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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 67, 26. August 2022
Liebe Leser*innen,

ein im wahrsten Sinne des Wortes heißer Sommer geht zu Ende. Sicherlich haben Sie es selbst erlebt und die vielen Nachrichten aus allen Teilen Europas aufmerksam verfolgt: extrem hohe Temperaturen auch in unseren Breitengraden. Die verheerenden Waldbrände in West- und Südeuropa mit Verletzten, Toten und gigantischen Schäden. Die Feuer auch in den Wäldern Brandenburgs und Berlins. Die Trockenheit. Massive Ernteausfälle. Das massive Fischsterben in der Oder – und nun auch im Bodensee.

Dies alles sind unbestritten auch Folgen des Klimawandels. In vielem von uns Menschen verursacht - durch unsere Produktions- und Konsumtionsweise. Deutlich wird, dass es eigentlich schon fünf nach zwölf ist, um konzentriert und sehr intensiv gegen diese Entwicklung anzugehen. Der Erdüberlastungstag war 2022 bereits am 29. Juli erreicht: die Menschheit hatte an diesem Tag die Ressourcen verbraucht, die ihr für das gesamte Jahr zur Verfügung stehen - bei nachhaltiger Nutzung. Wir leben über dem Limit regenerierbarer Ressourcen. Und Klimawandel und voranschreitender Verlust der von Artenvielfalt sind Folgen. Es gilt zu handeln und energisch gegenzusteuern, um überhaupt noch Perspektiven für unsere Kinder und folgende Generationen zu eröffnen. Das geht im (gar nicht so) Kleinen, wie der Klimastreik von Potsdamer Schüler*innen am Freitag zeigte. Und natürlich muss auch auf der „großen“ politischen, ja europäischen Ebene konsequenter und radikaler gehandelt werden. Ich habe hier mehrfach versichert, dass ich mich nachdrücklich dafür einsetzen werde, dass sich „Europa“, dass sich die EU diesen Herausforderungen, die uns alle gemeinsam betreffen und die wir nur gemeinsam meistern können, stellt. Deshalb werde ich am Wochenende auch auf der italienischen Mittelmeerinsel Ventotene dabei sein, wenn ein neues „Manifest von Ventotene“ vorgestellt wird. Dieses Diskussionsangebot für einen so notwendigen europapolitischen Diskurs haben Mitglieder der „Spinelli Group“, einem fraktionsübergreifenden Zusammenschluss von Abgeordneten v.a. des Europaparlaments, und gemeinsam mit Teilnehmer*innen der EU-Zukunftskonferenz erarbeitet. Auf Ventotene hatten im Jahr 1941 die vom Mussolini-Regime eingekerkerten Antifaschisten Altiero Spinelli, Ernesto Rossi und Eugenio Colorni die "Geburtsurkunde" eines föderalen Europas verfasst - eben das "Manifest von Ventotene". Ausgangspunkt war die Überlegung, der 2. Weltkrieg trieb seinem barbarischen und unvorstellbaren Höhepunkt entgegen, wie kann und muss ein friedliches, freundschaftliches und ja, solidarisches Zusammenleben aller Menschen auf dem Kontinent ermöglicht werden. Aus dem Gefängnis herausgeschmuggelt wurden die auf Zigarettenpapier aufgeschriebenen Ideen, die ausdrücklich ein sozialistisches Europa zum Ziel hatten, übrigens im Bauch eines Brathähnchens.

Über 80 Jahre nach der Urschrift und 65 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge als Gründungsdokumente der EU sind die Rahmenbedingungen und Herausforderungen heute völlig andere. Nehmen wir die bereits genannte Klimakrise, den Ukraine-Krieg, Fragen der Migration, rasante wirtschaftliche Entwicklungen im digitalen Zeitalter mit gravierenden Folgen für soziale Gerechtigkeit, Umwelt und den demokratischen Zusammenhalt der Gesellschaften, für die Bewahrung und Weiterentwicklung von politischen und sozialen Menschenrechten und Grundwerten - jenseits und über alle existierenden Grenzen hinweg. Und die Politik, sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene, muss viel klarer Farbe bekennen: wofür und wie setzen wir uns ein für dringend anstehende Veränderungen auch des Funktionierens der EU. Deshalb ist ein Papier auf bewusst vielfältiger und breiter politischer Basis erarbeitet worden, das so einen Kompromiss darstellt. Aber es soll ein Ansatz zum Nachdenken und auch für Engagement sein, wo und wie Veränderungen notwendig und machbar sind. In einer Zeit, in der in Europa wieder aufeinander geschossen wird, in der Sozialsysteme geschleift werden und nationale Egoismen wieder auferstehen, kann die Linke nicht abseitsstehen, muss sich in die Debatten einbringen, eigene Vorschläge einbringen und diese Vorstellungen auch transparent auf den Prüfstand stellen. Die Linke in Europa sollte das Vermächtnis und die Ideen Spinellis nicht anderen agierenden Politischen Kräften in Europa überlassen, sondern verteidigen und in die heutige Zeit übersetzen und umsetzen. Die Linke in Europa muss mittun, wenn es um das kritisch-konstruktive Wiederaneignen des Manifests heute geht. Es wird nicht einfach sein angesichts der heutigen Realitäten. Ich sehe so einiges durchaus kritisch und anders, als es jetzt auf dem Papier steht: aber der Diskurs ist eröffnet und bis 2024, den nächsten Europawahlen bleibt nicht viel Zeit. Ein Tipp: Wenn Sie mehr über das alte und neue Manifest von Ventotene und meine Position dazu erfahren wollen, können Sie dazu im "nd" und auf der Europaplattform die-zukunft.eu nachlesen.

Um auf die eingangs erwähnten heißen Zeiten zurückzukommen: Die wird es in den kommenden Wochen auch in politischer Hinsicht geben. Denn wie gesagt, es gilt zu handeln und viel zu wenig wird real durch die Bundesregierung getan, um die Probleme einer Lösung zuzuführen. Stichwort: die Energiepolitik der Ampel-Regierung und die unsoziale Ausgestaltung der Gasumlage, die ausbleibende radikale Veränderung heutiger Verkehrs- und Infrastrukturpolitik. Geredet haben wir, gefordert allemal und noch immer werden aber die Probleme und Verluste sozialisiert, die Gewinne privatisiert. Das klare politische Umschwenken bleibt aus. Stichwort: Übergewinnsteuer. Warum soll in Deutschland nicht möglich sein, was in Spanien machbar ist? Auch das ist Europa. Wir rufen zu konstruktiven Protesten auf. Denn dieser Kurs ist oftmals eher ein willkommenes Zubrot für Unternehmen statt einer Unterstützung für wirtschaftlich Schwache. Dass wir uns dabei klar von Rechten, Querdenkern und anderen obskuren Kräften abgrenzen werden, ist selbstverständlich. Denn eine unsoziale Politik gefährdet die Demokratie.

Neben den Protesten ist Daumendrücken - und vor allem Unterstützung - angesagt: für Eva-Maria Kröger, die bei der Oberbürgermeisterwahl in Rostock für DIE LINKE antreten wird. Ich habe Eva-Maria kürzlich beim Parlamentarier*innentag der Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommerns und des Kommunalpolitischen Forums in MV getroffen, wir haben besprochen, wie wir „aus Europa“ zu ihrem Wahlkampf beitragen können. Und Rostock braucht eine kompetente und so engagierte Frau im Rathaus, wie Eva-Maria. 

Sie sehen, liebe Leser*innen, es gibt viel zu tun. Das gilt nicht zuletzt für die Arbeit in Brüssel, die in der kommenden Woche wieder voll anlaufen wird. Dazu lesen Sie, wie stets, unten mehr.

 

Ihr

Helmut Scholz

31. August: Gemeinsame Sitzung von AFET, INTA und AFCO zum BREXIT

„Niemand hat mir gesagt, dass der BREXIT sich zu einer niemals endenden Seifenoper entwickeln würde“, mit diesen Worten kommentierte kürzlich ein irischer Mitarbeiter unserer Fraktion The LEFT für den Rechtsausschuss (AFCO) die politischen Entwicklungen um das Verhältnis EU - Vereinigtes Königreich. Ich kann das gut nachempfinden: Die Situation ist ziemlich vertrackt.

Das Nordirland-Protokoll ist ein wichtiger Bestandteil des Austrittsabkommen zwischen beiden Partnern und auch wesentliches Kernstück für das abgeschlossene, rechtlich verbindliche Abkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der EU und Großbritannien (TCA). Dennoch ist es gerade immer wieder die Problematik um die Grenze zwischen dem Vereinigten Königreich und Irland, die für Spannungen sorgt und zu politische Verwerfungen führt, da Westminster und Downing Street 10 alles versuchen, die Umsetzung zu unterlaufen und das beschäftigt auch uns im Parlament schon seit Jahren. Denn die EU ist hier Vertragspartner. Um den freien Handel von Waren innerhalb der EU zu gewährleisten, sind starke Kontrollen an ihren Außengrenzen vonnöten. Und da die innerirische Grenze seit dem BREXIT auch gleichzeitig eine Grenze zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU bildet, trifft dieses Prinzip auch hier zu. Über Jahrzehnte hinweg war die irische Insel jedoch von Krieg und blutigen Auseinandersetzungen um die irische Unabhängigkeit geprägt. Eine gänzlich geschlossene Grenze würde daher das Risiko mit sich bringen, den erst vor knapp dreißig Jahren geschlossenen Frieden wieder aufs Spiel zu setzen, würde doch das Karfreitags-Abkommen verletzt.  Zur Erinnerung: es hatte ganze zwei Anläufe gebraucht, bis mit dem „Nordirland-Protokoll“ –gesondert ausgehandelter Teil des Austrittsabkommens – eine vorläufige Einigung gefunden wurde. Die Lösung: Umfangreiche Grenzkontrollen noch vor der Einfuhr von Waren nach Nordirland und die somit faktische Verschiebung der EU-Außengrenze in den Atlantik – also mitten in das Vereinigte Königreich hinein.

Völkerrechtliche Verträge sind einzuhalten. Das gilt eben auch für alles um den Brexit herum. Es soll friedliches Zusammenleben und Stabilität und eine konstruktiv- nutzbringende Zusammenarbeit für die Zukunft vorangetrieben werden. Das gilt zwischen- und innerstaatlich.  Vor dem heißen Sommer hatte nun die britische Regierung selbst für nachträgliche Änderungen des Nordirland-Protokolls ausgesprochen und Pläne dafür vorgelegt, eine unilaterale Anpassung des Abkommens vorzunehmen. Dies wäre ein Bruch der Abkommen und das Europäische Parlament wie auch die EU-Kommission werden das nicht hinnehmen. Das Nordirland-Protokoll und alle anderen weitreichenden, den Alltag vieler Menschen beiderseits des Ärmelkanals, des „Channels“, berührende Fragen sind einzuhalten.

Mit der Parlamentarischen Partnerschaft Versammlung EU - United Kingdom wurde im neuen Vertragswerk ein wichtiges Gremium geschaffen, in dem die Vertreter*innen des EP mit ihren britischen Kolleg*innen die unterschiedlichen Aspekte des heutigen und künftigen Verhältnisses, v.a. auch Probleme und unterschiedliche Sichten, wenn es um das Beilegen oder besser noch das Verhindern von bilateralen Konflikten geht, beraten können und müssen. Auch als Korrektiv und/oder Partner der verantwortlichen Exekutiven. Am Mittwoch wird in einer gemeinsamen Sitzung der drei federführenden Ausschüsse für die Nach-Brexit-Entwicklungen, INTA und AFET (für das TCA) und AFCO (Austrittsabkommen) die aktuelle Entwicklung diskutiert und sich zu einem entsprechenden Bericht verständigen. Die EU-Kommission hatte einen Verordnungsentwurf unterbreitet, mit der geregelt werden soll, wie die EU-Seite ihre Interessen bei der Durchsetzung des Austrittsabkommens geltend machen kann. Um notfalls schnell eingreifen zu können, schlägt die Kommission vor, ihr umfangreiche Rechte zu übertragen. Sie will Maßnahmen zur „Beschränkung von Handel, Investitionen und anderen Tätigkeiten im Anwendungsbereich des Handels- und Kooperationsabkommens“ erlassen können und fordert zum Beispiel auch das Recht, die Betriebszulassungen von Luftfahrtunternehmen des Vereinigten Königreiches mit Einschränkungen oder sogar Aussetzungen zu belegen. In einem ersten Entwurf des parlamentarischen Berichts hingegen besteht das Europaparlament auf der Stärkung seiner Rechte, auf Eingriffsmöglichkeiten und umfassende Transparenz, sodass alle Abgeordneten jederzeit im Bilde darüber sind, welche Maßnahmen die Kommission plant und auf welcher Grundlage sie diese anwenden will.

Da die EU verantwortlich für die Umsetzung der Bestimmungen ist, stellt sich auch vor dem Hintergrund der bekannten Konfliktgemengelage die Frage, wie sich das Verhältnis der einzelnen Nationen zum Vereinigten Königreich entwickeln und ggf. verändern wird. In Bezug auf die Handelsthematik bleibt festzustellen:  Ein möglicher Handelskrieg, der besonders die ärmsten Menschen sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der EU treffen würde, muss unbedingt abgewendet werden.

31. August: CETA – Das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada fünf Jahre nach Beginn der Umsetzung

In seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause des Parlaments wird der INTA-Ausschuss eine Bilanz der ersten fünf Jahre der Umsetzung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) ziehen. Das Abkommen wird seit dem 21. September 2017 vorläufig angewendet - mit Ausnahme der unter gemischte Verantwortung von EU und Mitgliedstaaten fallenden Bereiche, v.a. hinsichtlich der Portfolio-Investitionen; 11 Staaten haben es aufgrund der fehlenden parlamentarischen Zustimmung ihrer nationalen und auch regionalen Parlamente der EU, darunter Deutschland, bislang nicht ratifiziert. Und deshalb dieses Provisorium. Denn in diesem Bereich geht es v.a. um die Konzernklagerechte und die Aspekte der internationalen Schiedsgerichte. Aber: der Waren- und Dienstleistungshandel florieren durchaus in den letzten Jahren. Der Ausschuss wird also sehen müssen, was passiert zu welchen Bedingungen wirklich, wer ist Nutznießer der komparativen Vorteile der Handelskooperation und wie werden die gesetzgeberischen Regeln im Interesse der arbeitenden Menschen in allen Bereichen der Ökonomien der Handelspartner geachtet, auch Umweltschutz und die Rechte der indigenen Völker gerade in Kanada. 

Die Frage, die sich stellt: Soll(te) das Abkommen in seiner jetzigen Form zur vollständigen Anwendung kommen? Was würde jetzt ein produktives Mehr für die bilaterale Zusammenarbeit EU-Kanada bringen, wenn nun auch die Regelungen im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit zur Geltung kommen? Und reichen die vor mehr als 5 Jahren vereinbarten Festlegungen im Bereich Klima und Umwelt und Rechte der Menschen im Nachhaltigkeitskapitel angesichts Klimawandel und geowirtschaftlicher Veränderungen, gemessen an heutigen Erfordernissen und am Maßstab der Umsetzung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele 2030? Für die Linksfraktion ist klar, dass wir dringend zusätzliche Vereinbarungen zum bestehenden Text bräuchten, wenn nicht sogar eine konsequente Öffnung des Abkommens. Der Sommer mit den europaweit ausgetrockneten Flüssen und Seen sowie den immensen Waldbränden und der damit einhergehenden Zerstörung ganzer Ökosysteme macht deutlich, dass das CETA- Nachhaltigkeitskapitel neu gedacht werden muss. Das hatte ich bereits zum Zeitpunkt der damaligen Verhandlungen angemahnt. Internationaler Handel muss so gestaltet sein, dass Klima und Umwelt keinen Schaden davontragen. Es braucht klare Regeln aber genauso wichtig sind entsprechende Kontroll- und Sanktionsmechanismen wie beispielsweise auch die Kündigung eines Handelsvertrags bei Verletzungen des Umweltschutzes. So wurden beispielsweise die Auswirkungen von erleichtertem Handel mit Öl aus kanadischen Teersanden oder auch der durch das Abkommen zunehmende Warentransport über den Atlantik und damit auch höherem CO2-Ausstoß in dem Vertrag nicht wirklich in aller Konsequenz bedacht.

Nicht ohne Grund also haben in der EU vor Jahren Hunderttausende Menschen gegen CETA und gegen TTIP protestiert.

Interessant wird die Beratung sicherlich auch mit Blick auf die Debatten in Deutschland um die nun von der Bundesregierung - nach der Einigung der Regierungsfraktionen im Bundestag - geplante Ratifizierung.

Ursprünglich waren die Grünen mal gegen das Abkommen, wegen der darin enthaltenen Sondergerichte für Investorenschutz und wegen der fehlenden Nachhaltigkeitskapitel. Doch nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Grüne) vor einigen Tagen gemeinsam mit Spitzenmanager*innen vor allem der Energie- und Automobilindustrie, darunter die Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen, Bayer, Siemens Energy und Uniper nach Kanada reisten, ist noch unklar, was die getätigte deutsch- kanadische Energiepartnerschaft insgesamt für das CETA- Abkommen und alle EU-Mitgliedstaaten bedeutet. Auch der beabsichtigte massive Einstieg der Volkswagen AG in das Mining in Kanada und damit verbundene Investitionen sind hier noch einmal unter den o.g. Konditionen zu prüfen. Die Hoffnung von Scholz und Habeck auf einen Vertrag zur schnellen Lieferung von verflüssigtem Erdgas (LNG) muss den heutigen Erwartungen an Schutz von Menschen, den Rechten der Ureinwohner*innen auf eine intakte Umwelt und ihrer Verfügungsrechte auf Boden und Wasser genügen. Und ja, Kanada ist einer der größten Erdgasproduzenten weltweit. Doch der Import von kanadischem Flüssiggas ist nicht einfach und höchst umweltschädigend, da der Bau von Flüssiggasterminals und Pipelines erforderlich wäre – ein Eingriff in die Natur. Bekannt ist bereits, dass das kanadische Gas durch umstrittene Fördermethoden wie Fracking und Offshore-Bohrungen gewonnen wird. Seit Jahren warnen Umweltschützer*innen vor den Umweltauswirkungen dieser Fracking-Methode und indigene Anwohner*innen fürchten die zunehmende Zerstörung ihrer Lebensräume. Das kann und darf die Bundesregierung nicht ignorieren. Abgeschlossen ist nun vorerst ein Vertrag zur Lieferung von grünem Ammoniak (ab dem Jahr 2025), der im Gegensatz zu grünem Wasserstoff weniger flüchtig und somit sicherer per Schiff zu transportieren ist. Das Thema LNG ist aber laut Kanada noch nicht vom Tisch, zukünftige Lieferungen werden geprüft.

Für mich und die Linksfraktion bleibt wichtig, dass wir bei der Bewertung im Ausschuss noch einmal deutlich auf die Gefahren von CETA für Klima und Umwelt sowie die indigene Bevölkerung und dabei vor allem auf die Verantwortung für klare Investorenschiedsgerichtbarkeit hinweisen werden. Ich sage auch klar, dass auch die Nachhaltigkeitskapitel in den Freihandelsverträgen, inklusive CETA, im Gegensatz zur bisherigen Praxis, rechtlich verbindliche Durchsetzungsinstrumente einschließlich der Streitschlichtungsverfahren im Interesse der Allgemeinheit erfordern. Die EU muss prüfen, inwiefern also solch dringend notwendige Nachverhandlungen möglich sind, bzw. ob nicht gar ein neues Abkommen vor dem Hintergrund der globalen Herausforderungen die bessere Alternative ist. Dass ein Mehr möglich ist, zeigen die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen der EU und Neuseeland.

1. September - Anhörung im Konstitutionellen Ausschuss (AFCO) zu Schlussfolgerungen aus der Konferenz zur Zukunft Europas (11:00 -12:30 und 15:00-16:30 Uhr)

Am 13. September will die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer jährlichen Rede vor dem Europäischen Parlament ‚Zur Lage der EU‘ ihre Schlussfolgerungen aus der EU-Zukunftskonferenz und Antworten auf die Empfehlungen der Bürger*innen vorlegen. Das Parlament selbst hatte ja bereits seine eindeutige Antwort gegeben: mit der Anrufung des Artikels 48 der EU-Verträge sprachen sich mit großer Mehrheit die Abgeordneten für die Einberufung eines Konvents aus. Der Ball liegt jetzt beim EU-Rat, dem zweiten Ko-Gesetzgeber des Staatenverbundes. Von der Leyen hatte Anfang Mai beim Abschluss der Konferenz, wie auch der französische Präsident Macron als damaliger amtierender EU-Ratsvorsitzender erklärt, dass sie zu Vertragsänderungen bereit wäre, um die Erwartungen, Forderungen und konkreten Empfehlungen für notwendige Veränderungen der EU-Politik umsetzen zu können.

Im Ausschuss sind nun ab 11:00 Uhr sowohl die zuständige Kommissions-Vizepräsidentin D. Suica als auch Wissenschaftler*innen eingeladen, ihre Sichtweise zur und Beurteilung der Konferenz vorzustellen. Ein Bestandteil der Vorbereitungsarbeit des Ausschusses sowie des Parlaments für die eigenen konkreten Vorschläge, wie ein Konvent vorbereitet werden muss. Und was an Aufgaben bleibt, sollte der EU-Rat sich im Oktober auf seinem ordentlichen Herbst-Gipfel nicht auf eine konstruktive Antwort an das Parlament verständigen können. Die Linke bleibt konsequent: ein soziales, ökologisches, demokratisches und solidarisches Europa braucht grundsätzliche  Änderungen der heutigen vertraglichen Grundlagen der Integration. Zugleich lassen sich durchaus im Rahmen der geltenden Verträge nicht wenige der Empfehlungen in praktische Politik und Veränderungen der Verhältnisse umsetzen: Wie so oft liegt es am politischen Willen und an der Bereitschaft, grundlegende Korrekturen oder weitreichende Politikveränderungen jenseits eigener Machtinteressen oder wirtschaftlicher Eigeninteressen vorzunehmen. Es wird auch von den Fraktionen und Mehrheiten im Parlament sowie in den verschieden EU-Institutionen abhängen, was da konkret auf den Weg gebracht wird - in aller Konkretheit und Transparenz. Hier können Sie das Hearing verfolgen.

Umgang mit der Oder neu denken: in Polen und in Deutschland

Zur aktuellen Diskussion zum Fischsterben in der Oder erklären Thomas Domres (umweltpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion DIE LINKE in Brandenburg) und ich gemeinsam:

Um künftige Umweltkatastrophen von der Oder abzuwenden, ist eine viel engere Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland erforderlich. Nicht nur bei Alarm- und Katastrophenplänen, sondern auch beim alltäglichen Umgang mit der Oder.

„Eine schockierende Erkenntnis aus der Anhörung im brandenburgischen Umweltausschuss ist, dass das Fischsterben wahrscheinlich nicht Folge einer einzelnen Havarie war" betont Domres. „Offenbar sind hohe Schadstoffeinleitungen quasi normal und haben im Zusammenhang mit dem Oderausbau, dem niedrigen Wasserstand und der Hitze zur Katastrophe geführt. In den Staustufen konnten sich die giftigen Algen entwickeln. Das kann jederzeit wieder passieren.

Deshalb muss der Umgang mit der Oder sowohl in Deutschland als auch in Polen neu gedacht werden – in Bezug auf Einleitungen und in Bezug auf den Ausbau. Die Wasserrahmenrichtlinie der EU muss in beiden Staaten konsequent umgesetzt werden, um die Oder besser zu schützen. Wenn Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis90/Grüne) jetzt den Stopp des Oderausbaus fordert, ist das richtig. Doch nun muss sie es bei Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) durchsetzen. Denn auch auf deutscher Seite starten bereits die Vorbereitungen für den Ausbau."

„Polen wäre dazu verpflichtet gewesen, das Fischsterben, das sich grenzüberschreitend auch auf Brandenburg auswirkt, zu melden", kritisiert Scholz. „Die grenzüberschreitende Expert:innengruppe muss nun schnellstmöglich und transparent die Ursache für das Fischsterben ermitteln, das sich grenzüberschreitend auf Brandenburg, Mecklenburg und natürlich die von dem noch weitgehend naturbelassenen Fluss durchzogenen polnischen Wojewodschaften gravierend auswirkt.

Klar ist, dass alle EU-Staaten die Folgen der Klimakatastrophe abwenden müssen und diese nicht noch befeuern dürfen – eine Ausbaggerung der Oder beidseits der Grenze genauso wie der geplante Ausbau des LNG-Terminals bei Swinoujscie durch die polnische Regierung, welcher zugunsten der Wirtschaft die Natura 2000 EU-Gesetzgebung ignoriert, schaden massiv der Umwelt und müssen sofort gestoppt werden.

Im Jahr 2001 hat die Europäische Kommission ein EU-Katastrophenschutzverfahren eingerichtet, um die Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten beim Katastrophenschutz zu stärken. Es dient auch dazu, die Prävention, Vorsorge und Reaktion auf Katastrophen zu verbessern. Wenn wir solche Umweltkatastrophen wie die in der Oder zukünftig verhindern wollen, müssen alle EU-Staaten enger zusammenarbeiten und ihre Anstrengungen hinsichtlich Ursachenbekämpfung und Abwendung der Auswirkungen der Klimakatastrophe sowie zum Erreichen der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele schnellstmöglich ausbauen."

 

Und wer mehr zum Thema und den Ursachen erfahren möchte, wird beim Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) fündig.

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