Brexit-Verhandlungen: Tanz auf der Titanic

25.10.2018

Im Rahmen einer kritischen Bilanzierung der jüngsten Tagung des Europäischen Rats stand am gestrigen Mittwoch im Europäischen Parlament erneut der Stand der Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien zur Debatte. Dazu Helmut Scholz, Mitglied im EP-Ausschuss für Konstitutionelle Fragen (AFCO):

„Die Trippel-Einlage der britischen Premierministerin Theresa May war ein Tanz auf der Titanic. Denn trotz des öffentlich zur Schau gestellten Optimismus‘ stagnieren die Verhandlungen. Das Vereinigte Königreich muss nun endlich einmal die klare politische Aussage machen: ‚Ja, wir wollen einen Vertrag.‘ Alle Verlautbarungen aus London über eine bereits erzielte 90 oder 95 prozentige Fertigstellung des Vertrages bleiben politisches Taktieren und Scheinmanöver.“ kommentiert Scholz.

„Für uns gilt ganz eindeutig: Ohne Verankerung der Bürger*innenrechte, inklusive der Anerkennung der Personenfreizügigkeit und eines definierten ‚Backstops‘ zur Grenzfrage mit Irland unter Einhaltung des Karfreitagsabkommens, wird es keinen Vertag geben können. Politisch stellt sich damit die Frage: Gibt es noch einen Spielraum für Kompromisse oder ist der ungeregelte Brexit nicht schon längst in den politischen Verhältnissen fixiert und nur noch nicht ‚verabredet‘?“

Die Leidtragenden wären die etwa fünf Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger, die im Vereinigten Königreich oder in den EU-Mitgliedstaaten leben. „Für sie wäre ein solcher ‚no-deal‘ die schlechteste aller möglichen Lösungen, denn ziemlich schnell würden sie sich in einer rechtlich prekären Situation befinden: Die mit der EU-Mitgliedschaft ihrer Staaten erworbenen fundamentalen Bürgerrechte würden einfach verschwinden und es gäbe auch keine Instrumente mehr, diese einzuklagen. Zuzugs- und Aufenthaltsrechte, Arbeitserlaubnisse, aber auch Rentenansprüche, der Zugang zu Gesundheitsdiensten oder die Anerkennung von Berufserfahrungen gehören für mich zu solchen Grundrechten, die nicht zur Disposition gestellt werden dürfen.“

„Vor allem aber ist auch das zukünftige Verhältnis zu Nordirland nach wie vor ungeklärt. Die Linksfraktion im Europäischen Parlament (GUE/GNL) hat stets darauf gedrängt, dafür eine Lösung zu finden, die die mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 eingeleitete Entwicklung fortsetzt. Wenn die in den vergangenen Jahrzehnten gewachsenen Bindungen durchschnitten würden, könnte sich die Lebenssituation der Menschen rapide verschlechtern und alte Konflikte drohten erneut aufzuflammen.“

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