärker als vor dem russischen Angriffskrieg – finanziell am Tropf der Europäer hängt, und weil die Ukraine vom Beitrittskriterium einer "funktionierenden Marktwirtschaft" weit entfernt ist. Nicht zuletzt, weil die Rechtsstaatlichkeit stark zu wünschen übrig lässt. Und das betrifft nicht nur die auch in Kriegszeiten weiter blühende Korruption (übrigens auch auf Kosten von EU-Geldern), sondern ebenso die Gewährleistung demokratischer Grundrechte, um die es schon vor dem russischen Überfall schlecht bestellt war.

Zu einem anderen Thema: Die Europawahlen im Frühjahr kommenden Jahres nähern sich mit großen Schritten. Und das heißt für uns als Linke, uns zu positionieren, mit welchen Ideen, Vorstellungen und Konzepten wir für ein künftiges, anderes Europa antreten. In der vergangenen Woche hatten wir bei unserem Presseempfang bereits Gelegenheit, uns dazu mit Journalist*innen – zwei Dutzend Medienvertreter*innen verschiedener Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehsender waren unserer Einladung gefolgt – auszutauschen. Das Interesse an der Frage, wie wir Linke uns im Wahlkampf aufstellen, ist offensichtlich groß.

Und sicher nicht nur bei den Medien. In dieser Woche war die LINKE-Politikerin Simone Oldenburg, die in Mecklenburg-Vorpommern Stellvertreterin der Ministerpräsidentin sowie Ministerin für Bildung und Kindertagesförderung ist, bei uns in Brüssel zu Gast. Sie wollte sich informieren, welche Impulse "Europa" für dieses Politikfeld in Mecklenburg-Vorpommern liefern kann. Und nicht zuletzt wird es am Wochenende beim Parteivorstand auch um die weitere Vorbereitung der Europawahlen gehen. Wie Sie vielleicht noch wissen, haben wir als Delegation im Europaparlament gemeinsam mit anderen LINKE-Politiker*innen einige wichtige Punkte festgeklopft. Zu den Themen, für die sich die Linkspartei, nicht nur im Europawahlkampf engagieren muss, gehören für uns neben einer zukunftsfähigen Umwelt- und Klimapolitik die Entlastung der Menschen in der gegenwärtigen Inflation – dazu gehören für uns ganz ausdrücklich Mieten- und Energiepreis-Deckelung – der Kampf gegen Ausgrenzung und Rechtsextremismus, für eine menschenwürdige Asylpolitik und eine konsequente Demokratisierung der EU, das Zusammenbringen von repräsentativer und partizipativer Demokratie … das sind nur einige Punkte. Wenn Sie mehr wissen wollen, lesen Sie gern hier noch einmal nach: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168242.die-linke-und-europa-kickstart-in-den-wahlkampf.html?sstr=Sattler

Aber auch im Parlament selbst werden bereits Weichen für die nächste Legislatur gestellt. Noch setzen wir uns nach wie vor für eine neue EU-Wahlgesetzgebung ein. Die Parlamentsposition ist fast ein Jahr fertig - allein der EU-Rat kann sich bislang nicht wirklich durchringen, eine großen Schritt in Richtung gemeinschaftliche Reglungen zu gehen und verharrt lieber beim klein-klein einer 27fach nationalen Wahlregelung. Das ist schon enttäuschend, denn was wir bis zum Juni d.J. spätestens nicht geregelt haben heißt eben auch: Es bleibt beim Alten.

Seit vergangener Woche bin nun für die Fraktion auch der Vertreter in der neu bei der Parlamentspräsidentin geschaffenen Arbeitsgruppe „Parlament 2024“. Diese soll nach dem Korruptionsskandal um die ehemalige Vizepräsidentin Kail sich mit grundlegenden Aspekten der Arbeit des Europaparlaments beschäftigen. Arbeitsweise, Transparenz, parlamentarische Diplomatie und Auswärtige Beziehungen, Budget, ... und wie dies künftig neu und besser geregelt werden sollte um auch Glaubwürdigkeit und Vertrauen neu aufzubauen und zu stärken.. Eine spannende Aufgabe, die jedoch einiges an Zeit in Anspruch nehmen wird.

Was sonst noch an wichtigen Terminen in der kommenden "Strasbourg-Woche" und in Sachen Europa ansteht, lesen Sie wie stets unten.

Ihr

Helmut Scholz

 

Montag, 13. Februar - REPowerEU-Kapitel in den Aufbau- und Resilienzplänen

In dieser Plenarwoche wird es viel um Klimaschutz und die Energiewende gehen. Dazu wird das Parlament für die EU konkrete Vorhaben und Gesetze auf den Weg bringen. Den Anfang macht heute die Verordnung über REPowerEU-Kapitel in den Wiederaufbauplänen der Mitgliedstaaten nach der Corona-Krise. Das Parlament nimmt wichtige Ergänzungen am Entwurf der EU - Kommission vor, durch die Mitgliedstaaten auf Antrag sogar eine 20-prozentige Vorfinanzierung und Kredite für Anlagen zur Erzeugung und Infrastruktur für erneuerbarer Energien aus EU-Mitteln erhalten können. Die Aussicht auf EU-Finanzhilfe bringt nun hoffentlich jene nach wie vor zögerlichen und eher auf nationale Aktionsmöglichkeiten ausgerichteten Regierungen und Verwaltungen in Gang, die die politische Bereitschaft und Einsicht in die Notwendigkeit der sozial-ökologischen Wende bedauerlicher Weise noch immer v.a. rhetorisch, aber ohne praktisches energisches Anpacken, artikulieren. Ein Blick nach Slowenien lohnt, denn offensichtlich hat eine Regierung unter Beteiligung einer Linken da mehr Mut und Entschlossenheit.

Hier können Sie die Debatte in der EU - Sprache Ihrer Wahl ab ca. 19:00 Uhr live verfolgen:

https://multimedia.europarl.europa.eu/de/webstreaming/plenary-session_20230213-0900-PLENARY

Dienstag, 14. Februar - Rede des Präsidenten von Lettland und Abstimmungen

Der lettische Präsident wird uns ab 11:30 Uhr seine Vision von der Zukunft Europas präsentieren. Ich bin gespannt, ob und wie er auf die Empfehlungen der Zukunftskonferenz und die Vorschläge der Bürger*innen eingehen wird.

Hier können Sie die Rede in der EU - Sprache Ihrer Wahl ab 11:30 Uhr live verfolgen.

https://multimedia.europarl.europa.eu/de/webstreaming/plenary-session_20230214-0900-PLENARY

Plenarsitzung - Abstimmungen

Wie immer steht eine ganze Reihe von Abstimmungen auf dem vollen Programm unserer Plenarsitzung in Strasbourg. Hervorheben möchte ich heute einmal unsere Abstimmung über das Freiwillige Partnerschaftsabkommen EU-Guyana über Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor sowie über die Einfuhr von Holzerzeugnissen in die EU (Abkürzung: FLEGT). Für mich sind die FLEGT-Abkommen ein positives Beispiel dafür, welche Art von Handelsabkommen wir als Europäische Union anstatt der klassischen Freihandelsabkommen abschließen sollten. Unser Interesse ist es, die Einfuhr von illegal geschlagenem Tropenholz in die Europäische Union zu verhindern, Als neues Geschäftsmodell schlagen wir den Partnerländern den Aufbau einer geregelten Forstwirtschaft mit lizensierten Holzprodukten vor.

Die EU hat bereits eine Reihe solcher Abkommen schließen können, unter anderem mit Vietnam, Indonesien, Honduras, Kamerun, Liberia, Kongo und weiteren afrikanischen Ländern. Zu den FLEGT-Abkommen gehören auch Anhänge, in denen konkrete Unterstützungs- und Finanzierungsmaßnahmen vereinbart werden, mit denen Die Europäische Union den Aufbau einer geregelten Forstwirtschaft im Partnerland und die dafür notwendige Verwaltungsstruktur fördert. Die Abkommen enthalten auch Klauseln, in denen die regelmäßige Konsultation mit Interessenträger*innen aus der Zivilgesellschaft vereinbart wird, um die Auswirkungen nachvollziehen und wenn nötig gegensteuern zu können. Das Abkommen mit Guyana ist das jüngste seiner Art. Ich würde mir wünschen, diesen vor zwanzig Jahren in den Vereinten Nationen entwickelten Ansatz auch auf andere Sektoren auszudehnen. Zugleich müssen Defizite, die der Europäische Rechnungshof 2015 an der Umsetzung der FLEGT-Abkommen monierte, offensiver zu überwinden. Gerade im Interesse einer Erhöhung der Glaubwürdigkeit dieser anderen Art von Kooperation und vertraglichen Untersetzung.

Hier können Sie die Abstimmung ab ca. 12:00 Uhr live verfolgen:

https://multimedia.europarl.europa.eu/de/webstreaming/plenary-session_20230214-0900-PLENARY

 

Dienstag, 14. Februar - Plenardebatte zur Istanbul-Konvention

Am Dienstagnachmittag steht auf der Tagesordnung der Plenarsitzung eine Diskussion zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – umgangssprachlich auch Istanbul-Konvention genannt. Das Übereinkommen verpflichtet die unterzeichnenden Staaten, die Gleichstellung der Geschlechter nicht nur zu gewährleisten, sondern als Grundrecht auf Ebene der jeweiligen Verfassung zu verankern. Es wurde von bereits über 45 Staaten unterzeichnet; die Europäische Union als Staatenverbund konnte sich bislang wegen ausstehender Ratifizierungen einer weniger Mitgliedstaaten noch nicht offiziell ihre Mitgliedschaft erklären, aber die Diskussionen dazu laufen seit 2016 - nachdem das Europäische Parlament sich bereits mit Mehrheit dafür ausgesprochen hatte. Um nun endlich Nägel mit Köpfen machen zu können und den Beitritt entschieden und erfolgreich voran zu bringen, haben der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) sowie der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) einen gemeinsamen Bericht erarbeitet, in dem das Bekenntnis zur Konvention vonseiten des Parlaments bestärkt und ein schneller Beitritt gefordert werden. Ich halte dies selbstverständlich für dringend und überfällig und konnte, auch als einer drei „Gender-Mainstreaming“ Verantwortlichen im Internationalen Handelsausschuss des Parlaments, vor Kurzem in einem Gespräch mit Robert Biedroń, dem Vorsitzenden des FEMM-Ausschusses, meine Unterstützung deutlich machen. Gemeinsam mit Simone Oldenburg, der stellv. Ministerpräsidentin und Ministerin für Bildung und Kindertagesförderung in Mecklenburg-Vorpommern, sowie Wenke Brüdgam, der Landesbeauftragten für Frauen und Gleichstellung in Mecklenburg-Vorpommern, haben wir uns vergangene Woche über die politische Praxis auf Landesebene und den Diskurs zu Gleichstellung innerhalb der europäischen Institutionen, auch mit Robert Biedron, ausgetauscht.

Dabei kam auch ein Aspekt zur Sprache, zu dem sich Robert Biedron an die Minister*innen des Bundeslandes wandte: Polnische Frauen werden aufgrund eines de-facto Abtreibungsverbots konsequent an der Ausübung ihrer körperlichen und reproduktiven Selbstbestimmung gehindert. NGOs wie Abortion without Borders helfen polnischen Frauen täglich dabei, dieser unrechtmäßig in der polnischen Justiz verankerten Gewalt zu entfliehen und den Zugang zu medizinischer Versorgung zu erlangen. Mit dem Krieg in der Ukraine käme nun ein weiteres bedrückendes Problem hinzu. Viele ukrainische geflüchtete Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt und Vergewaltigung wurden, blieben mit den Folgen sehr oft auf sich allein gestellt und können auch in Polen keine Hilfe und Unterstützung in ihrer persönlichen Lage erhalten, denn ein Recht auf Abtreibung gibt es nicht in Polen, eher eine Diskriminierung in dieser Richtung. Als direkter Nachbar Polens stehen wir hier in allen Bereichen in der Pflicht, zu unterstützen.

Deutschland sollte proaktiver handeln, damit auch schon vor dem EU-Beitritt zur Istanbul-Konvention alle Frauen in Europa ihre Rechte in Anspruch nehmen können. Der bevorstehende Frauenkampftag am 8. März ist für eine gesellschaftliche Linke auch im Europa-Parlament Auftrag, es nicht bei symbolpolitischen Gesten zu belassen.

Mittwoch, 15. Februar - Vorstellung eines Projekts der Spinelli-Gruppe: "Ein neues Manifest für ein föderales Europa"

Am Mittwochabend werde ich gemeinsam mit anderen Abgeordneten der sogenannten Spinelli-Gruppe unseren Vorschlag für ein neues Manifest für ein föderales Europa vorstellen. Das Projekt nimmt Bezug auf Altiero Spinelli, einen italienischen Kommunisten und Mitbegründer der Europäischen Idee. In seinem Manifest von Ventotene führte er schon 1941 seine Vorstellung von einem sozialistischen, föderalen Europa ohne Krieg und Armut aus. Diese Vision ist es, die mich bis heute in den Diskussionen um die Weiterentwicklung der Europäischen Institutionen leitet.

Und zumindest das Ziel einer föderalen Europäischen Union ist es auch, was die Mitglieder der Spinelli-Gruppe vereint. Mit unserem Vorschlag für ein neues Manifest wollten wir die Forderung wieder auf die Tagesordnung setzen und inhaltlich um die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte bereichern. In einem überparteilichen Kompromiss ist es v.a. den linken, sozialdemokratischen und auch grünen Kräften gelungen, die Erfahrungen aus der neoliberalen Austeritätspolitik und deren so negativen Auswirkungen aufzuarbeiten und dies auch im Text zu thematisieren. Wir benennen die schlimmen Folgenfür das Leben der Menschen aber eben auch für das Projekt der europäischen Integration selbst, die nichts mit der Vision von Spinelli, Rossi und anderen Mitstreiter*innen gemein haben. Bereits im vergangenen Jahr waren wir auf der ehemaligen Gefängnisinsel Ventotene, 70 Jahre nach dem Verfassen des legendären Dokuments europäischer Einigung und stellten dort die finale Version unseres Projekts erstmals vor. Vieles kommt zu Sprachen, sicherlich teilen auch wir in der Gruppe nicht alles und jede/r der Unterzeichner*innen sieht den einen oder anderen Aspekt sicherlich anders oder gar kontrovers. Aber wir versuchen uns an einem Kompromiss - nicht als Ersatz oder gar Verdrängung des Originaldokuments - sondern als eine aktuelle Erweiterung und vielleicht auch als Ergänzung unter sehr anderen Rahmenbedingungen und angesichts eines wieder auf unserem Kontinent stattfindenden Krieges. Auch als Angebot für die so notwendige EU-weite Diskussion über die Zukunft der EU, nach der Zukunftskonferenz (COFE) und zu den Europawahlen 2024.

Eine digitale Kopie kann hier aufgerufen werden.

Mittwoch, 15. Februar - Aussprache zu den Erklärungen des EU-Rats und der Kommission zum Jahrestag der russischen Invasion in die Ukraine

Am 24. Februar 2022 geschah das, was so lang als Undenkbar gegolten hatte: auf Befehl von Wladimir Putin begann die russische Armee eine groß angelegte Invasion in die Ukraine. Ein Jahr ist vergangen und die Zahl der Gefallenen und der durch Bomben getöteten Menschen übersteigt nach unbestätigten Berichten wahrscheinlich bereits 200.000. Das Europäische Parlament wird zum Anlass dieses traurigen und schmerzhaften Jahrestages des Beginns des blutigen, völkerrechtswidrigen Angriffskrieges auf die Ukraine seine Hauptdebatte gemeinsam mit Vertreter*innen von Kommission und Rat haben. Wir werden unsere Solidarität mit dem ukrainischen Volk bezeugen und der Opfer des Kriegsbefehls gedenken. Es muss politischer Anspruch sein und viel mehr noch werden, jenseits von Debatten um und tatsächliche Waffenlieferungen, die die Spirale militärischer Lösungsversuche nicht verlassen, sondern weiter eskalieren, wirklich jede politisch-diplomatische Möglichkeit zu suchen und aktiv wahrzunehmen, um Frieden für die Menschen in der Ukraine zu gewinnen, die ihre nationale Souveränität und selbständiges Handeln verteidigen. Meine Fraktion wird eine Woche nach dem Kurzbesuch des ukrainischen Präsidenten Zelenskyj im Europaparlament in Brüssel erneut den Appell an alle richten, die eine Möglichkeit dazu haben, Friedensgespräche zu führen und den Wahnsinn und das Töten zu beenden, bevor die Logik des Krieges zu weiteren Eskalationsschritten führt. Die Forderung der Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola nach Lieferung von Langstreckenraketen und Kampfjets in ihrer Ansprache gehört da sicherlich nicht dazu. Das Ende des Tötens und hohe Investitionen für ein gutes, friedliches Leben der Menschen, Wiederaufbau und ein Nachdenken über konkrete Formen der Ausgestaltung eines Nachkrieg-Europas müssen in den Mittelpunkt wirklich mutiger, grundlegend neue Ansätze internationalen Zusammenlabens erarbeitender Verhandlungen gelegt werden. Das sollte endlich auch Putin begreifen. Demokratisches Zusammenleben, Teilhabe der Menschen an politischen wie wirtschaftlichen Weichenstellungen einer Gesellschaft im 21. Jahrhundert, und Zusammenlegen aller Potentiale unserer Länder zum entschiedenen Kampf gegen Klimawandel und Ermöglichen zumindest der Voraussetzungen für ein Weiterleben der menschlichen Zivilisation erfordert, auch hier das Gemeinsame in den Mittelpunkt zu rücken. Rüstungsproduktion und Waffenexporte gehören da gewiss nicht zu: weder in russischen noch in US-amerikanischen, europäischen oder asiatischen Waffenschmieden. Der Permafrostboden taut auf, alle wissen es und die Wissenschaft gibt uns noch ca. 15 Jahre, diese Herausforderung zumindest anzunehmen. Das Problem kennt keine Grenzen, ist ein globales und braucht vereintes Agieren aller Staaten. Und auch Russland muss endlich raus aus den fossilen Brennstoffen und Energieträgern. Warum kann Politik angesichts der Ressourcenvernichtung im Krieg in der Ukraine nicht diese zivilisatorische Frage in den Mittelpunkt auch der Suche nach Frieden rücken? ich bin überzeigt, dass nur ein solcher, jetzt und heute zu vollziehender Narrativwechsel einen schnellen Waffenstillstand und das Eröffnen von Verhandlungen ermöglichen kann. Weil damit auch die Kriegsziel-Rhetorik des russischen Präsidenten ad absurdum geführt würde. Und ein wirkliches Ziel politischer Strategien für eine europäische sicherheitspolitische Friedensordnung formuliert wäre. Denn was den russischen Präsidenten antreibt ist nicht im Interesse der Bürger*innen zwischen St.Petersburg und Wladiwostok, sondern Denken in imperialen und hegemonialen Träumen. Putin verspielt dabei die Zukunft seines Landes. Und das ist das über das Leid so vieler Menschen in der Ukraine und in der Russischen Föderation weit hinausreichende Verbrechen des russischen Angriffs : Das Denken und Handeln in nichtmilitärisch definierten Sicherheitskategorien ist um Jahre zurückgeworfen.

Dazu gehört, die Vorgeschichte des Krieges nicht zu vergessen. Deshalb sind die EU und die USA gefordert, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Im Interesse

der Wiedergewinnung von Frieden vor allem für die souveräne Ukraine - aber auch von uns allen ist der Jahrestag zu nutzen, auszubrechen aus politischen Konfrontationen und Frieden zu erarbeiten.

Sie können die Debatte hier ab 09 Uhr verfolgen:

https://multimedia.europarl.europa.eu/de/webstreaming/plenary-session_20230215-0900-PLENARY

 

Mittwoch, 15. Februar - Green Deal Industrieplan für das Netto-Null Zeitalter

Die wirtschaftlichen Ausfälle während der Pandemie und die Steigerung der Lebenshaltungskosten durch ein Jahr der Inflation haben die Kraftreserven vieler Bürgerinnen und Bürger ersetzt. Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und vielen anderen EU Mitgliedstaaten haben rechte Populisten bereits mit Erfolg damit begonnen, diesen Unmut aufzusammeln. 2024 wird in Europa und in den USA zur Wahl aufgerufen. Mit ihren gewaltigen Investitionen in Infrastruktur und die Produktion von zukunftsfähigen Technologien in den USA sendet die Biden - Harris Regierung ihren Bürgerinnen und Bürgern nun ein Signal der Hoffnung und des Aufbruchs.

Welches Signal sendet Brüssel? Diesen Mut brauchen wir dringend auch in Europa: Steuergelder in eine volkswirtschaftliche Erneuerung zugunsten von Arbeitsplätzen und beschleunigtem Tempo hin zum CO2-frerien Kontinent. Transparenz über diese Prozesse und Mitsprache der Menschen bei der Umgestaltung und Strukturentwicklung vor Ort. Ja, wir brauchen europäische Investitionen in die Ansiedlung von zukunftsfähiger Produktion. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes als gemeinschaftliches Agieren und mit Blick auf die gesamte EU27. Wie sollten ärmere Mitgliedstaaten sonst in der Konkurrenz zu den von Berlin oder Paris gebotenen Subventionen für die führenden Technologiekonzerne bestehen?

 

Wir brauchen europäische Investitionen in die Entwicklung und Produktion der Technologien, die wir und unsere Partner in aller Welt im Kampf gegen die Klimakatastrophe benötigen. Und die durch Abkommen zu Fairem Handeln und Kooperation begleitet werden, nicht in Konkurrenz und Konfrontation, sondern in Wettbewerb und Kooperation mit anderen. Wir brauchen eine Re-Industrialisierung, mit der die europäische Ebene Hoffnung stiftet, indem sie durch Investitionen würdige Arbeitsplätze entstehen lässt, durch die sie die real gewachsene Armut und erneute Spaltung des Kontinents überwinden können.

Hier können Sie die Debatte in der EU - Sprache Ihrer Wahl ab ca. 11:00 Uhr live verfolgen:

https://multimedia.europarl.europa.eu/de/webstreaming/plenary-session_20230215-0900-PLENARY

 

Mittwoch, 15. Februar - Plenardebatte zum EU-Gesetz über Zugang zu kritischen Rohstoffen

Die EU-Kommission wird voraussichtlich am 8. März einen weiteren „European Act“ vorlegen, ein Europäisches Gesetz zum Zugang zu kritischen Rohstoffen. Die schwedische Ratspräsidentschaft spricht sich als Führung eines der rohstoffreichsten EU-Mitgliedstaaten dafür aus, dass der Aufbau von Vorräten im Zentrum der Strategie stehen sollte. Langfristige Verträge würden winken. Viele Mitgliedstaaten wollen sich aber keine Ziele für den künftigen Umfang ihrer Rohstoffreserven vorschreiben lassen.

Die Regierung der Niederlande zirkuliert ein non-paper, in dem sie zunächst einmal ein aktuelles Mapping der Rohstoffvorkommen und Verarbeitungskapazitäten in der EU sehen möchte, um auf der Basis dann einen Plan für nachhaltigen Bergbau und mehr Schmelzen innerhalb der EU aufsetzen zu können. Weitere Punkte im Konzept der Holländer sind die Diversifizierung der Lieferungen durch internationale Partnerschaften, die Stärkung der Kreislaufwirtschaft, bessere Analyse und Überwachung des Bedarfs, sowie die Förderung von Nachhaltigkeit in den Lieferketten durch Begleitmaßnahmen und der Beachtung der sozialen und der Umweltdimension entlang der Lieferketten.

Gerade beim letzten Punkt kann ich dem Ansatz der Niederlande zustimmen. Die Elektrifizierung unserer Mobilität darf nicht auf Kosten der Umwelt in anderen Regionen der Welt erfolgen, in denen das Lithium der Erde entrissen wird. Sollte ich Redezeit erhalten, würde ich auch vor allem diese Nachricht an den federführenden EU-Industriekommissar Thierry Breton richten: denken Sie nicht nur in den Grenzen und Interessen der EU. Produktion und Arbeitsplätze in Europa schaffen ist gut. Aber dieses Interesse ist auch in Argentinien berechtigt. Kooperieren Sie stärker mit anderen. Ermöglichen Sie in den Ländern, in denen Rohstoffe vorkommen, den nachhaltigen Bergbau und den Aufbau von modern Anlagen zur Verarbeitung. Dabei wird es v.a. auch um die Einbeziehung der konkreten Interessen und Belange indigener Völker und gesellschaftlicher Akteure z.B. in Chile und Brasilien, Peru und Argentinien gehen müssen, deren natürlicher Lebensraum von den großen extraktiven Industrieunternehmen dabei in Frage gestellt wird. Oder die für die Produktion von grünem Wasserstoff benötigten Wasser- und Energiemengen sind bei unseren Bezugsinteressen mitzudenken und einzubeziehen. Denken Sie Kreislaufwirtschaft auch global. Forschen Sie gemeinsam mit anderen an Möglichkeiten, die so genannten kritischen Rohstoffe durch andere Materialien zu ersetzen. Es ist schließlich nicht einmal genügend Kupfer auf der Welt vorhanden, um die ganze Welt komplett auf e-Mobilität umzustellen, geschweige denn ausreichende Vorkommen an seltenen Erden.

 

Facebook  Twitter  YouTube
DIE LINKE im Europaparlament

Büro in Brüssel
Europäisches Parlament
ASP 02G354
Rue Wiertz 60
B-1047 Brüssel
Telefon: +32 228-45 89 3
Telefax: +32 228-49 89 3
helmut.scholz@ep.europa.eu

Büro des Europaabgeordneten Helmut Scholz in Berlin
Postanschrift:
Helmut Scholz MdEP
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Besuchsanschrift:
Unter den Linden 50
10117 Berlin
wk@helmutscholz.eu

Europa- und Bürgerbüro Rostock
Kröpeliner Straße 24
18055 Rostock
Telefon: 0179 758 41 26
wk@helmutscholz.eu

Europa- und Bürgerbüro Schwerin
Martinstraße 1A
19053 Schwerin
Telefon: 0179 758 41 26
wk@helmutscholz.eu

Europa-Wahlkreisbüro Frankfurt (Oder)
Zehmeplatz 11
15230 Frankfurt (Oder)
Telefon: 0151-53 69 84 15 und 03563-99 93 92 6
wk@helmutscholz.eu

Europäisches Regionalbüro Spremberg
Europejski regionalny běrow Grodk
Bauhofstraße 1
Twaŕski dwór 1
03130 Spremberg
03130 Grodk
Telefon: 0151-53 69 84 15 und 03563-99 93 92 6
wk@helmutscholz.eu

Wenn Sie diesen Newsletter nicht weiter beziehen wollen, können Sie hier ihre E-Mail-Adresse aus dem Verteiler austragen