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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 80, 25. November 2022
Liebe Leser*innen,

zurückgekehrt von der Plenarwoche aus Straßburg, bin ich Ihnen, wie versprochen, zunächst noch einige Worte zu meiner Reise nach Indien vor einer Woche schuldig. Vorab: Es hat sich gelohnt.

Meine vier Tage in Delhi waren angefüllt mit interessanten Begegnungen. Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen (FTA) zwischen der Europäischen Union und Indien werfen ihre Schatten voraus. Sowohl der deutsche Botschafter als auch der stellvertretende Botschafter der EU teilten mir ihre Einschätzung der Lage mit. Beide warnten, sich eine Einigung zu einfach vorzustellen. Das indische Außenministerium war eher optimistischer, verwies auf das neu geweckte, offensive Interesse der BJP-Regierung Modi an bilateralen Handelsverträgen mit einer Reihe von Staaten zur Untersetzung eigener wirtschaftspolitischer Strategien. Der Meinungsaustausch drehte sich dann aber vor allem um den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die sich aus seinen weitreichenden Auswirkungen ergebenden Fragestellungen für die internationale Politik; um die Positionen der EU und des Europarlaments und Indiens und die generelle geopolitische und geowirtschaftliche Gesamtsituation.

Stark beeindruckt haben mich gerade jedoch die Stunden, die ich mit verschiedenen Akteur*innen der Zivilgesellschaft verbringen konnte. Denn das war ja Hauptziel meines Besuches vor Ort: Die gesellschaftliche Temperatur hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu messen. Dank der vor Ort sehr gut vernetzten Rosa-Luxemburg-Stiftung und Büroleiterin Nadja Dorschner und ihrem Team hatte ich Gelegenheit, die Sichtweisen von 17 sehr unterschiedlichen Organisationen zu hören. Von Landwirtschaft bis hin zum IT-Sektor hörte ich sehr reflektierte, zum Teil aber auch sehr persönliche Statements. Überwiegend war der Tenor besorgt. Indien hat beispielsweise ein sehr ausgeprägtes Genossenschaftswesen aufgebaut, das auch Menschen mit nur 1 oder 2 Kühen zu einem guten Preis die Milch abkauft und die weiterverarbeiteten Produkte teils auf den Markt bringt, teils an den Staat verkauft, der Versorgungsprogramme für die Ärmsten im Land auflegt. Die Besitzer*innen der Milchkühe erhalten 80 Prozent des Verkaufspreises. In Europa sind es gerade mal 30 - 35 Prozent für die Landwirt*innen. Ein Grund: In Indien sehen Sie keine Supermärkte, sondern nur kleine bis mittlere Läden in Marktzentren und Straßenverkauf. Sollten nun die großen Supermarktketten durch das Abkommen auf den indischen Markt kommen dürfen, ist zu befürchten, dass sie auch dort bald die Erzeugerpreise diktieren und diese Strukturen des nationalen Genossenschafts- und Versorgungssystem gefährden. Wozu? Zugleich ist mit dieser auf regionale Kreisläufe ausgerichteten Produktion, einer nicht vollständig liberalisierten Produktion, auch ein höherer Endverbraucherpreis verbunden. Ziele und Bedingungen der indischen Agrarproduktion und die Aspekte der nationalen und internationalen Ernährungssicherheit kommen in diesem Zusammenhang auch auf den Verhandlungstisch, so wie die Interessen europäischer landwirtschaftlicher Erzeuger*innen und Konsument*innen. 

Diese und andere Fragen konnte ich auch mit einem Professor und zwei weiteren Expertinnen vor 100 Studierenden an Delhis Jawaharlal Nehru Universität in einer gemeinsamen Vorlesung diskutieren. Und am späteren Abend bot sich die Gelegenheit die unterschiedlichen Überlegungen im Gespräch mit einigen der besten und führenden kritischen Ökonom*innen des Landes weiter zu vertiefen.

Wir haben vereinbart, die Verhandlungen zum FTA gemeinsam weiter in Webinaren zu begleiten und uns, wenn möglich, konkret einzubringen. Sicherlich wird das für uns im Europäischen Parlament zumindest strukturell einfacher sein, denn in Indien ist das Parlament nicht in diese Verhandlungen, auch nicht durch transparente Darstellung der Positionen seitens der indischen Vertragsseite eingebunden. Das hat mir auch ein Gesprächspartner im Senat von der Kongresspartei als Herausforderung beschrieben. Und gleichermaßen betrifft dies auch die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteur*innen und den Dialog mit ihnen - viel Verantwortung also gerade auch für die europäischen Linken. Zumal die Verhandlungen vor einer sehr konkret umrissenen Zeitleiste stattfinden: sowohl in Indien als auch in der EU werden 2024 die Parlamente gewählt. Und beide Verhandlungspartnerinnen, also EU-Kommission und indische Regierung, wollen die konkrete Textarbeit bis dahin abschließen.  

Ein erstes Zwischenfazit: Der Ansatz der EU-Kommission, mit den üblichen Schablonen die 19 Kapitel dieses Handelsabkommens zu entwerfen, berücksichtigt nicht ausreichend die Besonderheiten des Partners Indien mit seinen 1,4 Mrd. Menschen, seinen gewaltigen Potentialen aber auch komplizierten gesellschaftlichen Strukturen und Bedingungen. Zu befürchten ist, dass dies der Gesamtnation Indien mehr Schaden als Nutzen bringen könnte. Und die von der EU geforderte Ausweitung des Patentschutzes würde sogar nicht nur Indiens Generika-Industrie betreffen, sondern sehr viele Menschen und Gesundheitssysteme weltweit, die dringend Medikamente zu geringeren Kosten benötigen. Das sollte uns alle sehr nachdenklich machen, ja aufrütteln.  

Die Beziehungen zu einem anderen großen Player der Weltwirtschaft, zu China, standen in dieser Woche im Plenum in Strasbourg auf der Tagesordnung. Und auch wieder nächste Woche im Handelsausschuss. Sie wissen, dass ich im Verhältnis zur Volksrepublik für einen kühlen Kopf und Entspannung plädiere. Das Interesse der EU als Friedensnobelpreisträgerin muss der Dialog sein und bleiben, das Zuhören und das Überdenken eigener Positionen. Und die Zeiten, in denen Europa China etwas aufzwingen kann, sind längst vorbei. Stattdessen geht es darum, unsere gemeinsamen Potenziale zu mobilisieren, um die gemeinsamen globalen Herausforderungen zu meistern. Das habe ich in meiner Plenarrede auch ganz konkret untersetzt: Was spricht beispielsweise dagegen, gemeinsam konkrete Projekte aufzulegen, um die Welt mit erneuerbarer, sauberer Energie zu versorgen und um Armut zu überwinden?

Und durchaus auch in diesem Zusammenhang noch ein Blick zurück, weil von weitreichender Bedeutung: Das Europaparlament hat sich mit Mehrheit für den Ausstieg der EU aus dem Energiecharta-Vertrag ausgesprochen und damit Konsequenzen gezogen, um endlich die Klima-Auflagen europäischer Politik entsprechend dem Pariser Abkommen umsetzen zu können. Und dieser ECT war auch der Dinosaurier der berüchtigten Investor-zu-Staat Streitbeilegungs-Schiedsgerichte (ISDS) in internationalen Abkommen. Jetzt ist der Rat an der Reihe.

Apropos konkret werden. Darum wird es in der kommenden Woche unter anderem in einer Arbeitsberatung der 6 Ko-Berichterstatter*innen des Parlaments (für die politischen Fraktionen des Parlaments) für eine Artikel 48 Resolution gehen, die beauftragt wurden, also von links bis rechts im politischen Spektrum eine Positionierung des Europaparlaments zur Änderung der EU-Verträge mit konkreten Textvorschlägen vorzubereiten um die Empfehlungen der großen EU-Zukunftskonferenz umsetzen zu können. Sie wissen, ich gehöre zu dieser Runde und habe mich immer wieder nachdrücklich dafür eingesetzt, einen Konvent nach Art. 48 einzuberufen, um Veränderungen der Verträge über die Europäische Union und ihre Arbeitsweise zwischen den Mitgliedstaaten zu beraten und auf den Weg zu bringen. Das wird eine wichtige demokratische Herausforderung nicht nur für die beteiligten Institutionen auf EU-und mitgliedstaatlicher Ebene, sondern für alle.

Natürlich stehen kommende Woche noch viele andere wichtige Themen auf der Agenda, wie Sie wie stets unten lesen können. Am Sonntag werde ich jedoch erst einmal – wie Sie sicher auch – nach Rostock schauen. Die LINKE-Politikerin Eva-Maria Kröger steht in der Stichwahl um das Amt der Oberbürgermeisterin oder des Oberbürgermeisters in der Ostseestadt. In der Abstimmung am 13. November hatte Eva-Maria in der größten Stadt im Nordosten mit 25,3 Prozent die meisten Stimmen auf sich vereinigen können – und 16 Kandidat*innen hinter sich gelassen. Nun wird sich entscheiden, ob eine LINKE-Politikerin oder der von CDU/UFR und FDP unterstützte Kandidat Michael Ebert ins Rathaus einziehen wird. Die Chancen für Eva-Maria stehen gut, zumal sie auch von SPD und Grünen unterstützt wird – ein wichtiges Signal übrigens. Ich wünsche Eva-Maria und der LINKEN in Rostock viele Erfolg!

 

Ihr

Helmut Scholz

28. November: Trilog zum Anti-Coercion Instrument

Meine Woche beginnt mit dem Trilog zum Anti-Coercion Instrument. Was das ist? Im Trilog treffen sich die beiden Ko-Gesetzgeber - der Rat der Regierungen der Mitgliedstaaten und das Europaparlament - und bemühen sich unter Vermittlung der EU-Kommission um eine Einigung zu einem neuen europäischen Gesetz, oder einer Richtlinie. Beide Seiten haben in einem eigenen Prozess erarbeitet, was sie am ursprünglichen Gesetzentwurf der Kommission ändern wollen. Nun gilt es, Kompromisse zu finden.

Heute geht es darum, der EU-Kommission ein Instrument an die Hand zu geben, mit dem sie auf Regierungen von Drittstaaten reagieren kann, wenn diese die EU oder einzelne Mitgliedstaaten im Interesse der eigenen wirtschaftlichen oder auch handelspolitischen Ausgangsstellungen in der bilateralen Zusammenarbeit zu etwas zwingen wollen und so auch sogenannte Marktverzerrungen verursachen. In jüngster Zeit wurde das seitens der EU vor allem auf die Außenwirtschaftsstrategie und nationale Wirtschaftspolitik der Regierung Trump und der Regierung von Xi Jinping bezogen. Die anderen Fraktionen wollen der Kommission die Kompetenz geben, aus eigenem Ermessen zum Beispiel mit Handelssanktionen reagieren zu können. Und dies ist die abgestimmte Parlamentsposition, die jetzt mit der des EU-Rats eben abzugleichen ist. Persönlich kann ich die Kritik der Mitgliedstaaten, die nicht zulassen wollen, dass die Kommission einen Beschluss des Rates einfach umgehen kann, sehr gut nachvollziehen. Die Einigung wird schwierig werden, zumal man annimmt, dass unter der tschechischen Präsidentschaft eine Einigung eher gewollt wird als unter der im Januar beginnenden schwedischen Ratspräsidentschaft.

30. November: Handelsausschuss (INTA) tagt

Mit den außenwirtschaftlichen Beziehungen zur USA und zu China stehen an diesem Vormittag die beiden wichtigsten außereuropäischen Handelspartner der EU auf der Tagesordnung.

Zunächst geht es um die am 5. Dezember beginnende dritte Tagung des neuen Handels- und Technologierates (TTC) von EU und USA. Unser Parlamentsausschuss hat Interessens-vertretungen wie Gewerkschaften und Unternehmensverbände eingeladen, uns ihre Erwartungen und Anforderungen an den TTC mitzuteilen. Denn im Unterschied zu den Volksvertreter*innen des EP oder des US-Kongresses, die keine direkte Rolle im TTC haben, gibt es im Rahmen des TTC eine gesonderte Arbeitsgruppe Dialog mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteur*innen. Nicht unwichtig also diese Runde, denn wie man hört, sollen die zehn Arbeitsgruppen diesmal greifbare Ergebnisse liefern.

Danach wird uns Jörg Wuttke, Präsident der Kammer der europäischen Unternehmen in China, uns deren Jahresbericht vorstellen. Darin wird beschrieben, wie die Unternehmen aktuell ihr Geschäftsumfeld bewerten. Als größtes Problem werden darin die Einschränkungen benannt, die sich für Unternehmen und ihr Personal aus der strikten 0-Covid-Strategie der chinesischen Regierung ergeben.

Ab 15:00 Uhr diskutieren wir mit der EU-Kommission ihre sogenannten „Rohstoffpartnerschaften“ mit anderen Ländern. Aus meiner Sicht geht die EU dieses Thema noch immer zu kurzsichtig und zu egoistisch an. Statt nach wie vor einer Logik zu folgen, die v. a.  darauf ausgerichtet ist, Rohstoffe zu Verarbeitung nach Europa zu zerren, sollten wir deutlicher herausarbeiten, wie wir als entwickelte Industriestaaten durch das Fördern von Verarbeitungsstufen in den Ländern, in denen die Rohstoffe lagern, dazu beitragen können, dass dort künftige nationale Ökonomien aufgebaut bzw. entstehen, in bewusster Wahrnehmung der unterschiedlichsten Umwelt-, Klima- und Energiebelange. So kann dort Mehrwert und Wohlstand erzeugt werden, was nicht zuletzt in unserem eigenen Interesse liegt und auch gut für uns in Europa wäre. Und natürlich ist diese Gesamtproblematik höchst aktuell und überaus komplex hinsichtlich der unaufschiebbar notwendigen sozial-ökologischen Neuorganisation unserer Wirtschaftsweise, einer Industriepolitik 4.0 und der damit verbundenen Fragestellung, welche Industriestandorte, und damit gute Arbeitsplätze und Zukunftschancen erhalten und weiterentwickelt werden können. 

Im Tagesordnungspunkt „Abstimmungen“ positionieren wir Abgeordnete uns in einer Stellungnahme als Handelsausschuss zur mangelnden Umsetzung des Abkommens mit den Brit*innen nach dem Brexit. Auch hier soll der Kommission ein sehr konkretes Instrumentarium zum Reagieren an die Hand gegeben werden. Schließlich beschließen wir auch unsere Stellungnahme zum neuen Chips Act der Europäischen Union, mit dem den Förderprogrammen der USA und Chinas für ihre Halbleiterindustrie nachgeeifert werden soll. Leider fällt das EU-Modell bei weitem zu gering und eher zu bürokratisch aus.

Wir beschließen den Tag mit einer Debatte zum bevorstehenden EU-ASEAN Gipfel, sowie dem Entwicklungsstand der Allianz für nachhaltigen Kakao von EU-Kommission, afrikanischen Regierungen und Wirtschaft und Organisationen für Fairen Handel.

Hier können Sie beide Debatten live in Deutsch oder einer anderen im Ausschuss gesprochenen Sprache Ihrer Wahl verfolgen.

1. Dezember: Hinter dem ersten Türchen des Adventskalenders erwartet uns wieder eine Sitzung des Handelsausschusses

Wir beginnen mit einer Debatte über die Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und Taiwan. Hartnäckig setzen einige Fraktionen dieses Thema auf die Tagesordnung, um die Kommission unter Handlungsdruck zu setzen und eine Art von formalem Handels- oder Investitionsabkommen auf den Weg zu bringen. Das Problem daran: die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich schon seit vielen Jahren auf eine Ein-China-Politik geeinigt. China sieht Taiwan historisch als Teil von China an, wie dies auch die KMT in ihrer Politik gegenüber China immer als Grundprämisse ihrer Politik gegenüber dem „Festland“ betonte und die Zusammengehörigkeit von China und Taiwan nicht in Frage stellte, nur eben die Regierungsform, und strebt eine Wiedervereinigung an. Wenn Nancy Pelosi oder Reinhardt Bütikofer nach Taiwan reisen und sich dort für die Unabhängigkeit der Insel einsetzen, dann wissen sie ganz genau, dass das von den 1,4 Milliarden chinesischen Bürger*innen auf dem Festland als Provokation empfunden wird. In der Vergangenheit war China durchaus einverstanden, wenn mit Taiwan gewisse Kooperationen vereinbart wurden -  aber immer erst, wenn dieselbe Kooperation zuvor mit Chinas Regierung vereinbart wurde und dann quasi eine Ausdehnung erfährt.

Danach hören wir Berichte über die Umsetzung von Handelsabkommen, deren Abschluss nun jährt. Zunächst geht es um das regionale Handelsabkommen mit Mittelamerika, darunter Honduras, Nikaragua, Panama, Costa Rica, El Salvador und Guatemala. Man kann wohl kaum davon reden, dass das Abkommen diesen Ländern Wohlstand gebracht hätte. Womit sollte es also ergänzt oder abgelöst werden, um zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele in der Region beizutragen?

Danach geht es um das Freihandelsabkommen mit den Staaten der Anden-Region Kolumbien, Peru und Ecuador. Die zehn Jahre seines Bestehens unter rechten Regierungen haben weiter viele Morde an Gewerkschafter*innen und Umweltschützer*innen gesehen. Die vereinbarte Roadmap für mehr Arbeitnehmer*innenrechte wurde mit wenig Enthusiasmus begonnen. Ich werde nachfragen, wie es unter der linken Regierung aussieht. Vor allem aber werde ich gegenüber der EU-Kommission darauf drängen, eine unabhängige große ex-post Analyse darüber in Auftrag zu geben, welche positiven und negativen Konsequenzen sich aus diesem Freihandelsabkommen für Europa und für die Bevölkerung in den Partnerländern ergeben haben.

Hier können Sie wieder live die Debatten verfolgen.

1. Dezember: AFCO-Sitzung zum Europarat, Europäischem Wahlrecht und Cybersicherheit

Die Sitzung in der kommenden Woche beginnt mit einer öffentlichen Anhörung zu den institutionellen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Europarat, wie sollen die Beziehungen zwischen diesen beiden Gremien weiter entwickelt bzw. ausgestaltet werden - auch vor dem Hintergrund der jüngst in Prag einberufenen neuen  „Veranstaltung“ der Europäischen Politischen Gemeinschaft, die ja als offenes Gesprächsforum auch keine Eintagsfliege bleiben soll, und sicherlich strukturiert gehört, wenn es mehr als eine weitere Gipfeldiplomatie Angelegenheit sein will.  Und da gehört sicherlich auch der Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtscharta und damit das Verhältnis zum Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hinzu - ein Thema, das uns seit dem in Kraft getretenen Lissabon-Vertrags umtreibt. Denn es geht dabei v. a. um die rechtsverbindlichen Kompetenzstellungen der beiden europäischen Gerichtshöfe.

Im Anschluss an die Anhörung wird noch ein Initiativ-Bericht abgestimmt, der sich mit dem aktiven und passiven Wahlrecht bei Europa-Wahlen für Unionsbürger*innen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, auseinandersetzt. Gerade im Hinblick auf die anstehenden Wahlen in 2024 ist dies natürlich von besonderer Bedeutung.

Den Abschluss der Sitzung bildet jedoch eine Debatte zur Cybersicherheit der europäischen Institutionen. Erst am vergangenen Mittwoch war das Europäische Parlament Opfer einer sogenannten DDOS-Attacke geworden – die Server waren so überlastet, dass die Website des Parlaments sogar teilweise offline gehen musste. Das Ziel des nun vorliegenden Berichts ist es, entsprechende Schulungen für ausnahmslos alle Mitarbeitenden von EU-Institutionen als verpflichtend festzulegen und das Budget für Cybersicherheit signifikant zu erhöhen. Vor der Erfahrung der letzten Tage und den Herausforderungen des Informationszeitalters unterstütze ich diese Forderungen.

2. Dezember: Feedback der Bürger*innen und institutioneller Austausch zur Zukunftskonferenz

Seitdem die Konferenz zur Zukunft Europas (COFE) im Mai zu Ende gegangen ist, steht die Frage im Raum, was nun im Anschluss mit den von den Bürger*innen ausgearbeiteten 49 Empfehlungen passieren soll. Mein Anliegen war es von Anfang an, mich für eine weitest mögliche Umsetzung dieser Vorschläge einzusetzen – einschließlich der Öffnung der Europäischen Verträge, die notwendig ist um die Bürger*innen-Empfehlungen real umzusetzen. Auch dort, wo die bisherigen Vertragsgegebenheiten des ordinären Gesetzgebungsprozesses nicht ausreichen. Alle Institutionen der Europäischen Union stehen im Wort und es geht mehr als „nur“ um den einen oder anderen Schritt in den oben genannten konkreten Fragestellungen. Es geht insgesamt um die Glaubwürdigkeit von Politik, um die Glaubwürdigkeit in die demokratischen Grundlagen unserer Gemeinwesen.

Mit dieser Meinung bin ich im Parlament nicht alleine: Dieses hat im Juni nämlich mit großer Mehrheit beschlossen, den Prozess für die Ausrichtung eines Europäischen Konvents anzustoßen – das Format, in welchem eine neue Verhandlung über die grundsätzliche Verfasstheit der EU zwischen den Mitgliedstaaten möglich wäre. Auch Ursula von der Leyen hat in ihrer letzten Rede zur Lage der Union erklärt, dass wir die Kommission in dieser Frage auf unserer Seite wissen sollen. Allein der Rat – also die Mitgliedstaaten selbst – ist, wie schon mehrmals dieses ganze Hin und Her hier beschrieben wurde, bisher noch immer nicht ernsthaft bereit, seine verbalen Lippenbekenntnisse vom Mai in Taten umzusetzen. Die Regierungen und Parlamente in den Mitgliedstaaten sind also weiterhin gerade von den Bürger*Innen selbst, aber auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Bewegungen und den jungen Menschen insbesondere zu befragen, wann endlich die Frage beantwortet wird: wie halte ich es mit dem Bürger*innenwillen und der Umsetzung der Abschlusserklärung der EU-Zukunftskonferenz.

Während es über den Verlauf der COFE hinweg viele Debatten auch über die Einbindung von Elementen partizipativer Demokratie in unser repräsentatives System gegeben hat, steht nun der 'Follow Up'-Prozess auf der Agenda – und am kommenden Freitag auch ganz offiziell auf der Tagesordnung des Europäischen Parlaments. Neben einleitenden Worten der Parlamentspräsidentin und Reden von Parlamentarier*innen werden auch die Kommission und der Rat zu Wort kommen und den „Botschafter*innen“ der Bürger-Panels Rede und Antwort stehen müssen. 

Viele Bürger*innen -Empfehlungen beinhalten konkrete Vorstellungen und Fragestellungen nach einer sozialeren und ökologischeren EU. Eine wichtige Dimension angesichts der Auswirkungen der Pandemie auf jede*n Einzelne*n - und angesichts der Folgen des andauernden russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Das Parlament hat den Verfassungsausschuss beauftragt seinerseits konkrete Textvorschläge in Anlehnung an die Bürger*innen-Empfehlungen für mögliche Vertragsänderungen vorzubereiten.  Als politische und gesellschaftliche Linke dürfen wir diese Aufgabe, aber zugleich auch Chance, an einer Neufassung oder auch nur Veränderung der Grundlagen dieser EU mitzuarbeiten, nicht ernst genug nehmen. Eine andere Politik durch eine anders formierte EU ist möglich. Wie groß diese Aufgabe ist zeigt allein ein Blick nach Italien, Schweden oder auch Ungarn. Aber auch nach innen, in unsere Realitäten.

2. Dezember: zum TLD nach Washington

Am 2. und 3. Dezember findet das bereits 85. Treffen des sogenannten „Transatlantic Legislators‘ Dialogue“, also der Parlamentarische Zusammenarbeitsausschuss beider Parlamente, d. h. des Europaparlaments und der beiden Kammern des US-Kongresses, Repräsentantenhaus und Senat, in Washington statt.  Als Mitglied der US-Delegation des EP und auch des TLD bin ich auf den ersten Dialog mit den Kolleg*innen von über dem Teich nach den Kongress-Zwischenwahlen gespannt. Begleitet werde ich von Karin Schüttpelz, der Leiterin der außenpolitischen Abteilung unserer Fraktion.

Zentrale Themen sind einerseits außenpolitische Schwerpunktsetzungen, also der Krieg gegen die Ukraine und die künftige Unterstützung von Wiederaufbau und Demokratie in der Ukraine, aber auch in Moldau. Dort herrscht durch die de facto gegebene 100%ige Abhängigkeit von ausländischen Stromlieferungen akute Energiemangel und -armut. Denn die Lieferungen aus der Ukraine sind durch die Zerstörungen weggefallen - und auch aus Transnistrien, der abgespaltenen Region und dem so entstandenen sogenannten eingefrorenen Konflikt, kommt kein Strom mehr.  Aber auch die dramatische Situation im Iran wird uns beschäftigen.

Neben diesen aktuellen Aspekten internationaler Politik geht es ferner um die Digitalisierungs-Themen des TTC, sowie um die unterschiedlichen Politiken auf beiden Seiten des Atlantiks zur Eindämmung der Inflation.

Am Samstag brechen wir dann tatsächlich alle gemeinsam mit Bussen nach Mount Vernon auf. Dort, am historischen Landsitz George Washingtons, ist am zweiten Tag des TLD eine Debatte über das Verhältnis zu China und die Belastbarkeit bzw. Widerstandsfähigkeit wichtiger Lieferketten vorgesehen. Erst zum Abschluss sollen auch noch die Themen Klimawandel und Energiesicherheit nach COP-27 beraten werden, wohl auch dem Schlagabtausch zwischen den beiden großen Parteien im US-Kongress nicht zufällig als letztes auf die Agenda gelangt. Doch Sie können sicher sein, dass ich diese wichtigste gemeinsame Herausforderung und Aufgabe für die Menschheit bereits früher immer wieder in die Diskussion einbringen werde.

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