Nordirischer Friedensprozess und Brexit-Verhandlungen sind kein Kuhhandel!

16.08.2017

Zum Vorstoß der britischen Regierung, in den Brexit-Verhandlungen die Frage nach der künftigen Grenze zwischen Irland und Nordirland mit den künftigen Handelsbeziehungen zu verknüpfen, kommentiert der Europaabgeordnete der LINKEN und handelspolitische Sprecher der GUE/NGL-Fraktion, Helmut Scholz, Mitglied auch des konstitutionellen Ausschusses:

„Der Frieden auf der irischen Insel ist zu wertvoll, um ihn zum Faustpfand in den Verhandlungen über den Brexit zu machen. Sowohl in den Leitlinien der EU-Kommission für die Verhandlungen als auch in den Bedingungen des Europäischen Parlaments ist klar definiert, dass der nordirische Friedensprozess über alle Verhandlungsschritte hinweg unbedingt gesichert bleiben muss. Das hat seinen guten Grund: Die mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 eingeleitete Befriedung des jahrzehntelangen blutigen Nordirlandkonflikts ist aufs Engste mit der ökonomischen und sozialen Entwicklung auf der irischen Insel verknüpft. Den Rahmen dafür hat nicht zuletzt die EU geschaffen, denn sie ermöglichte es, dass beide Teile der irischen Insel zusammenwachsen konnten, ohne als Voraussetzung hierfür die offene nationale Frage lösen zu müssen. Wenn die in den vergangenen Jahrzehnten gewachsenen Bindungen durchschnitten würden, könnte sich die Lebenssituation der Menschen rapide verschlechtern, alte Konflikte drohten neu aufzuflammen.

Zugleich haben Europäisches Parlament wie EU-Rat eindeutig festgestellt, dass die künftigen handelspolitischen Beziehungen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich erst nach einer Klarstellung des künftigen Verhältnisses Großbritanniens zur EU verhandelt werden kann und dass dazu auch die Anerkennung und Gewährleistung der erworbenen Rechte von Millionen EU-Bürgern in Großbritannien wie die der britischen in der EU 27 gehörten.

Wer die positive Entwicklung auf der irischen Insel nun leichtfertig aufs Spiel setzt, um damit Vorteile in anderen Verhandlungsbereichen zu erreichen, handelt unverantwortlich. Der Vorstoß aus London zeigt aber einmal mehr, wie sinnvoll die Forderungen der Linksfraktion im Europäischen Parlament sind: Ein spezielles Komitee sollte sich kontinuierlich mit den Auswirkungen der verschiedenen Verhandlungspunkte auf den Konflikt auf der irischen Insel beschäftigen; auch eine Arbeitsgruppe aus Abgeordneten der nationalen Parlamente und des Europaparlaments wäre in dieser Hinsicht sinnvoll.

Und nicht zuletzt: Gerade der Brexit und die Folgen für die irische Insel führen noch einmal ganz deutlich vor Augen, wie dringlich und überfällig die gesamtgesellschaftliche Debatte über die künftige EU-Entwicklung in allen 28 EU-Mitgliedstaaten ist - einschließlich der sozialen Dimension und demokratischen Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger.“

16.08.2017

 

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