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Bekämpfung von Armut ist das beste Antikrisenprogramm

01.04.2009

Helmut Scholz, Mitglied des Parteivorstandes und für DIE LINKE Kandidat für das Europaparlament, formuliert klare Erwartungen an den G20-Gipfel am 2. April in London: Es müssen Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte vereinbart, Hedgefonds international eingehegt, der Handel mit Schrottpapieren verboten und Steueroasen ausgetrocknet werden. In der Vereinbarung zwischen Obama und Medwedjew über nukleare Abrüstung sieht er die Möglichkeit, Rüstungsausgaben konsequent auf Armutsbekämpfung umzulenken. Scharf greift er die EU für deren aktuelle Entwicklungspolitik an, die sogar an Konflikten beteiligt sei, statt sie einzudämmen: "Hier ist ein Politikwechsel dringend notwendig. Und dafür werden wir kämpfen."

Auf dem G 20-Gipfel am 2. April in London wollen Staats- und Regierungschefs nicht weniger als den Rahmen für eine neue weltweite Finanzordnung abstecken. US-Präsident Obama beschwört vor dem Treffen Einigkeit und fordert insbesondere von den Europäern weitere Konjunkturprogramme. Diese lehnen - angeführt von Kanzlerin Merkel - mehrheitlich weitere Programme ab. Was erwartest Du von dem Gipfel?

Ginge es allein um Konjunkturprogramme, so ist Obama unumwunden zuzustimmen. "Frau Merkel und ihre Beamten glauben anscheinend noch immer, hier herrschten die normalen Regeln der Wirtschaft, die Regeln, die dann gültig sind, wenn man mit Geldpolitik noch etwas ausrichten kann. Sie haben nicht begriffen, dass in Europa wie in den Vereinigten Staaten mittlerweile ein Depressionsklima eingezogen ist, in dem die normalen Regeln nicht mehr gelten“, schreibt Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugmann der Kanzlerin ins Stammbuch. Merkels Absage an die wichtigen politischen Instrumente der aktuellen Krisenbewältigung ist eine Gefahr für Europa und weltweit. Hinzu kommt, dass auf dem G20-Gipfel überdies endlich Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte vereinbart werden müssen. Es sind Hedgefonds international einzuhegen, der Handel mit Schrottpapieren zu verbieten und Steueroasen auszutrocknen. Was hier der Europäische Rat für den G20-Gipfel an Positionen vorbereitet hat, ist schlicht unzulänglich und verspielt Spielräume für europäische Strukturprogramme für Beschäftigung und ökologische Fragen, die einen nachhaltigen Weg aus der Krise aufzeigen. Zugleich ist der Grundstein für eine ernsthafte Neugestaltung des internationalen Währungssystems zu setzen. Das muss – auch unter Beteiligung der EU und der anderen europäischen Länder – mit einem Beschluss des Londoner Gipfels auf den Weg gebracht werden.

In der G20 sind anders als in der G8 zumindest auch Schwellen- und Entwicklungsländer vertreten. Die armen Länder des Südens sitzen nicht mit am Tisch. Wir lange will man diese noch bevormunden?

DIE LINKE setzt sich - gemeinsam mit linken Kräften in Europa und Welt - dafür ein, dass man solche Fragen in Zukunft nicht mehr stellen muss. Fakt ist, dass die ärmsten Länder auch die Wirtschaftskrise mit voller Wucht ertragen müssen. Wir sagen - auch in unserem Europawahlprogramm - deutlich, dass die weltweite Bekämpfung von Armut das beste Antikrisenprogramm ist. Das verlangt, eine solidarische Entwicklungszusammenarbeit einzufordern, und da können wir in Deutschland und im Europäischen Parlament beginnen - auch durch eine Veränderung der internationalen Handelspolitik der EU. DIE LINKE strebt grundsätzlich auch die Konversion der internationalen Rüstungspolitik an. Ich sehe mit der Vereinbarung zwischen Obama und Medwedjew über nukleare Abrüstung die Möglichkeit, Rüstungsausgaben konsequent auf Armutsbekämpfung umzulenken.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten leisten zusammen etwa 60 Prozent der weltweiten Entwicklungsfinanzierung und sind damit mit Abstand der größte Geldgeber. Im EU-Haushalt 2007-2013 sind diesem Politikfeld 51 Milliarden Euro gewidmet. Müsste Brüssel vor diesem Hintergrund nicht ein gesteigertes Interesse daran haben, dass nicht einfach nur über die Zukunft der armen Länder entschieden wird, sondern mit ihnen?

Nun, zuerst muss man das „gesteigerte Interesse“ Brüssels selbst unter die Lupe nehmen, und dann ist man mitten in einer radikalen Kritik der derzeitigen Entwicklungszusammenarbeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Wer einmal den Dokumentarfilm »Darwins Nightmare« von Hubert Sauper über das - auch mit EU-Geldern - zerstörte Fischereiwesen rund um den Victoriasee gesehen hat, weiß, dass enorme Summen allein, weder für eine solidarische Entwicklungszusammenarbeit, noch für regionale Nachhaltigkeitsstrategien und echte Marktzugänge für die ärmsten Länder stehen. Im Gegenteil, diese Entwicklungspolitik ist sogar an Konflikten beteiligt, statt sie einzudämmen. Hier ist ein Politikwechsel dringend notwendig. Und dafür werden wir kämpfen.

DIE LINKE fordert in ihrem Europawahlprogramm eine solidarische Entwicklungspolitik-, Außen- und Handelspolitik. Wie soll die aussehen?

Wir haben eine andere Rolle Europas in der Welt an die Erfüllung der Milleniums-Ziele der UNO gebunden. Es geht um die Sicherung von Nahrung, sauberem Wasser, um den Zugang zu Energie und Bildung und damit um ganz grundlegende Existenzfragen. Deshalb fordern wir ein Ende der Agrarexportbeihilfen der EU und Preisgarantien für die Bäuerinnen und Bauern in Entwicklungsländern. Statt Rohstoffexporten sind der Aufbau von verarbeitenden Industrien zu unterstützen und internationaler Handel auf gleichberechtigter Basis zu ermöglichen. Deshalb lehnen wir Freihandelsabkommen der EU mit den Staaten des Südens ab und fordern ein Stopp der derzeitigen EPA-Verhandlungen, eine Neuorientierung der Verhandlungsziele.

Wie bewertest Du, dass in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ausgerechnet von der UNO kaum Impulse zu vernehmen sind?

Gerade jetzt vor dem G20-Gipfel fordert die UNO zu Recht ein Hilfspaket für die ärmsten Länder. Doch ihre Tätigkeit geht über diesen Hilferuf weit hinaus. Es ist noch keine Woche her, da hat eine UNO-Kommission unter Leitung des amerikanischen Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz ein neues System der internationalen Währungsreserven gefordert. Das zielt klar auf eine Reform des IWF und seiner Verantwortung. Die Vorschläge dieser Kommission werden auf einer Konferenz zur Weltwirtschaftskrise vorgestellt, die die UN vom 1. - 3. Juni in New York plant. Solch ein Weltfinanzgipfel ist überfällig, damit es nach der Krise nicht so weitergeht wie zuvor. Grundlagen für mehr Wirtschaftsgerechtigkeit liegen in transparenten - d. h. kontrollierbaren - internationalen Finanzstrukturen. Davon, so lehrt der Krisenstrudel, sind wir leider noch weit entfernt.

Das Interview aus der Reihe - Zur Sache - führte Martin Icke im Rahmen der Wahlkampfseiten der LINKEN zur Europawahl auf www.die-linke.de

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