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Fünf Tage gegen TTIP

"neues deutschland" berichtete über Aktionen gegen das geplanten Freihandelsabkommen EU-USA

22.07.2014

Die Handvoll Aktivisten, die in der vergangenen Woche nahezu täglich am Brüsseler Place Schumann demonstrierten, wurden von den vorbei eilenden Beamten geflissentlich ignoriert. Kaum einer der mit Aktenordnern oder Laptoptaschen ausgerüsteten Frauen und Männer nahm ein Flugblatt der Kritiker des Freihandelsabkommens EU-USA, die sich mit ihrem »Stop TTIP«-Transparent vor dem Gebäude der Europäischen Kommission postiert hatten. Dabei könnte das Anliegen der Initiative schon bald auf ihren Schreibtischen landen: »Stop TTIP« will mit einer sogenannten Europäischen Bürgeriniative (EBI) die EU-Kommission dazu bringen, sich zu dem Vertrag zu positionieren – möglichst ablehnend natürlich.

Illusionen macht man sich in dem aus über 100 europäischen Nichtregierungsorganisationen zusammengesetzten Bündnis nicht. Schließlich ist es die EU-Kommission selbst, die für die europäische Seite die Gespräche führt. In den vergangenen Woche startete in Brüssel die sechste Verhandlungsrunde. »Unsere Initiative soll ein starkes Signal an den neuen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker senden, TTIP und das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA zu stoppen«, erläuterten die Initiatoren das Anliegen ihrer EBI im Internationalen Presseclub Brüssel. Soll die EBI in der Kommission überhaupt angenommen werden, muss dazu mindestens eine Million Unterschriften aus wenigstens sieben EU-Mitgliedsstaaten gesammelt werden.

Nimmt man die verschiedensten Aktivitäten und Aktionen, die in der »EU-Hauptstadt« parallel zu den EU-USA-Gesrächen stattfanden, als Indikator, stehen die Chancen dafür nicht schlecht. Bereits zu Wochenbeginn hatte »Lobbycontrol« zu einem Stadtrundgang geladen, der an den Adressen von Unternehmen und Verbänden vorbei führte, die besonders intensiv auf die TTIP-Verhandlungen nehmen. An erster Stelle stehen dabei die Vertretungen der Agrarindustrie, dicht gefolgt von der Telekommunikations- und IT-Branche.

Um Lobbyismus ging es ebenfalls beim 2. Multisektoralen Strategietreffen der europäischen Zivilgesellschaft gegen TTIP, zu dem das Brüsseler Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung gemeinsam mit einem Dutzend weiterer Nichtregierungsorganisationen eingeladen hatte. Die über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vertraten NGO`s von Attac und Mehr Demokratie e.V. über Gewerkschaften und Friends of the Earth bis hin zu Finance Watch und Amnesty International. »Die Teilnehmerzahl und die Bandbreite der Organisationen belegen die stark gewachsene Sensibilisierung gegenüber TTIP«, erklärt Florian Horn vom Büro Brüssel der Luxemburg-Stiftung, der mit seinem Kollegen Roland Kulke maßgeblich an der Vorbereitung des Treffens beteiligt war. Standen bislang jedoch Aspekte vor allem aus dem Lebensmittelbereich – wie Hormonfleisch und die inzwischen legendären Chlorhühnchen, die mit TTIP auf europäischen Tischen landen könnten – im Vordergrund, nehme nun auch die Wahrnehmung anderer brisanter Vorhaben deutlich zu. »Wenn man sich beispielsweise die sogenannte regulatorische Kooperation ansieht, weiß man, wohin die Reise geht«, so Kulke. Diese »Zusammenarbeit« sei nichts anderes als »Lobbyismus per Gesetz«. Gehe es dabei doch darum, dass Wirtschaftsvertreter von beiden Seiten des Atlantiks schon bei der Ausarbeitung neuer Gesetze und Regelungen mit am Tisch sitzen und ihre Interessen einbringen. »Mit den bisherigen Vorstellungen von bürgerlicher Demokratie und ihren Gesetzgebungsverfahren hat das nichts mehr zu tun«, betont der Stiftungsmitarbeiter. Zudem laufe derzeit ein »koordinierter Angriff« der Wirtschaft im Handelsbereich, der neben TTIP auch das analoge, bereits nahezu ausgehandelte Abkommen EU-Kanada (CETA) und das Dienstleistungsabkommen TISA umfasst.

Auch Klaus Ernst hatte dazu aufgerufen, alle diese Abkommen zu stoppen. Der Vizefraktionschef der LINKEN im Bundestag hatte, ebenfalls in der vergangenen Woche, gemeinsam mit dem Handelsexperten der Linksfraktion im Europaparlament, Helmut Scholz, und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brüssel linke Abgeordnete und Nichtregierungsorganisationen zu einem Parlamentariertreffen eingeladen, um Informationen auszutauschen und über eine auf allen parlamentarischen Ebenen von der EU über nationale bis zu regionalen Vertretungen Strategie gegen TTIP zu beraten.

Besonders kritisch sahen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops die vorgesehenen Regelungen bei Klagen von Konzernen gegen neue Gesetze der EU oder ihrer Mitgliedstaaten. In dem sogenannten ISDS-Verfahren können Konzerne gegen neue Gesetze oder Regulierungen vorgehen, wenn sie durch diese ihre Gewinnerwartungen gefährdet sehen. Über die Klage entscheidet dann kein nationales oder europäisches Gericht, sondern ein Tribunal aus drei Fachanwälten für Investitionsrecht. Gegen deren Urteil ist keine Revision möglich. Staaten wie Kanada, Australien, Ecuador oder Südafrika haben mit solchen Verträgen bereits sehr schlechte Erfahrungen gemacht und wurden zum Teil zu Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe verurteilt. Daraufhin beschlossen die Regierungen der letzteren drei, nie wieder Verträge abzuschließen, die ISDS beinhalten.

Am Ende stand die offizielle Gründung eines Parlamentarier-Netzwerkes gegen TTIP. Wie auch bei dem multisektorale Treffen der Zivilgesellschaft soll es schon bald eine Fortsetzung der Debatte geben: Im Herbst sind die nächstes Treffen geplant, mit abermals erweitertem Teilnehmerkreis.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/939924.fuenf-tage-gegen-ttip.html?sstr=TTIP|Scholz

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