Jumplabels:

Sie sind hier:

Interview mit Helmut Scholz zum Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD)

27.05.2010

In diesem Interview beantwortet der Europaabgeordnete Helmut Scholz viele Fragen rund um den EAD.

Entsteht mit dem Europäischen Auswärtigem Dienst eine weitere europäische Megabehörde?

Viele existierende Strukturen, die heute unabhängig voneinander in Rat und Kommission agieren, werden künftig im EAD zusammengeführt. So wandern z.B. die Generaldirektionen der EU-Kommission für Außenbeziehungen und für humanitäre Hilfe vollständig in den EAD. Die Strukturen der Sicherheitspolitik, die bisher beim Rat angesiedelt waren, sollen auch in den EAD integriert werden. Ebenso die EU-Auslandsvertretungen in mehr als 125 Ländern, diese will man zugleich noch erweitern, da sie in den jeweiligen Ländern die Koordinierung zwischen den Botschaften der Mitgliedstaaten übernehmen sollen – eine Aufgabe, die heute abwechselnd von den jeweiligen nationalen Botschaften wahrgenommen wird. Das Ergebnis wird eine gigantische Behörde sein, die viel Geld kostet, aber nicht zwingend mehr als bisher. Es sind die Mitgliedstaaten, die den EAD aufblähen. Sie sehen in ihm ein ergänzendes Instrument, um ihre eigenen außenpolitischen Interessen durchzusetzen und ihre Diplomaten an den für sie entscheidenden Stellen zu positionieren. Dazu pochen sie auf mehr Personal – bis zu 3000 zusätzliche Posten sind im Gespräch.

Das Fehlen einer eigenständigen EU-Außenpolitik war über Jahre ein Kritikpunkt. Nun steht der EAD im Kreuzfeuer. Ist der Dienst aber nicht notwendig, um eine gemeinsame Politik in diesem Bereich umzusetzen?

Bei den europäischen Linken gibt es weit auseinander gehende Auffassungen darüber, ob es eine eigene EU-Außenpoltiik geben soll. Gemeinsam kritisieren wir, dass sich die Außenpolitik der Mitgliedstaaten, ebenso wie die der EU, an den Wünschen der Wirtschaft orientiert, Außenpolitik immer mehr dem Interesse an Öl- und Gas untergeordnet wird. Wir kämpfen dagegen, dass diese Interessen auch mit Militär und Polizei durchgesetzt werden. Wir sind nicht damit einverstanden, dass die EU-Erweiterung und die Nachbarschaftspolitik zur Zementierung neoliberaler Wirtschaftsstrukturen in den Partnerländern genutzt wird. Dies sind Probleme der inhaltlichen Grundausrichtung von Politik, die ein Ergebnis des politischen Kräfteverhältnisses auf nationaler und europäischer Ebene ist. Viele Linke in Europa lehnen die europäische Außenpolitik wegen ihrer inhaltlichen Ausrichtung grundsätzlich ab. Deshalb sind sie auch grundsätzlich gegen den EAD. Ich halte das für falsch. Kein Staat in Europa kann heute im Alleingang die internationalen Prozesse beeinflussen. Das geht nur gemeinsam. Der EAD ist ein Instrument. Es kommt darauf an, ihn so zu gestalten, dass er sich nicht verselbstständigt. Er darf auch nicht so konzipiert werden, dass sich die Mitgliedstaaten den EAD untereinander nach Interessensphären aufteilen und die EU-Außenpolitik eine Summe der nationalen Partikularinteressen wird. EU-Außenpolitik muss die gemeinsamen Interessen der EU-Mitgliedstaaten widerspiegeln und verteidigen. Um das zu erreichen, bedarf es einer starken Rolle des Europäischen Parlaments. Um diese Fragen geht es bei den Auseinandersetzungen, die gegenwärtig in Brüssel stattfinden. Hier sollten wir uns nicht ins Abseits stellen. Aber natürlich ohne Illusionen! Eine Änderung der Grundausrichtung der Außenpolitik kann nur gelingen, wenn sich die politischen Kräfteverhältnisse ändern. Wären wir in den Parlamenten stärker, würde Außenpolitik sicherlich anders aussehen. Das hat das Beispiel Norwegen anschaulich gezeigt.

Was kritisiert die Linke am vorliegenden Plan zu Struktur und Arbeitsweise des EAD?

Unsere Hauptkritik richtet sich dagegen, dass im EAD de facto ein Außenministerium mit einem Verteidigungsministerium zusammengelegt wird. In demokratischen Systemen gibt es zu Recht eine strikte Trennung beider. Dieses Grundsatzproblem ist im Vertrag von Lissabon mit der Beschreibung der Aufgaben von Frau Ashton so angelegt. Man darf sich das natürlich nicht so vorstellen, dass irgendwann der General dem Botschafter sagt, was er zu tun oder zu lassen hat. Aber mit der Zusammenfassung beider Bereiche bekommen Militärs und Spiongagefachleute Einfluss auf Außenpolitik, auf die Entwicklungspolitik, auf die humanitäre Hilfe usw. Das ist nicht akzeptabel. In dem Kontext kritisieren wir auch, dass in dem Bereich, der sich mit Krisenregionen beschäftigen soll, die Leitungsstrukturen mehrheitlich mit Militärexperten besetzt werden sollen. Krisenpräventionsmechanismen, zivile Konfliktbearbeitung, die bisher als eigenständige Strukturen im Rat arbeiteten, werden untergebuttert. Hier widerspiegelt sich sehr praktisch das vorherrschende Denken in militärischen Kategorien.

Auch die Entwicklungspolitik soll in den EAD eingegliedert werden. Daneben beunruhigt uns auch sehr, dass die Konzipierung und Planung der Entwicklungspolitik beim EAD angesiedelt werden soll. Entwicklungspolitik ist vom Solidargedanken getragen, von der Einsicht in die Notwendigkeit, Hunger, Armut und Unterentwicklung zu überwinden. Außenpolitik ist Interessenpolitik. Wir befürchten, dass die Eingliederung der Entwicklungspolitik in den EAD zu einer Marginalisierung dieses immanent wichtigen Politikfeldes führen wird. Erst recht, wenn die Haushaltkonsolidierung oberste Prämisse der Politik der EU und ihrer Mitgliedstaaten wird.

Wie wird das Europaparlament an der Umsetzung dieser Pläne beteiligt?

Das Wort von der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU vermittelt immer so den Eindruck, als würde die EU entscheiden. Die grundsätzlichen Leitlinien für die Europäische Außen- und Sicherheitspolitik sind aber immer das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen den Regierungen. Daher hat das EP kein Mitspracherecht, es wir bestenfalls konsultiert. Und wenn möglich im Nachhinein. Wenn es nach den Regierungen der Mitgliedstaaten ginge, dann soll das auch so bleiben. Das Europäische Parlament hat das Mitentscheidungsrecht beim Haushalt- und dem Beamtenstatut für den EAD. Über diesen Hebel versuchen wir, an der Situation etwas zu ändern. Ist - wenn EAD existiert und arbeitet - eine parlamentarische Kontrolle überhaupt noch möglich? Geld regiert die Welt – das Europaparlament soll die volle Haushaltskontrolle über den EAD erhalten. Das ist eine der positiven Veränderungen, die der Lissabon-Vertrag mit sich gebracht hat. Die Polizei- und Militärmissionen betrifft das allerdings nicht oder nur teilweise, weil das keine EU-Politik ist, sondern Ergebnis der Zusammenarbeit von einzelnen Mitgliedstaaten. Darüber hinaus ringen wir gegenwärtig darum, dass wir größeren Einfluss auf die Konzipierung der Außenpolitik bekommen. Aber wir dürfen uns auch hier keinen Illusionen hingeben: 835 Abgeordneten steht ein gigantischer Apparat mit 5000-8000 Außenpolitikexperten gegenüber.

Wer wird das Sagen im EAD haben - die Kommission, der Rat, die Mitgliedsstaaten?

Das kann ich noch nicht beantworten. Der Druck auf das EP wächst, noch während der spanischen Ratspräsidentschaft dem Vorschlag von Frau Ashton zuzustimmen. Das würde bedeuten dass die Mitgliedstaaten das Sagen haben. Noch geben die großen Fraktionen, deren Parteien die europäischen Regierungen stellen, diesem Druck nicht nach. Mal sehen, wie lange.

Kritisiert wird am EAD die Verknüpfung ziviler und militärischer Aspekte. Lässt sich das überhaupt verhindern, zumal es in der Praxis ja ohnehin geschieht?

Wenn ich ehrlich bin halte ich nicht viel von diesem Slogan. In meinen Augen ist das ein Vehikel, um Feindbilder zu malen. Natürlich ist mir klar, dass Strukturen das politische Denken widerspiegeln. Aber in der Auseinandersetzung, die ich erlebe, geht es nicht darum, mehr Einfluss des Militärs zu sichern. Wir müssen uns mit der politischen Praxis der militär-zivilen Zusammenarbeit in Afghanistan und anderswo auseinandersetzen. An dieser Stelle können wir gemeinsam mit den NGO’s und anderen viel erreichen. Planspiele, die Entwicklungspolitik an die Zusammenarbeit mit dem Militär zu knüpfen, dass sind aus meiner Sicht die Felder, wo wir die politische Auseinandersetzung mit dem Denken in militärischen Kategorien führen müssen.

Woher sollen die Mittel für den EAD kommen, wo und wie sollen sie schwerpunktmäßig eingesetzt werden?

Bis hierhin gilt die Ansage, dass die Schaffung des EAD kostenneutral vollzogen werden soll. Die Idee war ja, dass die bisher zersplittert agierenden Strukturen und deren Gelder zusammengelegt werden. Allein mir fehlt der Glaube. Stellen Sie mir die Frage doch im Herbst, wenn wir über den Haushalt 2011 entscheiden, noch einmal. Noch ist unklar, welchen Statut des EAD-Beschäftigten unterstellt sind.

Wie könnte die Kontrolle/Verantwortlichkeit gelöst werden?

Wenn ein Diplomat von seinem Mitgliedstaat für vier Jahre in den EAD delegiert wird und danach zurückkehren soll, dann wird er in dieser Zeit seinen Außenminister als höchsten Dienstherren ansehen und die Interessen seines Heimatlandes im Kopf behalten. Das ist normal. Das hat aber nichts mit einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik zu tun. Das EP hat das Mitentscheidungsrecht beim Statut für die Mitarbeiter des EAD. Wir wollen es so gestalten, dass die entsandten Diplomaten europäische Beamte werden, aus dem EU Haushalt bezahlt, eindeutig Frau Ashton unterstellt, mit gleichen Rechten und Pflichten wie alle europäischen Beamten, mit der Möglichkeit, sich für eine europäische Karriere zu entscheiden. Wenn das gelingt, ist ein wichtiger Schritt hin zu einem europäischen Denken in der EU-Außenpolitik getan.

Jumplabels:

Schnelluche

Konferenz zur Zukunft Europas

Meine Delegationskolleg*innen:
  • EU-Fördermittel

Jumplabels: