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Die Politik verbleibt im Nebel

15.07.2010

In einem Redebeitrag auf einer am 29. Juni 2010 von den Grünen organisierten Konferenz zum Thema Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD) und Konfliktverhütung kritisierte Helmut Scholz die fehlende Fixierung des EAD am Friedenserhalt, der Stärkung der internationalen Sicherheit und der friedlichen Verhinderung von Krisen.

Ich möchte meiner Kollegin Hautala danken, dass sie diese Veranstaltung so kurzfristig einberufen hat. Ich halte sie gerade in der gegenwärtigen Zeit als besonders wichtig, weil sie uns nach den wochenlangen Debatten um Organisationsfragen beim Aufbau des EAD auf eine wichtige politische Fragestellung der Zeit zurückholt: Was ist die krisenverhindernde und friedenstiftende Funktion Europas in einer an Komplexität und Widersprüchen zunehmenden Welt?

Bei den vielfältigen und langwierigen Debatten um die Ausgestaltung des Europäischen Auswärtigen Dienstes haben sich die großen Fraktionen im Europäischen Parlament in den letzten Wochen vor allem auf die Sicherung der erreichten bzw. der nach "Lissabon" nunmehr auszugestaltenden neuen Machtbalance konzentriert. Der Berichterstatter im Auswärtigen Ausschuss, Herr Brok, hat in diesem Zusammenhang immer wieder darauf verwiesen, dass es um das neue Wechselspiel zwischen den verschiedenen Zentren in der EU auf der Basis des Vertrages von Lissabon ging. Inhaltlich-politische Aussagen beschränkten sich im Wesentlichen auf die Begriffe wie "kohärent", "leistungsstark" und "effizient". Als GUE/NGL-Fraktion sind uns mehr Rechte und vor allem ein Mehr an Beteiligung für das Europäische Parlament nicht gleichgültig, im Gegenteil. Seit längerem fordern wir eine deutliche Demokratisierung europäischer Strukturen. Und dabei geht es vor allem darum, die eigentliche Politik in den Mittelpunkt zu stellen.

In Bezug auf die gegenwärtige Aufbauphase des EAD bedeutet dies: die Organisationsstrukturen des Dienstes müssen vor allem der Politik dienen, sie möglich machen, d.h. sie sind in der Konsequenz nicht nur durch die Politik zu setzen, sondern aus ihr abzuleiten. Folgt man diesem Ansatz nicht, hat es zur Folge, dass man der neuen Organisation kein klares konstituierendes Selbstverständnis gibt. Gerade hier setzt unsere Kritik beim strukturellen Zustandekommen des EAD an. Zudem darf ich hier unterstreichen: In vielen Aspekten der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU wollen wir einen grundlegend anderen politischen Ansatz.

Machen wir es konkret: Die Herren Brok, Verhofstedt und Gualtieri legen uns für die nächste Woche Ergebnisse zur Abstimmung auf den Tisch, die vielleicht einer neuen, vielleicht weitaus stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments dienen. Aber die zu verfolgende Politik verbleibt im Nebel, in der Unschärfe. In dem vorliegenden Dokument werden zwar viele Bezüge zu den verschiedenen konstituierenden Verträgen hergestellt (Artikel 3 Absatz 5, Artikel 21 Absatz 1), um die juristische Legitimation von Ergebnissen auch gegen die Gefahr späterer unterschiedlicher Auslegungen abzusichern. Ich muss in diesem Kontext aber konstatieren, dass in dem ganzen sogenannten Kompromiss keine Referenzierung auf den Artikel 21, Absatz 2 c erfolgt, in dem es neben dem Friedenserhalt und der Stärkung der internationalen Sicherheit vor allem um unser heutiges Thema, die Konfliktverhütung geht. Rückgekoppelt auf die konkreten Organisationsstrukturen des EAD finden wir in den Dokumenten in der Folge nicht nur verschwommene Bezeichnungen für die geplanten Abteilungen oder Bereiche, sondern, was in der Konsequenz viel schwerwiegender ist: Es gibt keine Beschreibungen der politischen Zwecksetzung für diese neue Strukturen.

Am Beispiel des EAD lernen wir wieder einmal, dass vergebene "Chancen" einen irgendwann wieder einholen. Dass dieses aber in Wochenfrist geschieht, ist kein (französischer) Verstoß gegen die guten Sitten (so sinngemäß Herr Brok), sondern der Kern des politischen Problems. Ganz offensichtlich sieht Frankreich in der Unschärfe der vorliegenden Regelungen einen konkreten Spielraum für die Umsetzung eigener Interessen.

Das NEIN meiner Fraktion zum Europäischen Auswärtigen Dienst ist kein NEIN zur Krisenprävention. Die EU hat auch in diesem Bereich ein großes Potenzial und eine ebensolche Verantwortung. Wir sollten in der nächsten Zeit sehr ernsthaft darüber diskutieren, wie die politischen Strukturen der EU aber auch alle Akteure, einschließlich der zivilgesellschaftlichen Ebene, dieses Potenzial ausschöpfen können und welches dabei die politischen Verpflichtungen in Richtungen EAD sein sollten. Dabei muss es in Bezug auf das heutige Thema nach meinem Verständnis um ein zentrales Thema gehen: um die in Artikel 21 Absatz 1 festgeschriebenen multilateralen Lösungsansätze, also um die Frage der Gesamtarchitektur einer internationalen Krisenprävention. In ihr kann Europa eine verantwortlichen Rolle spielen, aber eben nur als ein Partner neben vielen anderen Institutionen - so z.B. den Vereinten Nationen.

Verlieren wir also nicht aus dem Blick, dass die Stunde Null des EAD nicht die Stunde Null des außenpolitischen Agierens des EP ist und es hoffentlich auch nicht wird.

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