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Friedenspolitik

14.05.2019

Die EU ist als DAS europäische Friedensprojekt gestartet. Von wem wird die EU bedroht, dass so massiv aufgerüstet werden soll?

Richtig, mit dem Manifest von Ventotene hatten der Kommunist Spinelli und Mitstreiter 1943 in faschistischer Gefangenschaft Wege aufgezeigt, wie friedliches und freundschaftliches Zusammenleben der Völker auf dem europäischen Kontinent nach dem furchtbarsten Krieg wieder möglich und gestaltbar sein könnte - und die europäische Integration hat seit vielen Jahrzehnten den Frieden unter den Mitgliedsstaaten der EU möglich gemacht. In all der Komplexität und Widersprüchlichkeit der Zeit nach 1945, der Blockkonfrontation, des Kalten Krieges.

Offen militärisch bedroht wird die EU heute nicht, doch vor allem konservative und vor allem rechtspopulistische Kräfte schüren Ängste angesichts unbewältigter globaler Herausforderungen, die auch durch die Wirtschaftspolitik der entwickelten Industriestaaten mit hervorgebracht werden und Auswirkungen auf Gesellschaften an allen Orten unseres Planeten haben. So wird eine „Gefährdung“ der Gesellschaften in der EU immer wieder mit dem Schicksal zur Flucht gezwungener Menschen verknüpft, wird auf die bis heute nicht gefundene gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik als Alternative die Abschottung der Außengrenzen gefordert. Mehr noch, es wird die bis heute in ihrer Gesamtheit nicht bewältigte, grundsätzliche Neuformierung von EU-Politik nach der Finanzkrise von 2009/2010 nun unter dem Ansturm populistischer, die EU negierender rechtspopulistischer und -extremer Parteien mit Blick auf das drohende Auseinanderdriften der EU-Staaten auf den Ausbau der Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen einer Verteidigungsunion orientiert. Verstärkt auch im Vorfeld des bzw. in Reaktion auf den Brexit und die „America first“-Politik des US-amerikanischen Präsidenten. Sozusagen als zusammenhaltende, und durchaus sehr verschiedene einzelne nationale Interessen in vielen anderen Bereichen ignorierende Klammer der EU. Sogenannte „gemeinsame“ Feindbilder bzw. die Verteidigung gegen selbige wurden schon immer als einende Strategie benutzt.

An Rüstung wird aber immer auch gut verdient, es ist eine wirtschaftliche Größe und die Produktion militärischer und militärisch nutzbarer (Dual use) Güter, zudem mit staatlich abgesichertem Absatz, ist fester Bestandteil marktwirtschaftlicher Realität in allen Gesellschaften.

Wenn keine unmittelbare Bedrohung besteht, warum dann die Aufrüstung bis hin zur nuklearen Bewaffnung?

Wie schon gesagt, das militärische hat einigenden Charakter und damit lässt sich viel Geld verdienen.

Die NATO, Trump und die Verpflichtung zur zweiprozentigen BIP-Investition der NATO-Mitglieder in die Rüstung sind ein weiterer Punkt. Weitere Milliarden an Euro sollen nach dem Willen der Bundesregierung in den Verteidigungshaushalt fließen, um diese absurde Vorgabe zu erreichen. Ein Irrsinn, wenn man bedenkt, wo diese Summen so viel sinnvoller investiert wären. Von Friedensdividende ist schon längst keine Rede mehr, auch nicht davon, Investitionen dieser auf Rüstung ausgerichteten Politik anders einzusetzen und in Konversionsprojekte und die Schaffung einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur zu lenken. Denn diese brauchen ebenfalls erhebliche fingierte und materielle Mittel und derart langfristige Investitionen - aber eben als Projekte und konkreten Weg hin zu Abrüstung und dauerhafter sicherheitspolitischer Stabilität. Ganz zu schweigen davon, dass die EU-Verträge Rüstungsausgaben nicht erlauben. Und die Gelder sind auch im sozialen Bereich oder im Struktur- und Regionalpolitischen Gebiet viel besser aufgehoben, wird doch damit Vertrauen und so Stabilität gesichert, innerhalb der EU als auch in ihren Außenbeziehungen.

Entwickelt sich damit die EU zu einem Militärbündnis neben der NATO?

Ein Großteil der EU-Mitglieder sind bereits NATO-Mitglieder. Besonders wir LINKE sind gegen eine EU-Armee. Ich möchte klar sagen, dass eine Erkenntnis und Lehre aus dem II. Weltkrieg war, dass in Deutschland nur das Parlament über den Auslandseinsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten entscheiden darf. Das muss so beibehalten werden, Entscheidungsverlagerungen auf die europäische Ebene würden diesen Parlamentsvorbehalt sicher aushebeln. Die deutsche Regierung muss schon weiterhin vor dem Bundestag und damit der deutschen Öffentlichkeit erklären sollen, warum sie deutsche Soldatinnen und Soldaten ins Ausland entsenden wollen. So müssen sich die politischen Kräfte und Mehrheiten im Bundestag bekennen, ihre außen- und sicherheitspolitische Begründung für ihre Strategie und Politik im Interesse der Menschen hierzulande und in den ggf. betroffenen Konfliktgebieten liefern und Transparenz ermöglichen. Das gilt dann natürlich auch bezogen auf die EU-Entscheidungen der Bundesregierung im EU-Rat.

Was hältst Du in diesem Zusammenhang von einer europäischen Armee?

Wenig. Ich denke nicht, dass die versprochenen „Einsparungen“ an militärischen Mitteln auf der jeweiligen nationalen Ebenen von gegenwärtig ca. 20 Mrd. Euro real erfolgen. Vielmehr wird es bei der Doppelung bleiben, denn eine Auflösung der NATO bzw. der Austritt aller EU-Mitgliedstaaten aus diesem überlebten militärischen Bündnis wird ja nicht thematisiert. Also alles eine Mogelpackung. Für mich ist der Charakter unserer Armee sowieso zu hinterfragen.

Zudem: der Charakter heutiger militärischer Strukturen weltweit ist zutiefst fragwürdig. Wir brauchen - gerade mit der Erfahrung von Afghanistan bis hin zu Libyen - doch keine militärischen Strukturen zur Absicherung von Regime changes oder anderen Eingriffsoptionen zur Einbindung unterschiedlicher Gesellschaften in jeweils eigene Interessen- und Wirtschaftsmächtigkeit. Auch hier gilt: Die Bundeswehr hat einen Verteidigungsauftrag, sie hat defensiv zu agieren und deutsche Soldatinnen und Soldaten haben für mich bewaffnet im Ausland nichts zu suchen.

Wie müsste das Friedensprojekt EU aussehen?

Dazu stellen wir fünf klare Forderungen: Waffenexporte stoppen; Abrüsten statt aufrüsten; ein friedliches Europa mit einer klar auf Frieden ausgerichteten Agenda; Zivile Konfliktbearbeitung stärken; in die Zukunft investieren statt in den Krieg!

Ich will eine auf die Erfüllung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 ausgerichtete konkrete Außenwirtschafts-, Umwelt- und Entwicklungspolitik. Wir müssen unsere Wirtschaftspolitik neu strukturieren - und damit auch die gesamte Art, wie wir produzieren und konsumieren, umstellen. Allein im Bereich des internationalen Handels gilt es zum Beispiel fairen und ethischen Handel an die Stelle des Freihandels zu stellen. Nur so die Menschen in unseren Partnerländern überhaupt eine Chance, eine eigene aufholende und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu organisieren. Das wäre schon ein wichtiger Beitrag für die Vorbeugung von Konflikten. Das klingt kompliziert, ist aber sicher viel Frieden stiftender als das Festhalten an Rüstungsproduktion, Waffenexporten in Konfliktgebiete und militärischer Logik als Ersatz für partnerschaftliche Dialogpolitik. Hier sehe ich die Hauptverantwortung, Möglichkeiten und Tagesaufgabe und zugleich die Stärken einer ihren Namen als Friedensnobelpreisträger zu Recht tragenden EU.

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