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Wir werden an unserer Politik, nicht an unserer Zahl gemessen

14.07.2009

Helmut Scholz, Vorstandsmitglied der Europäischen Linkspartei und stellvertretender Delegationssprecher der LINKEN, setzt auf die weitere Profilierung der GUE/NGL-Fraktion, um europäische Politik zu verändern. Mit ihm sprach für ND Uwe Sattler.

ND: Die Linksfraktion ist gebildet, welche Aufgaben stehen ihr bevor?
Scholz: as neu gewählte Europäische Parlament wird sich heute konstituieren. Unsere Fraktion hat aber bereits mehrfach getagt und deutlich gemacht, auf welchen Feldern der europäischen Politik wir eingreifen und unsere Alternativen einbringen wollen. Grundlagen dafür bilden die Wahlprogramme der politischen Linken ebenso wie die gemeinsame Wahlplattform der Partei der Europäischen Linken mit ihren Schwerpunkten: für eine EU-Verfassung, aber gegen den »Reformvertrag«; eine klare Ablehnung der neoliberalen »Wachstumsstrategie« von Lissabon, die zwar gescheitert ist, aber in den nächsten Monaten zur Revision ansteht; der Kampf gegen eine militärisch ausgerichtete Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Ganz aktuell werden wir uns natürlich mit den Vorhaben der schwedischen Ratspräsidentschaft beschäftigen.

Die GUE/NGL-Fraktion ist geschrumpft, wird es damit für linke Positionen schwerer?
Ja, die Fraktion ist in der Zahl kleiner geworden, insbesondere durch die Verluste der italienischen Linken. Aber die Linke im Europaparlament wird wiederum von Abgeordneten aus 15 Staaten gebildet. Erfreulich ist, dass erstmals aus Osteuropa Verstärkung kommt: Neben Abgeordneten der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens ist auch ein Vertreter der Sozialistischen Partei Lettlands in unseren Reihen. Gestärkt sind die Abgeordnetenreihen der pluralistischen Linken aus Portugal und Frankreich. Letztlich misst sich der Stellenwert unserer Fraktion an ihrer Politik, nicht an der Zahl der Mitglieder.

Wird mit der breiteren Zusammensetzung nicht auch die Zusammenarbeit innerhalb der Fraktion komplizierter?
Sicher, zumal etwa die Hälfte der Abgeordneten neu in Straßburg und Brüssel ist. Sie müssen sich erst einmal in die Arbeitsweise des Parlaments und der Fraktion einfinden, Erfahrungen aufgreifen und zugleich neue Akzente setzen. Dabei ist unsere länderübergreifende Wahlplattform ein Faustpfand, darin haben sich viele Parteien auf gemeinsame Arbeitsschwerpunkte geeinigt. Wir wollen gemeinsam Positionen entwickeln und Projekte umsetzen, mit denen wir Europa sozialer, friedlicher und demokratischer machen und in diesen Prozess auch die Nachbarregionen der EU einbeziehen wollen. Ebenso steht die Aufgabe, deutliches Profil als die linke Fraktion im Europäischen Parlament zu gewinnen.

Um den Pluralismus der Fraktion gab es Diskussionen.
Auf einer gemeinsamen Sitzung mit den bisherigen Abgeordneten haben wir betont, dass der konföderale Charakter unserer Fraktion erhalten bleiben wird. Das heißt, es wird eine Zusammenführung und Zusammenarbeit aller Teile der europäischen Linken geben. So ist die Partei der Europäischen Linken mit 21 Abgeordneten in unserer Fraktion vertreten, mehr als bisher. Aber auch die Nordisch Grünen Linken und die Antikapitalistische Linke haben ihren Platz in der GUE/NGL. Wir müssen gemeinsam Positionen entwickeln und Projekte umsetzen, um nach fünf Jahren sagen zu können: Hier hat die Linke Politik in der EU verändert beziehungsweise beeinflusst. Das erscheint mir auch angesichts der Tatsache wichtig, dass im Parlament rechte und rechtspopulistische Kräfte stärker als früher vertreten sind.
Haben Linksparteien, die nicht in Straßburg und Brüssel vertreten sind, in der EU nun keine Stimme?
Als eine der ersten »Amtshandlungen« haben wir nicht nur Lothar Bisky zum Fraktionsvorsitzenden gewählt, sondern zugleich wichtige Führungsposten der GUE/NGL besetzt. So wurde eine finnische Mitarbeiterin der bisherigen Fraktion, die dem finnischen Linksbund angehört, der keine Abgeordneten mehr stellt, zur stellvertretenden Generalsekretärin berufen. Entsprechende Vorstellungen zur Einbeziehung bisheriger italienischer Fraktionsmitarbeiter werden diskutiert. Möglich sind auch Assoziations- oder Kooperationsvereinbarungen mit Linksparteien, die den Schritt nach Brüssel nicht geschafft haben. Beispielsweise können die von der deutschen LINKEN entwickelten Kontakte zu polnischen Partnern, wie in den Euroregionen, genutzt werden. Gerade angesichts des schlechten Abschneidens der Linken in vielen osteuropäischen Staaten dürfen diese Kräfte nicht von der europäischen Politik abgekoppelt werden.

Welche Partner wird sich die Linksfraktion suchen?
Es ist in der Konstituierungsphase des Parlaments sicher noch zu früh, darüber Aussagen zu treffen. Klar ist aber, dass wir die Zusammenarbeit suchen, das ist eine gute Tradition der bisherigen Linksfraktion. Dabei muss es aber immer darum gehen, die eigenen politischen Ziele mit möglichen Partnern umzusetzen. So wird bei der Wahl des Kommissionspräsidenten niemand an der Linken vorbei können. Die sozialdemokratische Fraktion hat wiederholt bekräftigt, sie wolle keinen neoliberalen Kommissionspräsidenten, eine Mehrheit aus Linken, Grünen und Sozialdemokraten könnte die neuerliche Berufung José Manuel Barrosos durchaus verhindern. Allerdings hat die SPE das direkte Gespräch darüber mit uns nicht gesucht, auch nicht die neue Doppelspitze der Grünen von Rebecca Harms und Daniel Cohn-Bendit.
Für die Zusammenarbeit über Fraktionsgrenzen hinweg ist für mich entscheidend: Wie ehrlich meinen es die Sozialdemokraten oder andere mit ihren Ankündigungen? Nicht nur bei der Wahl des neuen Kommissionspräsidenten, sondern vielmehr bei Korrekturen der EU-Politik in Richtung eines sozialen Europas, beispielsweise bei der Verankerung und Realisierung einer sozialen Fortschrittsklausel. Da muss die politische Linke im EU-Parlament gemeinsam mit sozialen Bewegungen und Gewerkschaften Druck machen.

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