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Helmut Scholz, MdEP
Zwischen Zeuthen und Brüssel, Ausgabe 96, 14. April 2023
Liebe Leser*innen,

auch in dieser Woche muss ich meinen Newsletter mit einem „medizinischen Bulletin“ beginnen: Trotz Fortschritten bei meiner Genesung erlauben es mir die Ärzt*innen noch nicht, in der kommenden Woche zur Plenarsitzung nach Straßburg zu fahren. Ich werde also „nur“ am PC-Bildschirm einige der vielen wichtigen Plenar-Debatten verfolgen können, eine digitale Abstimmung ist nicht möglich - wir haben uns als parlamentarische Volksvertretung in der Geschäftsordnung, auch in Umsetzung der Lehren aus der Corona -Pandemie, auf Präsenz-Abstimmungen im Plenum verständigt. Vielleicht können Sie auch einige dieser Debatten im Webstreaming verfolgen.

Ich möchte auf einige wichtige Punkte der Tagesordnung verweisen. Erneut wird es am Montagabend die Gemeinsame Aussprache und dann am Mittwoch die Abstimmung zu Gesetzgebungen im Rahmen des „Fit for 55“-Paketes geben. Dabei geht es um die Revision des EU Emissions-Handelssystems, die Beobachtung, Berichterstattung und Verifizierung der CO2-Emssionen aus dem internationalen Seeverkehr, weiterhin erneut um das CO²-Grenzausgleichssystem der EU (CBAM - Carbon Border Adjustment System) und den Klima-Sozial-Fonds der EU. Aber auch die international sehr aufmerksam verfolgte neue EU-Gesetzgebung im Kampf gegen Entwaldung und notwendige Verpflichtungen für Politik und Wirtschaft aller 27 EU-Mitgliedstaaten und im Bereich des internationalen Handels wird am Montag diskutiert und am Mittwoch zur Abstimmung gegeben.  In diesen Themenkomplex gehört dann auch noch die Anhörung der Kommission und Aussprache im Parlament zum jüngsten Weltklimabericht des IPCC zum Klimawandel: Eine nachdrückliche Aufforderung für zusätzliche dingliche Maßnahmen dann am Donnerstagvormittag.

Keine Plenarwoche ohne die Reihe der Europareden von Präsidenten bzw. Ministerpräsident*innen der 27 EU-Mitgliedstaaten oder anderer hochrangiger Gäste. Diesmal werden Dienstag die Präsidentin Georgiens, Salome Zourabichvili, und am Mittwoch der Premierminister Luxemburgs, Xavier Bettel, die Abgeordneten über ihre Sicht auf die Europäischen Herausforderungen informieren. Für mich als Mitglied des Verfassungsausschusses (AFCO) ist auch die Aussprache mit der Kommission über Schlussfolgerungen aus dem „Europäischen Jahr der Jugend“ (2022) mit Blick auf Verantwortung der Politik auf EU-Ebenen als auch in den Mitgliedsländern auf allen Entscheidungsebenen ein dringlicher Tagesordnungspunkt.

Ich muss hier aber auch noch auf 2 Tagesordnungspunkte inhaltlich kommentierend eingehen: die Stellungnahme von Europäischer Kommission und Rat zu den Beziehungen zwischen EU und China mit anschließender 3-stündiger Debatte findet in einer wichtigen Phase der internationalen Entwicklung - politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich - statt. Denn ich habe, auch in meinem Newsletter, immer wieder betont: Es wird allerhöchste Zeit, eine EU-China-Strategie vorzulegen, die mehr ist als der Versuch, China als Konkurrenten klein zu halten und nur im Fahrwasser der transatlantischen Beziehungen zu verharren. Denn zwei Dinge sind unumstritten: Erstens ist China heute einer der größten globalen Player, ja, ich wage sogar die These: vielleicht in einigen Jahren der größte. Hinzu kommt die Rolle, die China in neu entstehenden oder stärker werdenden Bündnissen spielt. Sowohl in Asien wie auch im globalen Rahmen – wie mit den BRICS-Staaten, zu denen neben China auch Russland, Südafrika, Brasilien und Indien (das seit dieser Woche übrigens bevölkerungsreichstes Land der Erde ist und gegenwärtig auch den G 20 Vorsitz innehat) – entstehen neue Kooperationsstrukturen, die wesentlich sowohl den Welthandel als auch die Wirtschaftsentwicklung im 21. Jahrhundert im digitalen Zeitalter und des Klimawandels prägen werden. Letztlich wirkt sich dies schon jetzt - und wir stehen erst am Anfang eines gravierenden Umbruchs der Weltökonomie - auf die geopolitischen Zusammenhänge aus und wirft tiefgreifende Fragen des demokratischen, nachhaltigen und friedlichen Zusammenlebens der Staaten auf.

Zudem, und das ist der mir wichtige Punkt zwei, sind alle wichtigen Herausforderungen unserer Zeit nicht ohne oder gar gegen China zu lösen. Wenn wir die UN-Nachhaltigkeitsziele zum Maßstab des europäischen und globalen Handelns machen, müssen wir die Volksrepublik als Partner gewinnen. Das bedeutet auf China zuzugehen, Angebote und eigenen Positionen zu unterbreiten, den Dialog in den Mittelpunkt des bilateralen Verhältnisses zu stellen und zugleich auch zu verstehen, was zu berücksichtigende Lehren und Erfahrungen aus den letzten 200 Jahren im Verhältnis Europa - China sind. Und dies, ohne problematische Fragen – Stichworte Tibet, Taiwan. Xinjiang, Hongkong – auszublenden. Dieser Dialog ist umso wichtiger, als auch das internationale System von diesem bilateralen Verhältnis EU-China geprägt wird, und deshalb ist dieser Dialog kritisch, offen, konstruktiv und ohne die üblichen Drohgebärden zu gestalten.

Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht Wunder, dass sich in diesen Tagen europäische Spitzenpolitiker*innen in Peking praktisch die Klinke in die Hand gegeben haben. Gerade ist die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vor Ort, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen reiste gemeinsam mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron nach China – der eine große Wirtschaftsdelegation mitbrachte. Allein dies zeigte schon, dass Wirtschaftsaspekte im Mittelpunkt der Konsultationen standen.

Natürlich ging es bei den Gesprächen auch um die brisanten Fragen der Weltpolitik, wie den Ukraine-Krieg und den Konflikt um Taiwan. Bei beiden kann Peking eine Schlüsselrolle spielen. Dass China keine Waffen an Russland für den Ukraine-Krieg liefern will, wie in den letzten Monaten mehrfach betont, ist sicher eine wichtige Positionierung des Ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieds. Ob und wie die chinesische Führung in Moskau vermitteln kann, bleibt auszuloten. Sicher nicht allein und nicht ohne das Mitwirken auch anderer wichtiger Staaten, gerade der BRICS Staaten. Und nicht zufällig ist auch gerade jetzt der Präsident Brasiliens, Lula, in Beijing.  Und auch die EU und die EU27 sind sicherlich gut beraten zu erkennen, dass die alleinige Sicht aus Westeuropa und bestimmte, oftmals ultimative Forderungen im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts nicht mehr der alleinige Maßstab für das Funktionieren einer wirklich multilateralen, regelbasierten internationalen Ordnung mehr sein werden. Wir, aber auch China, sind vielmehr gefordert, dieses neue Verhältnis dialogisch zu erarbeiten. Zumal es in dem Ukraine-Krieg in erster Linie die Ukraine und Russland sind, darüber hinaus es aber auch weitere Seiten gibt, die einbezogen werden müssen. Und schon gar nicht darf es sein, dass die Verantwortung für die politische Lösung nun Beijing allein zugeschoben wird, während internationale Organisationen und westliche Staaten noch nicht erkennbar ernsthafte Bemühungen für eine Verhandlungslösung unternehmen. Diplomatisches Fingerspitzengefühl ist übrigens ebenso in der Taiwan-Frage erforderlich. Seit 1971 spätestens hat die internationale Staatenwelt die „Ein China-Politik“ völkerrechtlich anerkannt und damit halte ich ein Zündeln an diesem Souveränitätsverständnis für gefährlich. Die Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten jetzt vor dem Hintergrund eigener geopolitischer und v. a. geowirtschaftlicher Interessen zu instrumentalisieren, kann Frieden und Stabilität in der Welt, die Welt-Wirtschaft, vor allem aber das gesellschaftliche Zusammenleben überall gefährden. Publicityträchtige Besuche westlicher Politiker*innen in Taipeh, die eher auf die heimische Wählerschaft zielen, sind wenig hilfreich. Und auch hier lohnt sich durchaus ein Blick in die Geschichte, um heutige Realitäten zu erkennen und nicht umzudeuten.

Auch bei einem anderen Problem wurde in dieser Woche offensichtlich, dass es Handlungsbedarf für die EU und ihre Mitgliedsstaaten gibt – ich meine den sogenannten Migrationsnotstand in Italien. Sicher, die italienische Rechtsregierung nutzt das Thema für ihre durchschaubare rechtspopulistische Propaganda. Aber Tatsache bleibt eben auch, dass gerade die europäischen Mittelmeeranrainer bei Aufnahme und Versorgung Geflüchteter allein gelassen werden. Die gemeinsame Position und ein gemeinsames Handeln der EU, was gerade jetzt hinsichtlich Pekings eingefordert wird, wäre hier sicher ein Gebot der Solidarität – gegenüber den Geflüchteten und Asylsuchenden wie auch gegenüber den Küstenregionen, die oft genug bei der Versorgung der Menschen alleingelassen werden.

Ihr

Helmut Scholz

Potsdamer Europafest am 5. Mai

Und dies bereits jetzt zum Vormerken: Am 5. Mai findet in der Europawoche das alljährliche Potsdamer Europafest statt, an dem auch ich teilnehmen werden.

Nähere Infos folgen in einem der kommenden Newsletter.

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