Nach den Europawahlen ist vor den Europawahlen

24.11.2020
Helmut Scholz
happy young blonde girl demonstrator sporting the European flag

Helmut Scholz, verfassungspolitischer Sprecher von DIE LINKE. im EP, kommentiert die heutige Plenardebatte ‚Bestandsaufnahme zu den Wahlen zum Europäischen Parlament‘: „Nur 50,6% der Wahlberechtigten nahmen an der letzten Europawahl teil. Dies war zwar die höchste Wahlbeteiligung seit 20 Jahren, die Enthaltungsrate bleibt damit aber noch immer viel zu hoch. Wir brauchen neue Ideen sowie institutionelle und strukturelle Veränderungen. Es geht um einen Stützpfeiler der demokratischen Teilnahme an der Architektur der EU und um Vertrauen in Politik – auf allen Ebenen der Europäischen Union.“


Scholz weiter: „Konkrete Vorschläge, die Wahlen nicht nur politisch aufzuwerten, sondern auch attraktiver zu gestalten, sind im Bericht aufgeführt: Das Spitzenkandidat*innensystem ebenso wie die Einführung transnationaler Listen. Für viele sind solche Veränderungen noch immer ein rotes Tuch, weil sie eine Politisierung des Wahlprozederes und natürlich auch Nachdenken und Diskurs über die EU selbst provozieren. Die Menschen in allen 27 EU-Mitgliedstaaten müssen wissen, warum sie Abgeordnete in die einzig direkt gewählte, gesetzgebende Institution der EU wählen und dann auch Rechenschaft über deren Tun für ihren Alltag verlangen können. Hier liegen gewaltige Chancen für die Demokratisierung europäischer Integration und gemeinschaftliches Agieren zum Nutzen aller in der EU. Das teile ich ausdrücklich."

Scholz weiter: "Geschlechterausgewogene Wahllisten, um die Genderbalance der Abgeordneten zu gewährleisten, sind überfällig. Das thematisiert der Bericht und das braucht sicherlich bis 2024 noch viel gesellschaftliche Schubkraft quer durch die EU. Außerdem wichtig wäre ein EU-weites Wahlrecht ab 16 Jahren – auf EU und mitgliedstaatlicher Ebene. Denn die letzten Europawahlen haben gezeigt, dass sich gerade junge Menschen für europäische Politik interessieren, weil sie wissen, dass viele Aufgaben nur noch gemeinsam angegangen und gelöst werden können, nicht zuletzt die Klimafrage. Bei den nächsten Europawahlen ist zugleich sicherzustellen, dass für alle Wahlberechtigten gleiche Chancen und barrierefreier Zugang bestehen - auch für EU-Bürgerinnen und -Bürger, die außerhalb ihres Herkunftslandes leben, für Obdachlose und Gefängnisinsassen.“


Abschließend kommentiert Scholz: „Die Bestandsaufnahme der Wahlen bildet die noch vorhandenen Demokratiedefizite in der EU deutlich ab und ist auch ein wichtiger Beitrag für die anstehende Konferenz zur Zukunft der EU.“