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Enttäuschte Nachbarn

Die EU-Politik der östlichen Nachbarschaft muss sich an den Realitäten orientieren

15.06.2018
Helmut Scholz

Es klang ganz gut, was die Europäische Kommission 2015 plante. Die Nachbarschaftspolitik gegenüber den Staaten in Osteuropa sollte an den Realitäten in diesen Ländern ausgerichtet werden. Drei Jahre später hat sich dieser Ansatz in Luft aufgelöst. Insbesondere die Ukraine und Moldau, die sich über Assoziierungsabkommen besonders stark an die EU gebunden haben, stagnieren politisch und verzeichnen eine regressive gesellschaftliche Entwicklung. Bei zahlreichen Reisen in beide Länder haben gerade Treffen mit Leuten vor Ort eine große Enttäuschung über die EU-Politik der östlichen Nachbarschaft verdeutlicht. Die von ihnen an die Zusammenarbeit mit der EU geknüpften Hoffnungen auf eine schnelle, deutliche Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen aber auch politischen Lebensverhältnisse wurden bitter enttäuscht.

Anstatt die gravierenden Entwicklungsprobleme und Widersprüche in Ländern wie Georgien, der Ukraine oder Moldau zu benennen und zum Ausgangspunkt vernünftiger und nachhaltiger Politik zu machen, werden immer noch Blankoschecks in Geld und Vergünstigungen weiterhin an die bekannten Oligarchen-Gruppen verteilt. Beispiel Moldau: Im vergangenen Jahr befürwortete die EU-Kommission weitere 100 Millionen Euro Makrofinanzhilfe, obwohl ein immenser Bankenskandal ebenso wenig aufgeklärt war wie das vom Staatspräsidenten eingeräumte Versickern von EU-Geldern in den Taschen korrupter Eliten. Beispiel Ukraine: die Minsker Vereinbarungen stecken in der Sackgasse - weil „Moskau“ und „Kiew“ den Krieg im Donbass weiter für ihre politische Interessen brauchen, noch immer grassiert die Korruption, werden Reformgesetze beschlossen, aber nicht umgesetzt, werden Andersdenkende verfolgt und Grundrechte missachtet, bleibt eine soziale Verbesserung breiter Bevölkerungsschichten aus und setzt sich die oligarchische Durchdringung staatlicher Strukturen trotz Reformansätzen fort. All das hinderte „Brüssel“ bisher jedoch nicht sich beispielsweise für die weitere Erhöhung von Einfuhrquoten für Agrargüter einzusetzen, was wiederum wenigen Großeigentümern nützt.

Soll die EU-Nachbarschaftspolitik für die Menschen der Partnerländer wirklich überzeugend und praktisch werden, muss sie auf eine konstruktive Basis gestellt werden. Konstruktiv kann dabei nur bedeuten, die Alimentierung und Zementierung der oligarchischen Strukturen in der Ostnachbarschaft ebenso zu beenden, wie den Konfrontationskurs der EU gegenüber Moskau. Die Realität der Eurasischen Union ist anzuerkennen und eine dialogische Verständigung mit den Ländern der Region dahingehend zu erreichen, wie der bislang nur propagierte gemeinsame Raum des Friedens, der Stabilität sowie des sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts ausgestaltet sein soll.

Berg Karabach, Transnistrien, Donbass, Abchasien und Südossetien stehen dafür, dass in den Ländern bisher kein Frieden herrscht, gesellschaftliche Stabilität latent gefährdet bleibt. Der jüngste Umsturz in Armenien zeigt, sie sind auch nicht stabil. Da die Lebensverhältnisse weiter Teile der Bevölkerungen nicht von Prosperität sondern von Armut, Arbeitslosigkeit und brutaler Ausbeutung und oft Perspektivlosigkeit geprägt sind bleiben auch nationale Souveränität, nachhaltiger sozialer Aufschwung und Rechtsstaatlichkeit sowie Demokratie gefährdet.

Die EU verfügt durchaus über Instrumente für eine andere Politik gegenüber diesen Ländern, für eine Ausrichtung, die vor allem den Bürgerinnen und Bürgern dient. Vorschläge wie sozialverträgliche Strukturreformen zu initiieren und umzusetzen sind, und zwar in Verbindung mit demokratischen und Bürgerrechten, liegen durchaus vor: im Europäischen Parlament und in den Hauptstädten der EU 28. Es bleibt deshalb dringende Aufgabe EU-Rat und Kommission und die Mehrheit im Europäischen Parlament zu drängen, Instrumente der Assoziierungs- und Nachbarschaftspolitik dahingehend zwingend zu verändern und einzusetzen.

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