Bewerbungsrede auf der Vertreterinnen- und Vertreterversammlung der LINKEN in Bonn

Helmut Scholz begründet seine Kandidatur für die Bundesliste der Partei DIE LINKE zur Wahl des Europäischen Parlaments am 26. Mai 2019

23.02.2019
Helmut Scholz
Helmut Scholz während seiner Rede in Bonn

Liebe Genossinnen und Genossen,

worum geht es am 26. Mai? Es geht darum, welche politischen Kräfte im EU-Parlament Gesetze erlassen werden, die unser aller Leben zutiefst beeinflussen. Ja, es geht um Macht.

Ich will nicht, dass in einer sich so dramatisch ändernden Welt mehrheitlich Abgeordnete von Parteien eines Orban, einer Le Pen, eines Salvini oder gar Vox die Gesetzgebung im Europäischen Parlament beeinflussen. Oder dass es einfach nur so weiter geht wie bisher. Das darf nicht sein!

Und ehrlich: Ich bin es leid, dass wir uns in der Partei in EU-Befürworterinnen und -Befürworter oder –Gegnerinnen und Gegner aufspalten. Marx hat richtigerweise gesagt: Proletarier aller Länder - die gender-gerechte Sprache hatte er noch nicht drauf - vereinigt Euch. Wir leben in einer Welt, in der die Wertschöpfung global erfolgt und wo Umsatzgewinne transnational agierender Unternehmen das BIP vieler Länder übersteigen. Wir leben in einer Welt, in der wir vom Wachstumsfetisch wegkommen müssen, mit konkreten politischen Vorschlägen zur Gestaltung, wie wir produzieren und konsumieren. Wenn wir Marx ernst nehmen, dürfen wir das nicht auf das Nationale beschränken.

Wir LINKE müssen die realen Verhältnisse annehmen, wenn wir sie umkrempeln wollen. Darunter geht es nicht! Das erwarten zu Recht Bürgerinnen und Bürger von einer linken sozialistischen Partei. Die Europäische Union ist für unsere Politik Realität, sie ist aber eine von den Regierungen der Mitgliedstaaten bestimmte Realität. Das ist in einem Staatenverbund so, denn die Summe kann nicht mehr sein, als die Einzelmitglieder es zulassen. Die Mitgliedstaaten müssen ihre Politik verändern, wenn die EU sich ändern soll. Deshalb brauchen wir eine starke Linke im Bundestag und im Europäischen Parlament. Wir brauchen mehr als eine Radikalisierung der Sprache, eine Radikalisierung unserer Politik.

Wir wollen alle gemeinsam solidarische, menschliche Gesellschaften auf diesem unseren Kontinent, in dieser EU. Das setzt die Veränderung vieler vertraglicher Grundlagen voraus. Aber auch im nächsten Parlament, bei allem Optimismus, wird die Linke nicht die Mehrheit haben. Daher, liebe Genossinnen und Genossen: strengen wir unseren Kopf gemeinsam mit den vielen zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren, mit Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern sowie im permanenten Gespräch mit Bürgerinnen und Bürger an, wie wir konkret zu einem Europa der Menschen und Regionen kommen. Wir wollen eine EU, in der der Mensch im Mittelpunkt steht. Das Primat der Politik ist hierfür zurückzugewinnen.

Das geht aber nur, wenn unsere Forderungen und Vorschläge konkret sind und wir uns als deutsche Linke nicht selbst genügen. Gemeinsam mit den anderen in der Europäischen Linkspartei und der GUE/NGL vertretenen Parteien müssen wir es tun. Und mit anderen Linken, die heute noch nicht dabei sind.

Liebe Genossinnen und Genossen,

seit 2009 vertrete ich die Ziele unserer Partei und die Belange unserer Wählerinnen und Wähler im Europäischen Parlament. Zu meinen Erfolgen gehören die Ablehnung von ACTA, die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative sowie der Startschuss zu einer kritischen Bewegung zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA - TTIP, zu CETA oder jüngst zum Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Japan. Ich bin froh, dass wir in dieser Legislatur die Konfliktmineralienrichtlinie als Gesetz auf den Weg gebracht haben: Wenn wir unser Smartphone in die Hand nehmen oder den Fernseher anschalten, können wir zukünftig gewiss sein, dass alle Unternehmen gesetzlich verpflichtet sind, nachzuweisen, dass aus ihren Geschäften keine Warlords oder korrupten Regimes finanziert werden. Die Quellen blutiger Konflikte werden endlich ausgetrocknet werden.

Liebe Genossinnen und Genossen,

auch deshalb darf Fairer und Ethischer Handel nicht länger Verkaufsslogan sein, sondern muss Freihandel ersetzen. Ein “America first”, ein „Italien first“ oder ein „Österreich first“ stellen keine Abkehr vom neoliberalen Freihandel dar, sondern sind nur ein Rückfall in die Regellosigkeit und Willkür. Umwelt-und Sozialdumping ist nicht zu dulden, die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN-2030-Agenda müssen wir zu zentralen Kriterien von EU-Politik machen.

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir sind gefordert, eine wahrhafte Idee einer EU zu erarbeiten, in der die Interessen der Menschen und nicht jene der Wirtschaft und des Kapitals dominieren. Wie im Manifest von Ventotene!

Und deshalb: Mit Schwung und Optimismus sowie Kraft in einen erfolgreichen Wahlkampf!

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