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Plenarrede GSP Roll-over Verordnung

29.03.2011

Das Allgemeine Präferenzsystem der Europäischen Union ist eine Errungenschaft der europäischen Handelspolitik. Es öffnet unseren Markt für die ärmsten Länder der Welt für alle Güter außer Waffen. Es ermöglicht den übrigen Entwicklungsländern Handelsvergünstigungen für eine Reihe von Gütern. Und mit dem APS+ enthält es ein interessantes Anreizsystem für Entwicklungsländer, durch Unterzeichnung und Umsetzung der wichtigsten internationalen Abkommen im Bereich Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz noch weitere Vergünstigungen zu erhalten.

Plenarrede GSP Roll-over Verordnung

Teil I

Anrede,

Das Allgemeine Präferenzsystem der Europäischen Union ist eine Errungenschaft der europäischen Handelspolitik. Es öffnet unseren Markt für die ärmsten Länder der Welt für alle Güter außer Waffen. Es ermöglicht den übrigen Entwicklungsländern Handelsvergünstigungen für eine Reihe von Gütern. Und mit dem APS+ enthält es ein interessantes Anreizsystem für Entwicklungsländer, durch Unterzeichnung und Umsetzung der wichtigsten internationalen Abkommen im Bereich Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz noch weitere Vergünstigungen zu erhalten.

Dennoch ist das System nicht ohne Schwachstellen und muss kontinuierlich weiterentwickelt werden. Über die Jahre haben das Europäische Parlament, aber auch die Partnerländer, Unternehmen und NGOs bereits eine ganze Reihe wichtiger Vorschläge zu seiner Verbesserung gemacht. Worauf die ganze Welt nun wartet, ist die Vorlage der Kommission für die notwendige Novellierung. Die Frist hierfür lief eigentlich am 1. Juni 2010 ab.

Die Kommission hat nicht rechtzeitig geliefert und hat mit diesem Versagen eine gefährliche Situation der Unsicherheit für die beteiligten Länder und für Unternehmen innerhalb und außerhalb der EU geschaffen. Denn die bestehende Verordnung läuft eigentlich schon Ende 2011 aus. Sie versuchen nun, die Situation mit einer Übergangsverordnung zu retten. Und nur über diese werden wir am Donnerstag abstimmen.

Ihre Übergangsverordnung ist lediglich eine Verlängerung. Sie ändert nichts, sie verbessert nichts und sie setzt die neuen Vorgaben nicht um, die sich aus dem Vertrag von Lissabon ergeben. Das hat im Europäischen Parlament und bei mir als Berichterstatter für sehr viel Unmut gesorgt.

Es ist nämlich die Pflicht der Mitglieder des Parlaments, dafür zu sorgen, dass die Rechte und Befugnisse geachtet werden, die der Vertrag von Lissabon den gewählten Vertretern der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union übertragen hat. Ebenso ist es unsere Pflicht darauf zu achten, dass der Verzicht auf Zolleinnahmen auch tatsächlich zu einer Verbesserung der Lage in den Entwicklungsländern führt.

Um die Partner der Europäischen Union vor den Konsequenzen eines langen Verfahrens zu schützen, habe ich dem Handelsausschuss zunächst vorgeschlagen, lediglich diejenigen Elemente der Verordnung (EG) Nr. 732/2008 zu ändern, die notwendig sind, damit das Parlament seine neue Rolle erfüllen kann.

Ich möchte jedoch gleichzeitig betonen, dass ich überzeugt davon bin, dass eine allgemeine Neuformulierung der APS- und APS+-Schemata erforderlich ist.

Dennoch haben wir alle inhaltlichen Änderungswünsche des Parlaments, wie zuletzt im Markov-Bericht 2008 formuliert und wie zum Teil auch jetzt vom Entwicklungsausschuss wieder in Erinnerung gerufen, zunächst zurückgestellt bis zur Arbeit an der echten Novellierung der Verordnung. Ich nenne hier beispielhaft nur einige Stichworte wie Ursprungsregeln, die Länderauswahl, das Monitoring und die technische Hilfe. Und da es die entsprechenden Gerüchte nun einmal gibt, möchte ich hier und heute auch gleich ganz klar sagen, dass ich es ablehnen würde, wenn der neue Entwurf eine unzulässige Verbindung zwischen dem Präferenzsystem und der EU-Rohstoffstrategie oder europäischen Marktzugangsinteressen vorschlagen würde.

In den intensiven Arbeitssitzungen mit dem Rat und mit der Kommission zu den rechtlichen Fragen, die sich für die Übergangsverordnung aus dem Lissabonvertrag ergeben, hat wir uns als Parlament am Ende entschlossen, einen großen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Und ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich meinem Ausschussvorsitzenden Professor Moreira für seine unermüdlichen und nachdrücklichen Vermittlungsbemühungen danken.

Auf der Basis der Zusicherung der Kommission, zentralen Änderungsnotwendigkeiten insbesondere bezüglich der Information und Einbeziehung des Parlaments in der Praxis zu begegnen, haben wir uns entschlossen, sämtliche Änderungsanträge fallen zu lassen und die Übergangsverordnung so in kürzester Zeit in Kraft treten zu lassen. Dies vor allem im Sinne unserer Partner und der betroffenen Unternehmen.

Zu diesen Zusicherungen der Kommission gehört:

- das Europäische Parlament künftig unmittelbar und zeitgleich mit dem Rat über Arbeiten in Verbindung mit den essentiellen Aspekt des APS vollständig zu informieren;

- das EP unmittelbar und gleichzeitig mit dem Rat über alle Entwicklungen zu informieren und alle für das APS relevanten Dokumente zu teilen. Das beinhaltet auch die Berichte zum Status der Ratifizierung von Abkommen in Partnerländern sowie verfügbare Informationen von relevanten Kontrolleinrichtungen mit Hinweisen auf Verfehlungen von APS+ Ländern bei der wirksamen Umsetzung der relevanten Konventionen. Hier möchte ich Sie gleich darauf aufmerksam machen, dass im Parlament die Klagen von Gewerkschaftsseite hinsichtlich der mangelnden Umsetzung in Costa Rica ernst genommen werden. Auch in Georgien sollten Sie aktuell sehr genau hinsehen. Die nach wie vor katastrophale Situation in Kolumbien ist Ihnen längst bekannt.

- die Information des EP über die Aussetzung von Präferenzen nach Artikel 16.3, ebenso über eine Entsprechende Aufhebung, inklusive der entsprechenden Untersuchungsberichte der Kommission nach Artikel 17 Verfahren

- die Information des EP über Safeguard-Entscheidungen nach Artikel 20 oder 21, und zwar vor ihrem Inkrafttreten.

Wir begrüßen zudem die Vorlage von Omnibus I und die Bereitschaft der Kommission zu einer intensiven Diskussion ihrer darin gemachten Vorschläge und mahnen gleichzeitig die Vorlage von Omnibus II mit den Vorschlägen zum Umgang mit delegierten Rechtsakten dringend an.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass wir als Parlament dieses Entgegenkommen für eine Übergangsverordnung zeigen. Damit haben wir unsere Pflicht nicht vergessen, für die Verwirklichung der parlamentarischen Rechte zu kämpfen, die sich aus dem Lissabon-Vertrag ergeben.

Wenn die Kommission endlich die überfällige Novelle der Verordnung vorlegt, dann sollte dieser Entwurf bereits alle nun rechtlich notwendigen Änderungen enthalten, die sich aus dem Lissabon-Vertrag ergeben und die das Parlament zum gleichberechtigten Gesetzgeber gemeinsam mit dem Rat machen.

Teil II

Anrede,

Nachdem wir uns gerade vor allem zu den formalen Aspekten der Übergangsverordnung - abschließend - verständigt haben, nutze ich die Aussprache, kurz einige Ansprüche an die zukünftige APS-Verordnung zu definieren.

Mit der Neufassung der Verordnung sollten folgende grundlegenden Ziele verfolgt werden:

(1)Steigerung der Effektivität des Systems, um die Interessen der begünstigten Länder und der Wirtschaftsbeteiligten stärker zu berücksichtigen; (2)Aufstellung von Vorschriften, die einen geregelteren Reformprozess ermöglichen, der die Einbeziehung der Begünstigten gewährleistet; (3)Sicherstellung, dass die Verordnung der Aufgabe der demokratischen Kontrolle hinreichend Gewicht verleiht, die dem Parlament obliegt.

Das Europäische Parlament hat schon im Jahr 2008 im Bericht Helmuth Markov betont, größere Transparenz und Rechtssicherheit müssen zu einem Markenzeichen der EU werden.

Der neue Vorschlag sollte darauf ausgerichtet sein, das APS zu einem klareren und transparenteren System zu machen.

Zunächst zu den Ursprungsregeln:

Die Ursprungsregeln und die damit zusammenhängenden Verwaltungsverfahren sind einer der Hauptgründe dafür, dass insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder die im APS gewährten Handelspräferenzen zu wenig nutzen können. In der jetzigen Fassung verhindern Ursprungsregeln häufig, dass auf dem Papier existierende Präferenzen positive Auswirkungen haben. Außerdem besteht die Gefahr, dass sie ein Handelshindernis bilden, indem sie kaufmännisch unerreichbare Vorgaben machen und die Präferenzen daher mangelhaft oder gar nicht genutzt werden. Ganz wichtig ist deshalb: die neuen, überarbeiteten Ursprungsregeln sollten gleichzeitig mit dem neuen APS-Schema in Kraft treten.

Die Reform müsste eine regionale Kumulierung zulassen und zudem die Möglichkeit einer horizontalen Kumulierung zwischen Regionen oder einer globalen Kumulierung für die begünstigten Länder von Sonderregelungen des APS vorsehen. In diesem Sinne sind auch günstigere Vorschriften bei den Anforderungen für den Ursprungserwerb eines Erzeugnisses in Erwägung zu ziehen. Ich komme gerade von der Weltparlamentarierkonferenz zur WTO aus Genf zurück und auch dort stand die Problematik Ursprungsregelung ganz oben auf der Problemliste. Aus meiner Sicht sollte die Europäische Union bei den Arbeiten zur Harmonisierung der Ursprungsregeln im Rahmen der WTO dafür werben, Präferenzsystemen den Vorrang einzuräumen.

Dann zur Frage der Partnerländer:

Die Qualifikationskriterien werden von Regierungen, von NRO sowie von Wissenschaftlern kritisiert. Oft werden arme Länder mit einer diversifizierten Volkswirtschaft sofort von den Programmen mit den meisten Vergünstigungen ausgenommen. Die Einfuhrschwelle könnte durch andere, überschaubarere Kriterien ersetzt werden, die vor allem unmittelbarer mit dem Entwicklungsniveau verbunden sind. Der Gini-Koeffizient ist ein gutes Beispiel für ein solches Kriterium. Die Länder, die von Zollpräferenzen am meisten profitieren könnten, bestehen oft nicht die Bedürftigkeitsprüfung für die Aufnahme in das APS+-Programm. Andere wiederum, profitieren von einer zu lockeren Kontrolle der Einhaltung ihrer Versprechen zur wirksamen Umsetzung der relevanten Konventionen. Gleichzeitig und um die gewollten Anreize nicht zu verringern, brauchen wir Flexibilität für die Reaktion auf eine mögliche Aushöhlung der Präferenzen etwa durch neue Realitäten, die sich aus dem Abschluss von Handelsabkommen der EU mit anderen Staaten oder Regionen ergeben. Die Definition von Waren als "empfindlich" oder "nicht empfindlich" sollte weniger statisch sein.

Schließlich zum wichtigsten, nämlich zur technischen Hilfe:

Präferenzen allein reichen nicht, um Ländern beim Weg aus der Armut zu helfen. Es ist notwendig, die Wirkung des Systems zu steigern und die Quote der Inanspruchnahme des APS durch die Gewährung technischer Hilfe zu verbessern, die konkret zum Aufbau der institutionellen und behördlichen Kapazitäten geleistet wird, wie sie die Partnerländer benötigen, um die Vorteile des internationalen Handels und der Präferenzregelungen maximal ausnutzen zu können.

Hilfe sollte in Form von komplementären Partnerschaftsprogrammen zur Verfügung gestellt werden. Damit kann den APS+-Begünstigten bei der tatsächlichen Umsetzung der internationalen Übereinkommen, die durch diese Sonderregelung erforderlich ist, und der Erfüllung ihrer Verpflichtungen direkt geholfen werden. Ja, dennoch muss die Kommission aktiv kontrollieren, dass solche Verpflichtungen eingehalten werden. Sie sollte In allen Fällen, in denen der Ausschuss der IAO für die Anwendung der Normen einem begünstigten Land, das die Kernarbeitsnormen nicht einhält, einen „besonderen Absatz“ widmet, von Amts wegen eine Untersuchung einleiten. Und: Untersuchungen sollten stets die Zusammenarbeit mit der Europäischen Parlament und Vertretern der Zivilgesellschaft, einschließlich der Sozialpartner, in dem jeweiligen Land umfassen.

Ich betonen noch einmal, es geht um die Verbesserung unseres Präferenzsystems. Es darf auf keinen Fall missbraucht werden, um europäische Interessen beim Zugang zu Märkten oder Rohstoffen durchzusetzen. Ich hoffe, dass sich viele dieser Anregungen bereits im Entwurf der Kommission wiederfinden. Das würde uns allen viel Zeit ersparen. In diesem Sinne, Herr Kommissar und Herr/Frau EU-Rat, auf gutes weiteres Zusammenwirken

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