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"Hören Sie auf die Familien der Opfer - stimmen Sie mit Nein"

10.12.2012

Plenarrede von Helmut Scholz zum Freihandelsabkommen zwischen EU und Kolumbien und Peru am 10.12.2012

Die Tragödie in Kolumbien währt seit Jahrzehnten an. Tausende sind den Interessen der Mächtigen in Politik und Wirtschaft zum Opfer gefallen. Teile der Bevölkerung haben erfolglos versucht, die Verhältnisse durch bewaffneten Kampf zu veränderten. Und ich begrüße ausdrücklich, dass derzeit ernstzunehmende Friedensverhandlungen laufen, für deren Erfolg sich die Europäische Union allerdings noch zu wenig einsetzt.

Tausende andere tapfere Menschen haben einen friedlichen und demokratischen Weg gewählt, um die herrschende Willkür im Land zu bekämpfen und der Bevölkerung endlich Gerechtigkeit und Rechtstaatlichkeit zu bringen. Sie haben sich in Gewerkschaften engagiert, in Menschenrechtsorganisationen und in Umweltinitiativen. Viele von ihnen - so viele wie in keinem anderen Mitglied der ILO - sind für ihr Engagement ermordet worden.

Die Kräfte, die sich in Kolumbien, aber auch in Peru, außerhalb und innerhalb der Parlamente für einen demokratischen Wandel einsetzen, hoffen auf Unterstützung von außen. Manche von ihnen haben auch gehofft, dass die Verhandlungen über ein Abkommen mit der Europäischen Union dazu führen könnten, dass ihre Regierungen für die Aussicht auf einen lukrativen Abschluss tatsächlich wirksame gesetzliche und institutionelle Änderungen vollzogen werden. Ich erinnere mich noch daran, wie auch Catherine Ashton dieses Ziel als die Legitimation für ihre Politik des kritischen Engagements nannte.

Haben wir dieses Ziel heute erreicht? Ist das Morden beendet und sind die Strukturen irreversibel demokratisiert? Haben wir als Europäer ein partnerschaftliches Abkommen ausgehandelt, dass den Bevölkerungen nun eine gute wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht und zur Überwindung der Armut beiträgt? Haben wir uns mit unserer Unterschrift gegenüber der Bevölkerung als Garant der Achtung von Menschenrechten, von sozialen, kulturellen und Umweltrechten verpflichtet?

Sämtliche bedeutende Gewerkschaften in Lateinamerika und Europa, die Menschenrechts- und Umweltorganisationen, bedeutende Vertreter der Kirche und viele Parlamentarier sagen: Nein! Mit der Roadmap haben wir nichts als unkonkrete Versprechungen in der Hand. Das Nichterreichen der Ziele bliebe ohne Folgen. Mit der Ratifizierung des Abkommens nehmen wir uns so selbst jeglichen Hebel aus der Hand. Das Abkommen selbst sieht keinerlei Sanktionsmöglichkeiten vor, sollten die Bestimmungen des Nachhaltigkeitskapitels missachtet werden. Schlimmer noch, viele Wirtschaftsexperten sagen voraus, dass das Abkommen den Druck auf Teile der Bevölkerung in Kolumbien und Peru sogar noch steigern wird. Erhöhte Investitionen in die Rohstoffausbeute werden weiteren Landraub zur Folge haben, das wichtigste Motiv für die Vertreibung und Ermordung von indigener Bevölkerung. Die Vereinbarungen zu Milch und Milchprodukten werden die einheimische Produktion unter dem Druck der europäischen Billigkonkurrenz zusammenbrechen lassen, wie wir es schon in Mexiko beobachten konnten. Feiern können hingegen die Großkonzerne im Bananengeschäft, die ungeachtet schlimmster Arbeitsbedingungen ihre Exporte in die Europäische Union enorm werden steigern können, während der Deal die erreichten sozialen Errungenschaften für die Beschäftigen der Konkurrenz im benachbarten Ecuador stark gefährdet. Und auch die Drogenmafia wird zu den Gewinnern zählen, da ihr die Kapitel des Abkommens zur Finanzwirtschaft die Geldwäsche in Europa sehr erleichtern werden. Erste wissenschaftliche Studien liegen hierzu vor.

Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere eindringlich an Sie, das Abkommen in dieser Form und insbesondere zu diesem Zeitpunkt nicht zu ratifizieren. Auch in diesem Jahr wurden bereits 30 Menschen in Kolumbien ermordet. Die Abschaffung dieser Zustände muss Voraussetzung sein, um sich für ein Abkommen mit der Europäischen Union zu qualifizieren. Wir dürfen vor allem der kolumbianischen Regierung keinen Blanko-Scheck ausstellen in der Hoffnung auf spätere gute Taten. Die USA haben eine solche Nebenvereinbarung bereits als Legitimation für ihr Abkommen verkauft, ein Jahr nach Inkrafttreten ist der Erfolg gleich Null. Beeindrucken können wir die Regierung nur durch konsequente Loyalität gegenüber den Verfechtern der Demokratie und sozialen Gerechtigkeit. Hören Sie auf die Gewerkschaften, Hören Sie auf die Familien der Opfer, Stimmen Sie mit Nein.

(Im Anhang finden Sie Dokumente, in denen Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Vertreter der Zivilgesellschaft die Abgeeordneten des Europaparlaments aufrufen, mit Nein zu den Abkommen zu stimmen)

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