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Mögliche Alternativen zu Freihandelsabkommen

06.05.2019

Es ist viel von „Alternativlosigkeit“ politischer Entscheidungen zu lesen. Nun bot Deine Fraktion ein Forum, um über Alternativen zu den Freihandelsabkommen zu diskutieren. Was wären die grundsätzlichen Unterschiede zu den ausgehandelten Abkommen?

Fairer Handel muss die Normalität werden. Handelspolitik muss eingebunden werden in unsere allgemeinen gesellschaftlichen Aufgabenstellungen. Dazu zähle ich Frieden, sozialen Fortschritt, den Erhalt der Umwelt und der Artenvielfalt, das Aufhalten des Klimawandels. Entlang dieser Themenstellung haben wir in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Konferenzen im Europäischen Parlament organisiert. Zuletzt im Februar haben wir mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen ein Forum gegeben, um die von ihnen formulierten Ansprüche an eine zukunftsfähige Handelspolitik vorzustellen. Im Kern steht ein radikales Umdenken beim Maßstab für Erfolg. Wir müssen weg vom Wachstumsdenken. Stattdessen brauchen wir für Politiken eine soziale Fortschrittsklausel. Wir müssen lernen, den Erfolg eines Handelsabkommens daran zu bemessen, was es zur Bekämpfung von Armut, zu sozialem Fortschritt, zu Umwelt- und Klimaschutz beiträgt.

Wir brauchen Abkommen über Handel und Kooperation, mit denen wir uns gegenseitig beim Erreichen der Nachhaltigkeitsziele unterstützen. In der Überwindung von Armut liegt der Schlüssel zur Vermeidung von Konflikten und zum Aufbau einer nachhaltigen Ökonomie. Abkommen, die lediglich der Ausbeutung der einen durch die anderen erleichtern, gehören konsequent abgeschafft und durch die neue Generation von Kooperationsabkommen ersetzt.

Wem würden solche Verträge nutzen? Was wäre davon für die Bürger*innen und in den Kommunen spürbar?

Nehmen wir das Beispiel der Stadt Gent in Belgien. Gent ist 2018 zur ersten Europäischen Stadt des Fairen und Ethischen Handels gekürt worden. Das ist ein neuer Preis der EU-Kommission, für dessen Einführung ich mich in den letzten Jahren erfolgreich einsetzen konnte. Gent hat an seine sehr alte Tradition als Zentrum des Tuchhandels angeknüpft und sich dabei an neuen Werten orientiert. Heute blühen in der Stadt wieder internationale Designtreffen, basierend auf fair erzeugten und gehandelten Produkten. Die Stadt ist voller Cafés und Restaurants, die auf regionale Agrarprodukte gemischt mit fairen Produkten aus Übersee setzen. Die Bürger*innen machen mit und genießen die veränderte Atmosphäre in der Stadt, das Image blüht, die Stadt zieht immer mehr Tourismus an. In unseren Städten und Kommunen können wir unsere Ideen für eine nachhaltige Zukunft konkret umsetzen und erlebbar machen. 2020 wird es wieder eine Preisträgerin geben und ich würde mich sehr freuen, wenn es dann eine Stadt in Ostdeutschland würde.

Mit Freiwilligkeit allein wurden bisher keine vernünftigen Absichten umgesetzt. Deine Fraktion im EP wird es allein auch nicht umsetzen können. Wen könnte man für die Durchsetzung solcher Verträge gewinnen oder mobilisieren?

Wir haben im Europäischen Parlament in der letzten Legislaturperiode eine Sternstunde erlebt, als wir gemeinsam mit anderen Abgeordneten und den Kräften der Zivilgesellschaft - von „amnesty international“ bis hin zu einem Bündnis katholischer Bischöfe - gegen den Handel mit Rohstoffen aus Kriegsgebieten vorgegangen sind. In Zentralafrika, aber auch in anderen Krisenregionen geht es bei bewaffneten Konflikten oft um die Kontrolle über Minen. Wir konnten in der Europäischen Union nun gesetzlich die Pflicht für Unternehmen verankern, dass sie ihre Lieferkette kontrollieren und nachweisen müssen, dass sie ihr Coltan, Gold, Wolfram oder Zinn nicht von Warlords gekauft haben. Wenn DIE LINKE nach den Wahlen gestärkt im Europäischen Parlament sein wird, werden wir daran arbeiten, diese Pflicht auf weitere Rohstoffe auszudehnen.

Ich arbeite mit bestimmten Abgeordneten aus anderen Fraktionen auch in der ständigen Arbeitsgruppe Fairer Handel des EP, sowie in der Gruppe für verantwortliche Unternehmensführung. Der Zeitgeist muss sich ändern und darauf wirken wir gemeinsam hin. Im Europäischen Parlament sind je nach Thema wechselnde Mehrheiten möglich und erreichbar.

Du willst Dich für die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bis 2030 einsetzen. Wie passt das mit den Freihandels- bzw. alternativen Handelsverträgen zusammen?

Ich möchte die Nachhaltigkeitsziele, die alle Länder gemeinsam in den Vereinten Nationen vereinbart haben, zum zentralen Gradmesser für Erfolg unserer Politiken und Entscheidungen machen. Entscheidungen in Politik und Wirtschaft werden heute nach den falschen Maßstäben gefällt. Ein Anstieg des Bruttosozialproduktes oder ein Anstieg allein des Umsatzes bedeutet noch kein qualitatives und nachhaltiges Wachstum. Ich bin sogar dafür, Wachstum als Kategorie für Erfolg völlig zu streichen. Die Zukunft liegt im sozialen und ökologischen Umbau unserer Gesellschaften. Erfolg bemessen wir am sinnvollsten durch den Beitrag unserer Entscheidungen zum Erreichen der UNO-Nachhaltigkeitsziele. Konkretes Beispiel: in Bangladesch wurden inzwischen für vier Millionen Haushalte dezentrale Solarenergiemodule errichtet. Das hat 115.000 Arbeitsplätze geschaffen. Die Haushalte haben 350 Millionen Euro Ausgaben für fossile Brennstoffe vermeiden können. Das Geld kann nun in Infrastruktur und Bildung investiert werden. So geht Nachhaltigkeit. Die UNO schätzt, dass wir durch den Umbau unserer Wirtschaft zu einer nachhaltigen Ökonomie weltweit 65 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen können. Wir können 700.000 Tode in Folge von Luftverschmutzung vermeiden. Eine Wasserversorgung, die den Klimawandel überdauert, würde 360.000 Säuglingen und Kleinkindern das Überleben ermöglichen. Daran sollen wir die Qualität unserer Entscheidungen messen.

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